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Euerdorf
Privatwald ist völlig zersplittert
In Wirmsthal und Euerdorf ist ein freiwilliger Landtausch geplant. Das sind die Vor- und Nachteile des Verfahrens.
Bernhard Zürner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt und der Euerdorfer Bürgermeister Peter Bergel begutachten eines der vielen kleinen privaten Waldgrundstücke oberhalb von Wirmsthal.       -  Bernhard Zürner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt und der Euerdorfer Bürgermeister Peter Bergel begutachten eines der vielen kleinen privaten Waldgrundstücke oberhalb von Wirmsthal.
Foto: Ralf Ruppert | Bernhard Zürner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt und der Euerdorfer Bürgermeister Peter Bergel begutachten eines der vielen kleinen privaten Waldgrundstücke oberhalb von Wirmsthal.
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:05 Uhr

Einen ersten Versuch für einen freiwilligen Landtausch in den Gemarkungen Euerdorf und Wirmsthal gab es bereits 2019. Wegen der Pandemie verliefen die Bemühungen von Bernhard Zürner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Bad Neustadt jedoch im Sande. Der Markt Euerdorf und rund ein Dutzend Eigentümer und Eigentümerinnen haben nun entschieden, einen neuen Versuch zu unternehmen. Zu einer ersten Versammlung war eine so genannte Kerngruppe eingeladen: Interessierte, die mehrere oder „Schlüsselgrundstücke“ besitzen.

„Ich find’s gut“, sagt Rebekka Büttner aus Wirmsthal. Sie hat selbst etliche kleine Grundstücke , die über beide Gemarkungen verteilt sind. Zudem ist sie Jagdvorsteherin in Wirmsthal: „Ich will das Thema auch bei der anstehenden Versammlung der Jagdgenossenschaft vorstellen“, kündigt Büttner an. Am 27. Februar soll es dazu Informationen in Wirmsthal geben. Gemeinde und AELF planen zudem eine große Info-Veranstaltung und Spaziergänge durch die Waldstücke für Frühjahr und Sommer.

Schnelle Flurbereinigung ausgeschlossen

Die Kerngruppe informierten Eva Kiesekamp vom Amt für ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken und Alois Beer von der Fachstelle „Initiative Strukturverbesserung Privatwald“ am AELF Würzburg. „Der freiwillige Landtausch ist ein schnelles und einfaches Verfahren zur Verbesserung der Waldstruktur“, sagte Beer. Grundlage ist das Flurbereinigungsgesetz. Beer stellte klar, dass es für Euerdorf keine zeitnahe Aussicht auf eine echte Flurbereinigung im Wald gebe. Die Wartezeiten für Bodenordnungsverfahren seien aktuell äußerst lang. Bevorzugt würden zudem Gemeinden, in denen zum Beispiel überregionale Straßen oder sonstige Infrastrukturprojekte anstehen. Ein Nachteil der Flurbereinigung sei zudem, dass alle Eigentümer beteiligt sind – „ob man will oder nicht“.

Der freiwillige Landtausch sei dagegen ein Angebot des Staates mit vielen Vorteilen: Das Amt für ländliche Entwicklung übernehme alle Verfahrenskosten , trage anstelle eines Notars die Grundstücke um, bezahle den „Tauschhelfer“, und es fallen beim Tausch bis zu einer Wertgrenze von 2500 Euro pro Grundstück in der Regel keine Grunderwerbssteuern an, berichtete Eva Kiesekamp vom ALE. „Das Einzige, was die Beteiligten zahlen müssen, ist die Bewertung der Grundstücke “, sagte Beer.

Einschränkungen

Umgekehrt gebe es beim Landtausch aber auch Einschränkungen: So sei nur der Tausch kompletter Grundstücke möglich, Neuvermessungen und Wegebau seien ausgeschlossen. Beer wies jedoch darauf hin, dass nach Abschluss des Waldtausches eine Katasterneuvermessung zu Sonderkonditionen möglich sei: „Ihre zusammengetauschten Waldflächen können die Eigentümer dabei zum halbierten Gebührensatz amtlich vermessen, neu zuschneiden oder verschmelzen sowie Grenzsteine setzen lassen.“ Die Beratung und Unterstützung der Fachstelle sagte Beer auch dafür zu. Das sei aber alles nicht mehr Teil des freiwilligen Waldtausches, sondern ein gesondertes freiwilliges Verfahren. „Günstiger kann Grundstücksverkehr nicht stattfinden“, betonte Beer.

Info-Veranstaltung

Der Euerdorfer Bürgermeister Peter Bergel kündigte für Dienstag, 21. März, eine Informationsveranstaltung für alle Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer an. Dazu würden schriftliche Einladungen verschickt. Der Gemeinderat hat zudem festgelegt, dass die Gemeinde die Kosten für die Bewertung der Waldflächen in Höhe von rund 20.000 Euro übernommen werde, wenn Flächen auch wirklich getauscht werden. Wer nicht tauscht, müsse die Kosten selbst tragen. Der Beschluss fiel mit 8:2 Stimmen. Für die Bewertung müssten noch Grundsätze festgelegt werden, die neben dem Holzwert Faktoren wie Bodenbeschaffenheit oder den ökologischen Wert einbeziehen.

Bewertung geht über Landtausch hinaus

Die Bewertung gebe auch einen Anhaltspunkt dafür, zu welchem Preis jemand ein Grundstück verkaufen kann. Beer betonte, dass parallel zum freiwilligen Landtausch Verkäufe über den Notar ganz normal möglich seien. Beim Landtausch selbst kann dagegen niemand alles abgeben: „Die Größe kann sich verändern, aber jeder geht mit mindestens einem Grundstück rein und mit mindestens einem raus.“ Differenzen würden finanziell ausgeglichen.

Nach Abzug der großen Waldflächen von Gemeinde und Stiftungen schätzt Alois Beer die Gebietskulisse für den Landtausch in den Gemarkungen Euerdorf und Wirmsthal auf rund 151 Hektar. Diese Fläche ist aktuell zersplittert in 587 Flurstücke, hinter denen 169 Besitzstände stehen. Sieben davon gehörten Kommunen, Stiftungen oder Verbänden, der Rest sei privat. Hinter den 162 privaten Besitzständen verbergen sich laut Beer 282 Menschen, von Einzelpersonen über Paare bis zu kleineren und größeren Erbengemeinschaften.

Immer nur Vorschläge

In der Versammlung wurde betont, dass im Verfahren keine Erbauseinandersetzungen gelöst werden können. Wenn sich die Erben jedoch einig seien, könnten zum Beispiel mehrere Grundstücke in gemeinschaftlichem Besitz unkompliziert auf die einzelnen Erben in Alleineigentum aufgeteilt werden. In Ausnahmefällen könnten auch Grundstücke außerhalb der beiden Gemarkungen einbezogen werden.
Am Ende könne der Tauschhelfer allerdings immer nur Vorschläge machen. „Keine Vereinbarung ist etwas wert, solange sie nicht von allen Beteiligten unterschrieben ist“, sagte Beer.

Jedenfalls gehe ein freiwilliger Landtausch relativ schnell über die Bühne: Treffen und Einzelgespräche, um den Tauschplan aufzustellen,  könnten nach der Bewertung  innerhalb einiger Monate durchgezogen werden. Danach werde die Vereinbarung dann dem ALE als vollziehender Behörde vorgelegt, die unter anderem  Rechte und Belastungen  auf den zu tauschenden Grundstücken prüfe.

Breite Zustimmung der Kerngruppe

Nach der Erstinformation unterstützten die Mitglieder der Kerngruppe den Antrag der Gemeinde. „Ich habe auch unterschrieben“, berichtet Rebekka Büttner, die den landwirtschaftlichen Betrieb ihres Vaters übernommen hat. „Das Verfahren bietet  die Möglichkeit, viele kleine Waldstücke zusammenzufassen“, erhofft sie sich eine Umkehr der fränkischen Realteilung, die über Jahrhunderte zu einer Zersplitterung des Waldes geführt hat.

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