"Druck ist für mich ein Privileg." Starke Worte. Erst recht aus dem Mund einer gerade mal 18-Jährigen. Einer Kämpferin, die ihre Träume hat, aber lieber von Zielen spricht, weil sich diese aktiv beeinflussen lassen. "Wer keine Ziele hat, kann sich auch nicht verbessern", sagt Nina Christof, die Eishockey-Nationalspielerin aus dem unterfränkischen Hammelburg .
Aus dem beschaulichen Weinstädtchen hat es die in den USA lebende Schülerin auf die große Bühne des Kufensports mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft im kanadischen Calgary in diesem August geschafft. Zum 3:0-Auftaktsieg gegen Ungarn steuert Nina Christof in ihrem ersten Pflichtspiel im Nationaldress der Frauen zwei Treffer bei, wird zur besten Spielerin ihres Teams gewählt.
"Ich hatte nie so viele Nachrichten auf dem Handy wie nach diesem Spiel. Das war überwältigend. Für mich war es Bestätigung, aber irgendwie auch Erleichterung, dass meine harte Arbeit sich ausgezahlt hat." Den achten Platz unter den zehn teilnehmenden Mannschaften verbucht sie als "guten Einstieg auf höchstem Niveau. Um eine Topspielerin zu werden, muss ich mich aber weiter verbessern. Irgendwann will ich mit Deutschland eine Medaille gewinnen."
Komplimente vom Bundestrainer
Auch Bundestrainer Thomas Schädler zeigt sich angetan von den Leistungen seiner Stürmerin: "Nina hat einfach sehr gut gespielt. Sie ist läuferisch sehr stark, hat hohes Tempo, eine wirklich gute Stocktechnik und einen guten Schuss. Für die Zukunft braucht sie eine schnellere Schussauflösung, bei der WM in Kanada hat man gesehen, dass im Spiel weniger Zeit ist", sagt der ehemalige Profi Schädler, der seine junge Spielerin als voll integriert und akzeptiert sieht: "Sie bringt sehr viel Energie mit, hat immer ein Lächeln auf den Lippen."
Mit dem Eissport beginnt Nina Christof bereits als Vierjährige, mit ersten Schritten in der Laufschule der Kissinger Wölfe. "Nina war als Kind schon immer sehr agil. Da kam das Angebot des Eishockeyvereins genau richtig", erinnert sich mit Thomas Christof der Vater. "Auf dem Eis zu stehen, hat einfach riesigen Spaß gemacht. Ich wollte gar nicht mehr runter" , bestätigt die Tochter.
Der berufsbedingte Umzug der Familie in die USA, nach Boston, sollte sich als Glücksfall für die damals Sechsjährige herausstellen. "Für Nina hat das super gepasst. Sie ging zur Schule und hat beim Eishockey mehrere Altersstufen durchlaufen", erzählt Thomas Christof, der selbst nie Eishockey spielte, aber vom Kufensport regelrecht angefixt war. "Als wir 2015 nach Deutschland zurückkehrten, habe ich den Verein 'girlseishockey.de' gegründet, war auch dessen Vorsitzender, um den Mädchen den Einstieg in diesen Sport zu erleichtern. So nach und nach hat das Hobby meiner Tochter auch mein eigenes soziales Umfeld verändert."
Stärkere Konkurrenz in den USA
Nina Christof stellt ihr Talent fortan beim Nachwuchs des ERV Schweinfurt unter Beweis, bei den Jungs wohlgemerkt, um zwei Jahre später erneut über den großen Teich zu fliegen: alleine. "In den USA finde ich stärkere Konkurrenz und vor allem viel bessere Trainingsmöglichkeiten. In Deutschland gibt es ja in vielen Hallen im Sommer kein Eis."
In Rochester, im Bundesstaat New York, besucht sie seit 2017 die Bishop Kearney High School, wohnt dort im angeschlossenen Internat und nennt Chemie und Physik als ihre Lieblingsfächer sowie Informatikerin oder Ingenieurin als Berufswunsch. Bei der "Selects Academy", dem Eishockey-Team der High School, trainiert und spielt die junge Frau von der Fränkischen Saale nahezu täglich. "Dienstag und Mittwoch ist Krafttraining. Zu den vielen Turnieren an den Wochenenden fahren wir donnerstags oder freitags. Der Montag dient der Regeneration."
Persönliche Ziele für jede Einheit
Es passt zur Akribie der Nationalspielerin, "dass ich mir für jede Einheit Ziele setze und danach reflektiere, was ich gut gemacht habe oder besser machen kann." Die Erfolge können sich sehen lassen. Dreimal wird die Deutsche mit ihrem Team nationale Vizemeisterin gegen die starke Konkurrenz, die auch aus Kanada kommt.
Knapp bemessen ist die Freizeit. Mehr Freiheit verspricht der kürzlich erworbene Führerschein. Karten spielen, kochen und mit der Familie Zeit verbringen nennt Nina Christof als Hobbys, die ganz konträr zum harten Kontaktsport stehen. Sportlicher wird's beim Spikeball (Schmetterball), einer Trendsportart, die an Volleyball erinnert.
"Das ist ein Reaktionsspiel, das auch die Hand-Auge-Koordination schult", erklärt die Stürmerin, die im Jahr 2015 ihre erste Berufung in die Juniorennationalmannschaft erhielt und die Daumen für das NHL-Team der Montreal Canadiens drückt. "Die waren im vergangenen Jahr die Underdogs und haben es bis ins Finale geschafft. Das zeigt, dass nicht immer nur die besten Mannschaften gewinnen."
Warten auf die nächste Einladung
Nina Christof trinkt keinen Alkohol und ernährt sich mittlerweile vegan, um ihr Potenzial weiter auszureizen. "Bei Olympia 2022 in Peking will ich unbedingt dabei sein. Dafür werde ich mein Bestes geben." Diesem Wunschdenken ordnet sie alles unter. Den damit verbundenen Druck hält die 18-Jährige aus. Die nächsten Lehrgänge stehen im November in Füssen an. Es ist die gezielte Vorbereitung auf die Olympischen Spiele . Fehlt nur noch die Einladung des Bundestrainers ...
Ein Tag im Sportler-Leben von Nina Christof 05:00 Uhr: Aufstehen
05.15 Uhr bis 06.45 Uhr: Techniktraining
06.45 Uhr bis 07.15 Uhr: Dehnen/Mobilität
07.15 Uhr bis 07.40 Uhr: Frühstück
07.40 Uhr bis 08.00 Uhr: Duschen/Fertig machen für die Schule
08.00 Uhr bis 13.40 Uhr: Schule
14.00 Uhr bis 14.20 Uhr: Fahrt zum Training
14.40 Uhr bis 16.00 Uhr: Training
16.30 Uhr bis 17.00 Uhr: Fahrt zurück zur Schule
17.15 Uhr bis 18.15 Uhr: Krafttraining (Dienstag und
Mittwoch)
19.30 Uhr bis 20.45 Uhr: Hausaufgaben/Lernen
21.00 Uhr: Schlafen