(si) „Ein jüdischer Friedhof ist für die Ewigkeit“, erklärte Izchak Nadel, als er bei sonnigem Herbstwetter zahlreiche interessierte Mitglieder und Gäste des Bad Kissinger Frauenrings über den jüdischen Friedhof an der Bergmannstraße führte. Da man im Judentum an eine Auferstehung glaube, seien alle Gräber Richtung Jerusalem ausgerichtet.
„Alte Friedhöfe erzählen manchmal interessante Geschichten“ – mit diesem Titel hatte der Frauenring die Veranstaltung im Programm angekündigt und Izchak Nadel hatte viel zu erzählen über die jüdischen Traditionen bei Tod und Begräbnis.
Obwohl die jüdische Gemeinde schon seit fast 800 Jahren in Bad Kissingen existierte, wurde erst im Jahre 1801 ein eigener Friedhof angelegt. Vorher setzte man die Verstorbenen vermutlich auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen bei Hammelburg bei, so Nadel. Meist könne man jüdische Friedhöfe in kleineren Orten antreffen.
Offiziell wurden auf dem jüdischen Friedhof in Bad Kissingen bis zum Jahre 1944 Beerdigungen durchgeführt, später fanden nur noch vier Verstorbene hier ihr letzte Ruhestätte. Einer davon war 1989 Josef Weissler, der sich in der Nachkriegszeit große Verdienste um die jüdische Gemeinde in Bad Kissingen erworben hatte.
Von der Bergmannstraße aus kann man nicht in den jüdischen Friedhof hineinsehen, denn er ist ringsum von einer Mauer umgeben. Wenn man durch das eiserne Tor über etliche Treppen zum Friedhof hinaufsteigt, fällt der Blick auf fast 500 Grabstellen, darunter auch einige Kriegsgräber von 1866 mit Gräbern preußischer und bayerischer jüdischer Soldaten.
Etwas weiter bergauf steht das Taharahaus, wo die rituelle Ganzkörperwaschung der Verstorben stattfand und die Gebete für die Toten gesprochen wurden. Izchak Nadel erklärte den Besucherinnen, dass die Verstorbenen nach dieser Waschung in weiße Leinentücher gewickelt und auf einer Trage zum Grab getragen werden. Der Sarg, der meist aus Steinen zusammengesetzt sei, müsse zur Erde hin offen bleiben.
Die Juden glauben, dass alle Toten zum Leben zurückkehren werden, deshalb ist eine Feuerbestattung nicht erlaubt – Urnen können auf einem jüdischen Friedhof nicht beigesetzt werden und jüdische Verstobene können, außer in Sonderfällen, nicht umgebettet werden. Die Gräber etlicher Kurgäste, auch aus dem fernen Russland, bezeugen diese Tradition.
Izchak Nadel erklärte den Besucherinnen auch die jüdische Tradition der Trauerzeit. Sieben Tage lang trauere die engste Familie um den Verstorbenen, man geht nicht zur Arbeit und auch nicht aus dem Hause. Wenn Angehörige das Grab eines Verwandten oder Freundes besuchen, legen sie Steine auf diese letzte Ruhestätte, zum Zeichen, dass sie da waren.