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Hammelburg
Nachruf Alois Schneider: Trauer um Pionier und Vordenker
Der gebürtige Diebacher Alois Schneider ist kurz vor seinem 95. Geburtstag gestorben. Über Jahrzehnte hat er sich in ganz Deutschland für Landwirte eingesetzt.
Im Jahr 2008 überreichte der damalige bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller (rechts) dem gebürtigen Diebacher Alois Schneider den 'Bayerischen Löwen' für dessen Verdienste um die Landwirtschaft.       -  Im Jahr 2008 überreichte der damalige bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller (rechts) dem gebürtigen Diebacher Alois Schneider den 'Bayerischen Löwen' für dessen Verdienste um die Landwirtschaft.
Foto: Archiv/Thomas Künzl | Im Jahr 2008 überreichte der damalige bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller (rechts) dem gebürtigen Diebacher Alois Schneider den "Bayerischen Löwen" für dessen Verdienste um die Landwirtschaft.
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 09.11.2022 17:00 Uhr

Er war ein Macher und unerschütterlicher Optimist: Bis über den 80. Geburtstag hinaus war der gebürtige Diebacher Alois Schneider als landwirtschaftlicher Sachverständiger aktiv, in den 1960er Jahren baute er den ersten Schweinemastbetrieb mit Spaltenboden in ganz Deutschland und bereits in den 1980er Jahren plante er Biogasanlagen. In Forschungseinrichtungen, als Beirat im Bundes-Landwirtschaftsministerium und in zahlreichen Verbänden setzte er sich vor allem für die Belange von Nebenerwerbslandwirten ein. Am 3. September, knapp zwei Wochen vor seinem 95. Geburtstag , starb Alois Schneider. Er wird am Samstag, 10. September, um 11 Uhr in seinem Heimatort Diebach beigesetzt .

"Er war ein Pionier und in sehr vielen Bereichen seiner Zeit weit voraus", fasst Karin Schüßler das Leben ihres Vaters zusammen. Das sei ihr in den vergangenen Tagen durch die Rückmeldung vieler Verbände und die Beschäftigung mit seinem Lebenswerk noch einmal richtig bewusst geworden. So habe er zum Beispiel bereits 1980 die "Gesellschaft für alternative Energiegewinnung" mitgegründet, die zahlreiche Biogasanlagen in Unterfranken plante und baute. "Hätte man das damals stärker verfolgt, wären wir heute bei der Energiewende schon weiter", ist sich Karin Schüßler sicher.

Bis ins hohe Alter sei ihr Vater geistig sehr fit geblieben. Das zeigt sich unter anderem daran, dass er noch bis zum Jahr 2009 landwirtschaftliche Gutachten für Gerichte erstellte. Besonders schwierig sei das Jahr 2013 für Alois Schneider gewesen: Der Tod seiner Frau Mathilde nach 60 Ehejahren und mehrere Oberschenkelhalsbrüche hätten seinen Tatendrang ausgebremst. Sein letztes Lebensjahr sei er dann besonders stark auf Pflege angewiesen gewesen.

Buch "Alles hat seine Zeit"

Im Jahr 2009, kurz nach seinem 80. Geburtstag , brachte Alois Schneider seine gesammelten Lebenserinnerungen als Buch heraus. Unter dem Titel "Alles hat seine Zeit - Auf Wanderschaft durch 80 Lebensjahre" schrieb er Geschichten aus Diebach und der Welt auf. Geboren wurde Alois Schneider am 15. September 1927 als erstes Kind der Eheleute Monika und Max Schneider . Es folgten noch die jüngeren Schwestern Anni und Sieglinde. Im Buch erinnert er sich an die glückliche Kindheit in sehr einfachen bäuerlichen Verhältnissen. Von seinem Vater habe er das Motto "Wir werden das Kindlein schon schaukeln" verinnerlicht. "Dieser Leitspruch hat mir in vielen Lebenssituationen Ruhe und Selbstvertrauen vermittelt", schreibt Schneider in seiner Biografie.

Menschen und Traditionen

In vielen Details berichtet Schneider über seine Kindheit, von der ersten Lehrerin Frau Mehling über den Rohrstock des Lehrers Held bis zur Ministrantenzeit. Das Buch ist auch eine Chronik seiner Zeit mit vielen Geschichten, der Erinnerung an besondere Menschen und vergessenen Traditionen. Unter anderem schrieb Schneider den Reim auf, mit dem die Jungen damals durchs Dorf zogen und Brennmaterial für das Johannisfeuer sammelten. Schneider besuchte die Volksschule in Diebach, danach ging es an die Landwirtschaftsschule in Hammelburg . Reichsarbeitsdienst, einige Monate Kriegsdienst sowie Verwundung und Gefangenschaft durchkreuzten die ansonsten unbeschwerte Jugend.

Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft lernte er 1946 seine spätere Frau Mathilde, geborene Burdack, kennen, die mit ihrer Familie aus dem Sudetenland geflohen war. Für beide schlossen sich Lehr- und Wanderjahre an: Eigentlich habe er sogar als Landwirt nach Kanada auswandern wollen, erzählt Alois Schneider in seinem Buch. Seine Frau habe das jedoch verhindert. 1954 kam Tochter Karin, 1956 Sohn Norbert zur Welt. Mathilde holte später noch die Prüfung zur Hauswirtschaftsmeisterin nach, Alois Schneider absolvierte die Höhere Landbauernschule in Bad Kreuznach. Viele Mitschüler hätten Abitur gehabt, deshalb sei es für ihn mit dem Volksschulabschluss keine einfache Zeit gewesen, berichtet Schneider.

Anregung in Schweden geholt

Weil der elterliche Betrieb in Diebach mit gut sechs Hektar Feld zu klein war, orientierte sich die Familie anders: Zunächst zogen sie nach Hain im Spessart, 1964 stand der Umzug nach Michelfeld bei Kitzingen an. Dort bauten die Schneiders einen modernen Schweinemastbetrieb auf. Bei seiner Tätigkeit am Max-Planck-Institut für Landarbeit und Landtechnik Bad Kreuznach hatte er erste Versuche mit Spaltböden gemacht. In Schweden besuchte er Ställe mit Spaltböden, bevor er den ersten Stall dieser Art in Michelfeld baute.

24 Jahre lang bewirtschafteten die Schneiders den Aussiedlerhof im Landkreis Kitzingen, viele Arbeiten habe dabei seine Frau übernommen, berichtet Schneider. Denn trotz der Aufstockung auf 250 Mastschweine blieb es ein Nebenerwerbsbetrieb. Alois Schneider arbeitete in der Deutschen Gesellschaft für Landentwicklung mit, von 1963 bis 1977 leitete er die Geschäftsstelle Würzburg. In dieser Zeit habe er hunderte Betriebe beraten, unter anderem habe er die Aussiedlung von neun Höfen in Sulzthal federführend begleitet. 1988 bauten die Schneiders ein Haus in Diebach und zogen dorthin zurück.

Von 1977 bis 1995 war Schneider Vorsitzender des Deutschen Bundesverbands für Landwirte im Nebenberuf. Daneben setzte er sich in vielen Verbänden ein, etwa dem Agrarbeirat der bayerischen SPD oder dem Gutachterausschuss im Landratsamt Kitzingen. Von 1982 bis 1996 gehörte er dem Beirat zur Feststellung der Ertragslage im Bundeslandwirtschaftsministerium an. 1998 erhielt er für seinen Einsatz rund um die Landwirtschaft das Bundesverdienstkreuz, 2008 folgte vom Freistaat Bayern der Bayerische Löwe. Um Alois Schneider trauern seine beiden Kinder sowie zwei Enkel und zwei Urenkel.

 
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