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Ramsthal
Neue Serie "Besondere Berufe": Wenn man täglich Pferden ins Maul schaut
Jeder Beruf hat seine Besonderheit. Und doch gibt es solche, bei denen man im Alltag Außergewöhnliches tut. Heute geht es um den Pferde-Dentalpraktiker.
Tierarzt Kaid Kojah ist auf die Zahnbehandlung von Pferden spezialisiert. Hier schleift er Haflingerstute Naila die Zähne.
Foto: Simon Snaschel | Tierarzt Kaid Kojah ist auf die Zahnbehandlung von Pferden spezialisiert. Hier schleift er Haflingerstute Naila die Zähne.
Simon Snaschel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:32 Uhr

Zimperlich kann man Kaid Kojah nicht nennen. Schnellen Schrittes geht der 34-Jährige auf Haflinger Stefan zu, tätschelt den Hengst kurz, hält ihn am Kopf fest und wühlt dem verdutzten Pferd sogleich mit blanker Hand im Maul herum. Was verstörend aussieht, ist wichtig für die Tiere: Kojah ist Tierarzt und als solcher auf Zahnmedizin für Pferde spezialisiert.

Der Mann mit dem Sachverstand für Pferdegebisse betreibt gemeinsam mit Lukas Dylewski eine mobile Praxis für Pferdemedizin (Ramsthal). Mit modernen Gerätschaften haben "die Pferdetierärzte", wie das Duo sich nennt, es sich zum Ziel gesetzt, Behandlungen anzubieten, für die die Vierbeiner sonst in eine Tierklinik gebracht werden müssten. Kojah ist darüber hinaus seit 2020 geprüfter Pferde-Dentalpraktiker.

Mit bloßer Hand kontrolliert Kojah die Zähne seiner Patientin Naila.
Foto: Simon Snaschel | Mit bloßer Hand kontrolliert Kojah die Zähne seiner Patientin Naila.

"Ich reite von Kindesbeinen an", erzählt Kojah. Eigentlich habe er Berufsreiter werden wollen. Im Nachhinein aber sei sein Beruf "das Beste, was ich hätte machen können", so der Doktor der Tiermedizin, der mit seiner Frau selbst zwei Pferde besitzt. Die Affinität zu den Tieren ist für Kojah im Berufsleben entscheidend: "Pferde sind natürlich sehr spezielle Patienten und es ist wichtig, ihr Vertrauen zu gewinnen. Ein gewisses Risiko besteht trotzdem immer."

An diesem Vormittag auf einem Fuchsstädter Reiterhof verläuft alles nach Plan. Die Haflinger Stefan und Naila sind umgängliche Patienten. Auch wenn eine gewisse Vorsicht mitschwingt, muss Kojah diesmal keine Angst um sein körperliches Wohl haben. Das ist nicht immer so: "Gebissen werde ich schnell mal, wenn ich nicht aufpasse", erzählt der junge Mann.

Schweres Gerät: Eine Maulsperre hilft dem Tierarzt bei der Behandlung, bei der hier auch die Halterin unterstützend Hand anlegt.
Foto: Simon Snaschel | Schweres Gerät: Eine Maulsperre hilft dem Tierarzt bei der Behandlung, bei der hier auch die Halterin unterstützend Hand anlegt.

Viel gefährlicher als Bisse aber seien Tritte. "Deshalb ist mein Job als Risikoberuf eingestuft. Es ist schwierig, eine Versicherung zu finden", sagt Kojah und lacht. Er nimmt sein Berufsrisiko mit Humor und sieht sich selbst in der Verantwortung. "So ein 600-Kilo-Pferd hat eben 600 Argumente gegen mich. Ich muss sehr genau auf die Körpersprache der Tiere achten."

Um die Behandlung für Mensch und Tier angenehmer zu machen, stellt Kojah die Pferde nach seiner ersten Von-Hand-Untersuchung ruhig. Erst dann greift der Pferdezahnarzt zum schweren Gerät. Naila und Stefan bekommen diesmal "Standardbehandlungen", wie Kojah sagt. Die Zähne werden abgeschliffen und auf diese Art und Weise angeglichen. Danach wird ausgespült und der Zustand dokumentiert - fertig.

Einmal ausspülen bitte: Kojah mit Haflinger Stefan.
Foto: Simon Snaschel | Einmal ausspülen bitte: Kojah mit Haflinger Stefan.

Für Pferde und deren Besitzerinnen oder Besitzer ist diese Prozedur nicht außergewöhnlich. Angeboten wird sie von nahezu jedem Veterinär. Schließlich gehören zu einem gesunden Tier auch gesunde Zähne, die meist im Jahresintervall kontrolliert werden. Kojah sagt aber: "Ich finde, dass die Zahnmedizin in meiner Tierarzt-Ausbildung sehr stiefmütterlich behandelt wurde." Das sei Ansporn gewesen, die Zusatzqualifikation zum Pferde-Dentalpraktiker anzuhängen.

Die Weiterbildung helfe ihm nun bei komplizierteren Eingriffen. "Manchmal ist man schon drei Stunden zugange. Pferde haben eine andere Zahnstruktur. Die Zähne wachsen permanent und nicht gleichmäßig", erklärt Kojah. Deshalb gebe es auch keine Zahnspangen für die Tiere, ergänzt er schmunzelnd. Stattdessen müsse man regelmäßig Anpassungen vornehmen. Auch dank besonderer technischer Ausstattung kann Kojah die aufwendigeren dieser Behandlungen vor Ort anbieten, und so wird den Pferden der mit dem Besuch der Tierklinik verbundene Stress erspart.

Die Dokumentation darf nach der abgeschlossenen Behandlung nicht fehlen.
Foto: Simon Snaschel | Die Dokumentation darf nach der abgeschlossenen Behandlung nicht fehlen.

Man merkt dem Ramsthaler den Spaß an seiner Arbeit an. "Jede Behandlung ist komplett unterschiedlich. Die Freude daran ist sehr wichtig für meinen Job", sagt er. Dabei gehe es auch darum, Vertrauen bei den vierbeinigen Patienten und deren Halterinnen und Haltern zu gewinnen. "Wenn einer von beiden nicht mitmacht, habe ich es schwer", so Kojah.

Wer geht denn nun weniger gern zum Zahnarzt, Pferde oder Menschen? Da muss Kojah kurz überlegen. "Das habe ich mich noch nie gefragt. Vielleicht ist es für die Pferde etwas entspannter, weil sie ja vor der Behandlung sediert werden", sagt er lächelnd. Er selbst sitze zwar nicht gerne auf dem Behandlungsstuhl des Zahnarzts, die vielzitierte Angst habe er allerdings nicht. "Ich hatte aber auch Glück, dass mein Zahnarzt sehr nett war, als ich noch klein war."

Hinweis: Sie haben einen Tipp für diese Serie? Wenden Sie sich gerne per E-Mail (simon.snaschel@mainpost.de) an den Autor.

 
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