Eine neue Bildungsstätte für 9,4 Millionen Euro aus dem Boden zu stampfen, braucht seine Zeit. Vor den Landtagswahlen 2018 hatte der Freistaat verkündet, dass er in das Unesco Biosphärenreservat Rhön investiert und dass im Landkreis Bad Kissingen ein Naturerlebniszentrum (NEZ) Rhön entstehen soll. Anfang 2019 nahm die erste Mitarbeiterin die Arbeit auf. Inzwischen ist das Team auf drei Köpfe angewachsen und hat im vergangenen Jahr zwei Büros im Hammelburger Kellereischloss bezogen - das Schloss ist einer von zwei Standorten des NEZ. Der zweite Standort wird am Wildpark Klaushof in Bad Kissingen neu gebaut - die Planung dafür läuft.
"Man denkt im ersten Moment, es ist noch nicht viel passiert, aber es hat sich schon eine Menge getan", sagt Joachim Schneider, Leiter des Naturerlebniszentrums. Das Staatliche Bauamt erarbeitet aktuell die Pläne für den Neubau. Schneider geht davon aus, dass die in den nächsten drei Monaten soweit gediehen sind, dass sie präsentiert werden können. Im Roten Schloss ist ebenfalls Geduld gefragt. Das NEZ wird für seine Ausstellung vor allem die Räume nutzen, in denen sich aktuell die Stadtbücherei befindet. Erst wenn die ins neue Bürgerhaus am Marktplatz umzieht - hier haben aktuell die Abrissarbeiten begonnen -, kann im Schloss für das NEZ umgebaut werden.
Was passiert an den Standorten des Naturerlebniszentrums Rhön?
Inzwischen ist nicht mehr die Rede vom Hauptstandort in Bad Kissingen und der Außenstelle in Hammelburg. "Wir sprechen von zwei Standorten. Wir haben ein Budget und einen Stellenplan für beide Häuser, die dann aufgeteilt werden", erklärt Schneider. Auch wenn noch nicht klar ist, wie das NEZ am Klaushof aussehen wird, wann die Bauarbeiten beginnen und fertig sein werden und wann im Kellereischloss Platz frei wird - inhaltlich hat Schneider bereits ziemlich konkrete Vorstellungen, was jeweils in Bad Kissingen und was in Hammelburg geschehen soll. "Wir beschäftigen uns mit allen Dimensionen der Nachhaltigkeit: ökologisch, ökonomisch und sozial", sagt der NEZ-Leiter. Kernthema ist dabei immer das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. "Wir sind von natürlichen Ressourcen abhängig. Die Frage ist nicht ob, sondern wie wir diese Ressourcen nutzen wollen", erklärt Schneider. Bei Nachhaltigkeit gehe es letztlich immer um diese Frage.
Am Kissinger Wildpark steht die ökologische Dimension im Vordergrund. Da geht es um alles, was mit Natur, Wald und den Tieren in der Rhön zu tun hat. "Da gibt es eine gute Infrastruktur, an die wir andocken können", meint er. Das NEZ wird sich dabei nicht nur auf den Wildpark beschränken, sondern will auch den Klauswald nutzen - immerhin befinden sich dort unter anderem Kernzonen des Biosphärenreservates , wo Urwald erlebbar wird. Schneider: "Hauptzielgruppe am Klaushof sind Familien mit Kindern . Und es soll viel mit Schulklassen gearbeitet werden."
Konsumkritische Stadtführungen und ökologischer Fußabdruck
In Hammelburg greift das NEZ die Lage in der Stadt auf und widmet sich den sozialen und wirtschaftlichen Aspekten eines nachhaltigen Lebens - da geht es etwa um nachhaltigen Konsum oder um den ökologischen Fußabdruck, den der Mensch mit seiner Lebensweise verursacht. Zielgruppe sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Es ist angedacht, dass Jugendliche das NEZ im Kellereischloss mitplanen. "Wir wollen Workshops mit Jugendlichen machen, wie die Ausstellung aussehen soll", erklärt der promovierte Pädagoge. Wobei er den Begriff Ausstellung gar nicht so passend findet. Das NEZ solle keine klassische Ausstellung zeigen, sondern etwas "dynamisches und etwas das sich entwickelt."
Auch wenn das Naturerlebniszentrum baulich aktuell nur aus zwei Büros besteht: In die Bildungsarbeit ist das Team bereits voll eingestiegen. Zuletzt hat es ein digitales Unterrichtsprojekt zu Bergwiesen in der Rhön konzipiert und mit den 10. Klassen des Hammelburger Gymnasiums durchgearbeitet.
Große Pläne für das laufende Jahr
Bereits vergangenes Jahr gab es eine Projekt, bei dem Jugendliche mit einer Virtual-Reality-Brille das Bodenleben virtuell entdecken konnten. "Aber wir wollen natürlich auch raus. Da ist der Bedarf groß. Das hat man jetzt im Winter in der vollen Rhön gesehen", sagt Schneider. Das Jahresprogramm für 2021 steht. Sofern die pandemische Lage es zulässt, sind zum Beispiel konsumkritische Stadtführungen in Bad Kissingen und Hammelburg geplant, Sternenführungen, Tierpflegerschnupperkurse, Erkundungstouren mit Kindern in Wald und Wiese oder ein Bastelnachmittag für nachhaltige Weihnachtsgeschenke. An der "Earth Night" (7. September), einem Aktionstag gegen Lichtverschmutzung, beteiligt sich das NEZ mit der Stadt Hammelburg . Die Stadt fährt die öffentliche Beleuchtung zurück so weit es geht, während das NEZ einen Impulsvortrag hält und eine Sternenführung organisiert.
Ebenfalls Teil der Bildungsarbeit sind mobile Angebote, die das NEZ für Schulen konzipiert. "Der Vorteil ist, dass die Schulen nirgendwo hinfahren müssen und die Schüler kriegen mit, da wo sie wohnen und zur Schule gehen, beginnt schon das Biosphärenreservat ", sagt er. Solche Angebote seien laut Schneider gefragt.
Kontakt zu Universitäten
Das NEZ beschäftigt sich nicht nur praktisch, sondern auch wissenschaftlich mit Umweltbildung. Bildungsprogramme werden zum Beispiel evaluiert und umweltdidaktische Studienarbeiten an Universitäten begleitet. "Unser Auftrag ist zu schauen, wie wirkungsvoll ist die Bildungsarbeit", erläutert der NEZ-Leiter. Wie schafft man es am Besten, die Besucher für die Themen zu interessieren und sie ihnen so zu vermitteln, dass etwas hängenbleibt? "Dass das in einer Einrichtung fest verankert ist, ist einmalig in Bayern", lobt Schneider.