Der Anruf Ende 2017 kam aus heiterem Himmel: Im Auftrag des Freistaates Bayern meldete sich ein Personalvermittler bei Sylvie Thormann, damals Chefin der Touristik GmbH in Bad Driburg. Das Moor- und Mineralheilbad war kurz zuvor als bestes Heilbad in Nordrhein-Westfalen und Top-Kurort Deutschlands ausgezeichnet worden. Trotzdem: "Die Anfrage hat mich überrascht." Thormann sollte Kurdirektorin in Bad Kissingen werden. Also machte sie sich mit ihrer Familie auf den Weg vom Teutoburger Wald an die Saale. "Wir haben uns direkt in die Stadt verliebt", fasst sie die Eindrücke im Winter zusammen.
25 Mal so viele Mitarbeiter
Eigentlich ist Sylvie Thormann ihrer Heimatstadt eng verbunden: Nach der Schule studierte sie im nur gut 20 Kilometer entfernten Paderborn, danach ging es gleich wieder zurück. Trotzdem wagte sie nun den großen Schritt. "So ein Angebot muss man einfach annehmen." Die Städte Bad Driburg und Bad Kissingen seien sich sehr ähnlich: Die Landschaft am Fuße des Teutoburger Waldes sei wie die am Fuße der Rhön, Bad Driburg hat knapp 19 000 Einwohner, Bad Kissingen gut 22 000.
Aber es gibt auch Unterschiede: Bad Driburg hat einen privaten Betreiber der Kuranlagen und verzeichnet rund 700 000 Übernachtungen, Bad Kissingen ist Staatsbad mit mehr als 1,6 Millionen Übernachtungen. Und: Die Touristik GmbH hat sechs Gesellschafter - von der Stadt bis zum Fremdenverkehrsverein - und sieben Mitarbeiter, die Staatsbad GmbH hat nur zwei Gesellschafter - Stadt und Freistaat - aber 180 Mitarbeiter.
Lob für den Vorgänger
Natürlich sei ihr die Stadt vorher schon ein Begriff gewesen: " Bad Kissingen ist der bekannteste Kurort in Deutschland und wird sich auch in den nächsten Jahren weiter als der Gesundheits-, Wellness- und Kulturstandort in Deutschland etablieren", ist Sylvie Thormann überzeugt. Die ganze Branche schaue auf Bad Kissingen , bei Messen habe sie "immer wieder ein Auge drauf geworfen, was hier passiert", erzählt sie. Ihr Fazit: "Herr Oette hat in den vergangenen fünf Jahren sehr gute Arbeit geleistet."
Deshalb will sie nun auch erst einmal abwarten und beobachten: "Ich werde sicher eigene Akzente setzen, aber ich werde nicht alles auf links drehen", fasst sie ihre Haltung zusammen. Gleich nach der Entscheidung im Stadtrat im März hat die 39-Jährige die Belegschaft kennen gelernt: "Beide Seiten sind sehr neugierig", erzählt sie. Die Querelen um Betriebsrat und Schwerbehinderten-Vertretung habe sie mitverfolgt. Von ihrer bisherigen Stelle kenne sie auch die Konstellation verschiedener Arbeitsverhältnisse: Bei der Touristik GmbH waren es städtische Mitarbeiter, die Staatsbad GmbH hat rund ein Drittel Beschäftigte des Freistaates.
Richtig aktiv werden will Sylvie Thormann erst, wenn ihr Vertrag am 15. Juli beginnt. Im Handelsregister ist sie zwar bereits ab 1. Juli als Geschäftsführerin und damit Kurdirektorin eingetragen, noch stecke sie aber mitten im Umzug: Ihr Mann habe schnell eine Stelle als Krankenpfleger gefunden, jetzt müssten viele Kartons ausgepackt werden: "Ich freue mich privat auf den Schulstart unserer Tochter und darauf, als Familie unsere neue Heimat kennen zu lernen", sagte die 39-Jährige.
Position pro Kurhaushotel
Trotzdem besucht sie Konzerte, ist bei Workshops dabei und knüpft Kontakte: "Alles, was ich jetzt schon mitnehmen kann, hilft mir für den Start." Besonders beeindrucke sie das umfangreiche Kulturprogramm und die große Fan-Gemeinde des Kurorchesters. Demnächst wolle sie Hotels und Kliniken besuchen. Und sie kennt bereits aktuelle Probleme wie die Diskussion ums Kurhaushotel: "Es ist wichtig, dass dieser exklusive Hotelstandort vom Eigentümer reaktiviert wird. Ein Fünf-Sterne-Hotel würde Bad Kissingen sicher gut zu Gesicht stehen", sagt sie, und gibt sich auch durchaus kämpferisch: "Ich werde die Interessen der Gesellschaft vertreten, auch den Gesellschaftern gegenüber."
Erfahrungen im Stadtmarketing
Sylvie Thormann bringt zudem Erfahrung im Stadtmarketing mit: In Bad Driburg sei gerade die Fußgängerzone saniert worden. Ideen wie Baustellen-Führungen, Bauhelme für Kinder oder ein Maskottchen für die Baustelle dürften auch auf das Projekt "Neue Altstadt" übertragbar sein. Als "absolut gerechtfertigt" sieht Thormann die Bewerbung der Stadt um den Weltkulturerbe-Status an: " Bad Kissingen gehört zu den Top-Bädern", sagt sie, und: "Das wäre ein Riesen-Impuls."
Foto: Ralf Ruppert