Im vergangenen Jahr sorgte der Diebstahl von elf Gedenktafeln auf dem Parkfriedhof für Aufsehen. Auf ihnen befanden sich Namen von Kissinger Bürgern, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Was dann mit den Platten geschah, ist nicht bekannt. Mittlerweile hat die Stadt neue Tafeln installiert. Das Kuriose: Auf den Bronzetafeln fehlen möglicherweise rund 460 Namen von Kissinger Gefallenen.
Aufmerksame Kissinger Bürger
Festgestellt hat das unter anderem Franz-Peter Potratzki. "Ich habe mit einer Bekannten geredet, der aufgefallen ist, dass auf den Tafeln Angehörige fehlen", sagt er rückblickend. "Daraufhin habe ich mich selbst kundig gemacht." Potratzki stieß auf weitere Kissinger Bürger, deren Angehörige auf den neuen Tafeln nicht mehr berücksichtigt wurden. Anschließend zog es ihn ins Archiv der Stadt Bad Kissingen .
Akteneinsicht im Archiv
"Es gab dort eine gebundene Liste aus den späten 1940er Jahren", sagt er. In dieser - dem "Verzeichnis der im Parkfriedhof in Bad Kissingen befindlichen Gräber von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht " - finden sich 135 Namen. Diese bilden offensichtlich weitestgehend die Grundlage für die neuen Gedenktafeln . Bei den Namen handelt es sich um Nicht-Kissinger, die laut Recherchen dieser Redaktion auf dem Parkfriedhof beerdigt sind. Möglicherweise handelt es sich bei ihnen um Soldaten, die in Lazaretten um Bad Kissingen an ihren Verwundungen starben. Auf den neuen Platten finden sich außerdem noch 29 weitere Namen, deren Herkunft allerdings unklar ist.
Es gibt zahlreiche Kissinger Bürger, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Auf den neuen Tafeln finden sie kaum Erwähnung. Dafür sind sie in einer Online-Liste mit 465 Namen vermerkt. Geschichtsinteressierte haben sie erstellt. "Das Projekt und die Liste sind als valide einzustufen", bewertet Jörg Raab, Landesgeschäftsführer des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die Auflistung im Netz.
Fünf aus 465
Von den 465 Namen finden sich lediglich fünf Namen auf den neuen Gedenktafeln . Sind die neuen Tafeln weitestgehend unvollständig? Eine Antwort darauf ist schwer zu finden. Denn im Stadtarchiv finden sich weder eine Liste noch Fotografien der einzelnen gestohlenen Tafeln. Die Stadt Bad Kissingen äußert sich vorerst nicht. "Das Thema soll in einer der nächsten Sitzungen in einem Gremium des Stadtrates behandelt werden", teilt Thomas Hack , Pressesprecher der Stadt Bad Kissingen auf Anfrage der Redaktion mit.
Wem gedenken die Tafeln?
Die neuen Tafeln scheinen nur derer zu gedenken, die tatsächlich auf dem Parkfriedhof beerdigt sind. Deutlich wird das am Beispiel des Kissingers Josef Werner, der ursprünglich auf den elf gestohlenen Tafeln erwähnt wurde. Sein Name und die von 50 Anderen lassen sich auf Bildern aus dem Fotoarchiv der Redaktion lesen. Die alten Platten sind auf den Bildern jedoch nicht in ihrer Gänze zu sehen. Eine Anfrage beim Volksbund zu Josef Werner hat ergeben, dass er nicht in seiner Heimat an der Saale, sondern in Österreich beerdigt ist.
Die Redaktion hat recherchiert, wer teilweise auf den elf alten Tafeln Erwähnung fand. Auf den Fotos aus dem Zeitungsarchiv der Heimatzeitung lassen sich bis zu 23 Namen in Folge lesen. Die Namensabfolge auf den Bildern deckt sich mit einer Liste des erwähnten Online-Projektes. Namen und Todesdaten stimmen beim direkten Vergleich überein. Es ist also anzunehmen, dass die Liste aus dem Internet den Stand der gestohlenen elf Tafeln zeigt.
Es scheint daher nicht abwegig, dass die 465 Namen der Online-Liste auf den geklauten Tafeln standen. Diejenigen, die die Tafeln damals erstellt haben, könnten alle Bad Kissinger aufgenommen haben, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind - auch wenn sie nicht in ihrer Heimatstadt begraben sind. Die neuen Tafeln auf dem Parkfriedhof erfassen dagegen 164 Gefallene, die dort zwar bestattet sind, aber nicht in Bad Kissingen gelebt haben.