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LKR. BAD KISSINGEN
„Nachbarn der Vergangenheit“
Es gab auch ein Leben vor dem Holocaust. Cornelia und Michael Mence wollten mit dem Buch „Nachbarn aus der Vergangenheit“ (erschienen 2004) kein Geschichtsbuch schreiben, sondern daran erinnern, dass Juden und Christen im 19. Jahrhundert friedlich zusammen lebten – auch im Landkreis Bad Kissingen.
Gustav Neustädter mit seinen drei Jungs (1932). Er kam 1920 von Sulzbürg nach Maßbach. 1924 zog er mit seiner Familie nach Bad Kissingen. Hier war er auch als Kultusbeamter in der jüdischen Gemeinde tätig.       -  Gustav Neustädter mit seinen drei Jungs (1932). Er kam 1920 von Sulzbürg nach Maßbach. 1924 zog er mit seiner Familie nach Bad Kissingen. Hier war er auch als Kultusbeamter in der jüdischen Gemeinde tätig.
Foto: ikrapf | Gustav Neustädter mit seinen drei Jungs (1932). Er kam 1920 von Sulzbürg nach Maßbach. 1924 zog er mit seiner Familie nach Bad Kissingen. Hier war er auch als Kultusbeamter in der jüdischen Gemeinde tätig.
Von unserem Redaktionsmitglied ISOLDE KRAPF
 |  aktualisiert: 06.02.2007 03:07 Uhr

Die Juden waren in den Dörfern integriert. Es gab beispielsweise in Bad Brückenau und in Steinach die „Straße zur Synagoge“, andernorts den „Judenrain“ oder „Salomons Gütlein“. Cornelia Mence, gebürtige Brückenauerin, erinnert sich selbst noch daran, als Kind im „Schabbesgärtchen“ gespielt zu haben – dort wo sich die Juden nach dem Gottesdienst zu Gesprächen trafen.

Die Juden lebten schon vor dem „Toleranz-Edikt“ von 1806 in vielen Gemeinden „selbstbestimmt“, so Cornelia Mence. Sie bauten Synagogen und richteten jüdische Schulen ein. So entstand in Maßbach 1715 die erste Synagoge. Damals lebten etwa 120 Juden dort, 100 Jahre später waren es 170 Personen. 1777 stiftete Moses Sußmann eine jüdische Schule, in die auch Schüler aus Thundorf und Poppenlauer gingen.

Um 1813 lebten laut Volkszählung beispielsweise in Westheim und in Völkersleier je 210 Juden, in Maßbach 187, in Bad Kissingen 171 und in Steinach 126. Im Jahr 1910 war Bad Kissingen nach Mences Recherchen mit 310 Personen die stärkste jüdische Gemeinde, danach kamen Bad Brückenau (124) und Hammelburg (119). Aber auch in Steinach lebten 80 und in Poppenlauer und Westheim um die 70 Bürger jüdischen Glaubens.

Interessant sind auch Ersterwähnungsdaten jüdischer Personen während des Zeitraums 1485 bis 1800. In Bad Kissingen werden Juden erstmals im Jahr 1525 erwähnt, in Maßbach 1556. Es bestehe in dem 446-seitigen großformatigen Band kein Anspruch auf Vollständigkeit, was Namen und Daten angeht, sagen die Mences. Dennoch: Die detektivische Kleinarbeit beim Sichten sowie bei der Aufbereitung des Materials ist nicht zu kaschieren.

Man überlege sich allein schon, wieviel Aufwand es bedeutete, die Liste mit 6200 Namen von jüdischen Mitbürgern aus 23 Gemeinden des Landkreises aufzuspüren und zusammen zu stellen – Menschen, die zwischen 1739 und 1943 hier lebten. „Wenn es das Buch nicht gäbe, wären all diese Leute verschwunden“, resümiert Cornelia Binder. „So bleiben sie in Erinnerung.“

Infos zum Buch bei Cornelia und Michael Mence, E-Mail: rapunzelbi@web.de

In der Bäckerei von Siegmund Stern (Mitte) in Bad Brückenau wurden im Frühjahr wochenlang Matzen gebacken und in großen Rollen verschickt (Bild von 1907). Stern zog 1900 von Züntersbach nach Bad Brückenau. (Alle Fotos dieser Seite stammen aus dem Buch „Nachbarn der Vergangenheit“ von Cornelia und Michael Mence.)       -  In der Bäckerei von Siegmund Stern (Mitte) in Bad Brückenau wurden im Frühjahr wochenlang Matzen gebacken und in großen Rollen verschickt (Bild von 1907). Stern zog 1900 von Züntersbach nach Bad Brückenau. (Alle Fotos dieser Seite stammen aus dem Buch „Nachbarn der Vergangenheit“ von Cornelia und Michael Mence.)
Foto: ikrapf | In der Bäckerei von Siegmund Stern (Mitte) in Bad Brückenau wurden im Frühjahr wochenlang Matzen gebacken und in großen Rollen verschickt (Bild von 1907). Stern zog 1900 von Züntersbach nach Bad Brückenau.
Miriam Ehrenreich aus Bad Kissingen (Dritte von links) zog mit ihrem Mann Isy Levy nach London, wo ihre sechs Kinder aufwuchsen. Gern kamen sie alle zu Besuch in die Kurstadt zurück.       -  Miriam Ehrenreich aus Bad Kissingen (Dritte von links) zog mit ihrem Mann Isy Levy nach London, wo ihre sechs Kinder aufwuchsen. Gern kamen sie alle zu Besuch in die Kurstadt zurück.
Foto: ikrapf | Miriam Ehrenreich aus Bad Kissingen (Dritte von links) zog mit ihrem Mann Isy Levy nach London, wo ihre sechs Kinder aufwuchsen. Gern kamen sie alle zu Besuch in die Kurstadt zurück.
Kronprinz Ruprecht kam 1932 auf seinem Weg nach Bad Brückenau auch durch Geroda. Überall auf der Strecke gab's „Weck und Würscht“ gratis für die Bevölkerung. Die zwei Häuser (im Vordergrund) der jüdischen Familien Goldschmidt (Manufaktur) und Strauss (Lebensmittel) waren beflaggt.       -  Kronprinz Ruprecht kam 1932 auf seinem Weg nach Bad Brückenau auch durch Geroda. Überall auf der Strecke gab's „Weck und Würscht“ gratis für die Bevölkerung. Die zwei Häuser (im Vordergrund) der jüdischen Familien Goldschmidt (Manufaktur) und Strauss (Lebensmittel) waren beflaggt.
Foto: ikrapf | Kronprinz Ruprecht kam 1932 auf seinem Weg nach Bad Brückenau auch durch Geroda. Überall auf der Strecke gab's „Weck und Würscht“ gratis für die Bevölkerung.
Klemi und Grete Frei aus Steinach mit ihren Männern. Klemi und ihre Tochter überlebten den Holocaust, versteckt in Essen und Belgien.       -  Klemi und Grete Frei aus Steinach mit ihren Männern. Klemi und ihre Tochter überlebten den Holocaust, versteckt in Essen und Belgien.
Foto: ikrapf | Klemi und Grete Frei aus Steinach mit ihren Männern. Klemi und ihre Tochter überlebten den Holocaust, versteckt in Essen und Belgien.
Max und Pauline Mandelbaum verkauften in Platz Gemischtwaren.       -  Max und Pauline Mandelbaum verkauften in Platz Gemischtwaren.
Foto: ikrapf | Max und Pauline Mandelbaum verkauften in Platz Gemischtwaren.
Samuel Goldner betrieb mit seiner Frau Ida und den Kindern ein Schuhgeschäft am Marktplatz in Zeitlofs (Bild aus dem Jahr 1910).       -  Samuel Goldner betrieb mit seiner Frau Ida und den Kindern ein Schuhgeschäft am Marktplatz in Zeitlofs (Bild aus dem Jahr 1910).
Foto: ikrapf | Samuel Goldner betrieb mit seiner Frau Ida und den Kindern ein Schuhgeschäft am Marktplatz in Zeitlofs (Bild aus dem Jahr 1910).
Meta Stuehler aus Hammelburg kam auf abenteuerliche Weise in den 30-er Jahren nach Shanghai.       -  Meta Stuehler aus Hammelburg kam auf abenteuerliche Weise in den 30-er Jahren nach Shanghai.
Foto: ikrapf | Meta Stuehler aus Hammelburg kam auf abenteuerliche Weise in den 30-er Jahren nach Shanghai.
Die Kinder der alteingesessenen Familie Adler (Viehhandel und Metzgerei) zu Beginn der 20-er Jahre vor ihrem Rhöner Schindelhaus in Dittlofsroda.       -  Die Kinder der alteingesessenen Familie Adler (Viehhandel und Metzgerei) zu Beginn der 20-er Jahre vor ihrem Rhöner Schindelhaus in Dittlofsroda.
Foto: ikrapf | Die Kinder der alteingesessenen Familie Adler (Viehhandel und Metzgerei) zu Beginn der 20-er Jahre vor ihrem Rhöner Schindelhaus in Dittlofsroda.
Adolf Nussbaums Enkelin Grete floh in den 30-er Jahren in die USA.       -  Adolf Nussbaums Enkelin Grete floh in den 30-er Jahren in die USA.
Foto: ikrapf | Adolf Nussbaums Enkelin Grete floh in den 30-er Jahren in die USA.
Kolonialwaren-Geschäft in der Bad Brückenauer Unterhainstraße.       -  Kolonialwaren-Geschäft in der Bad Brückenauer Unterhainstraße.
Foto: ikrapf | Kolonialwaren-Geschäft in der Bad Brückenauer Unterhainstraße.
Aus dem Hammelburger Journal       -  Aus dem Hammelburger Journal
Foto: ikrapf | Aus dem Hammelburger Journal
Hammelburger Journal von 1895       -  Hammelburger Journal von 1895
Foto: ikrapf | Hammelburger Journal von 1895
 
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