zurück
Diebach
Gewollt und geliebt: Das Leben mit zwei Downsyndrom-Kindern
Sabrina W.s Kinder Melina und Luca haben Trisomie 21. Das ist mit ein Grund, warum sie ihren Laden "Brinas 5 Sinne Lädchen" in Diebach führt. Oft, sagt sie, werde sie mit Vorurteilen konfrontiert.
Mutter aus Diebach hat zwei Downsyndrom-Kinder       -  Luca (20) ist unglaublich stolz auf seine kleine Schwester Melina. Dass sie den selben Gendefekt wie er hat - Trisomie 21 - begeistert ihn: 'Das ist toll, jetzt ist jemand genauso wie ich.'
Foto: Marcella Reichel | Luca (20) ist unglaublich stolz auf seine kleine Schwester Melina. Dass sie den selben Gendefekt wie er hat - Trisomie 21 - begeistert ihn: "Das ist toll, jetzt ist jemand genauso wie ich."
Marcella Reichel
 |  aktualisiert: 20.03.2025 02:39 Uhr

Wenn man die kleine schlummernde Melina in den Armen hält, erkennt man gleich: Sie hat das Down-Syndrom , Trisomie 21 .  Durch einen genetischen Zufall entsteht eine falsche Zellteilung, die Ursache hierfür ist bis heute nicht erforscht.  Sabrina W. und Ihre gesamte Familie sind voller Glück über das kleine Mädchen . Sie traf diese "Laune der Natur " aber gleich zweimal. Mit Melina ist noch ihr großer Sohn Luca vom Down-Syndrom betroffen. Die drei mittleren Kinder sind völlig gesund auf die Welt gekommen.    

Luca arbeitet in den Hammelburger Werkstätten  

Luca ist ein aufgeschlossener, aber auch sehr ruhiger junger Mann. Seine schwarzen längeren Haare fallen ihm frech ins Gesicht. Er arbeitet in den Lebenshilfe-Werkstätten in Hammelburg und hält seine kleine Schwester voller Stolz in die Kamera. Luca versteht die Welt um sich herum. Und auch wieder nicht, denn: Er bemerkt die Ablehnung, die ihm immer wieder begegnet. Aber er weiß nicht warum. Menschen wie Luca leiden nicht unter ihrem Down-Syndrom , sie leiden unter den Vorurteilen.   

Der 20-Jährige möchte genauso Freunde finden, genauso irgendwann mal eine Partnerschaft führen. Sein Handicap ist sein Kurzzeitgedächtnis. Oft kann er sich Kleinigkeiten, wie Müll rausbringen nicht merken und vielleicht muss man es ihn dann nochmal sagen.   

Bruder Luca: "Das ist toll, jetzt ist jemand genauso wie ich.“  

Hört sich doch fast nach einem normalen jungen Mann an. Seine ersten Worte, als er damals von seiner Mutter erfuhr, dass seine Schwester mit dem gleichen Gendefekt geboren werden würde, waren: "Das ist toll, jetzt ist jemand genauso wie ich. Ich kann ihr nun alles beibringen, ich bin ihr Freund.“  

Für Sabrina, ihrem Partner und die anderen drei Kinder stand von Anfang an fest: Wir bekommen dieses Baby und ziehen es mit derselben Liebe groß, wie auch schon Luca.    

Das ist die fünfköpfige 'Bande' von Sabrina W., die Geschwister stehen in 'Brinas 5 Sinne-Lädchen': Luca (20), Leonie (11), Timo (19), Nelly (17) und Melina (5 Monate, von links).
Foto: Marcella Reichel | Das ist die fünfköpfige "Bande" von Sabrina W., die Geschwister stehen in "Brinas 5 Sinne-Lädchen": Luca (20), Leonie (11), Timo (19), Nelly (17) und Melina (5 Monate, von links).

Betroffene Frauen wählen in neun von zehn Fällen eine Abtreibung  

In Deutschland kommt auf etwa 600 bis 700 Geburten eine mit Trisomie 21 . Doch mit den neuen Bluttests und somit der schnellen Antwort, ob der Fötus von diesem Gendefekt betroffen ist, nehmen neun von zehn Frauen das Angebot eines erlaubten Schwangerschaftsabbruches in Anspruch.    

Niemand kann das Downsyndrom verhindern  

In den seltensten Fällen ist es erblich, und vor und während der Schwangerschaft kann man nichts unternehmen, um seine Entstehung zu verhindern. Obwohl das Down-Syndrom nicht heilbar ist, kann man diesen besonderen Kindern auf vielfältige Weise helfen, um ihre individuellen Fähigkeiten zu entwickeln und später ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Das Erlernen von Gehen, Laufen oder Reden dauern nur meist etwas länger.    

Sabrina hat sofort, als sie von dem Ergebnis des Bluttests erfuhr, nach Möglichkeiten gesucht, um in Zukunft weiterhin Ihrer Arbeit und der Versorgung eines kleinen förderungsbedürftigen Babys gerecht zu werden. Bis zur Geburt wusste sie nicht, ob Melina operiert werden muss und falls ja, wie häufig.  

Sabrina: "Aufstehen, Krönchen richten, weiter gehts.“   

Sie hatte bis dahin ihren kleinen "Steinreich" Laden in der Hammelburger Innenstadt geführt, entschied sich aber dann, nach Diebach umzuziehen. Mit ihrem Umzug kam ihr somit auch die Idee des neuen Konzeptes.   

In Diebach bewohnt die siebenköpfige Familie ein großes Haus mit Scheune und Anbau. Der Kuhstall musste weichen. Der Laden entstand dort in Eigenbau, alle Familienmitglieder packten mit an.    

Mutter aus Diebach hat zwei Kinder mit Downsyndrom       -  Luca, Mutter Sabrina, das Baby Melina und Vater Alexander.
Foto: Marcella Reichel | Luca, Mutter Sabrina, das Baby Melina und Vater Alexander.

In Diebach kann sie arbeiten und Mutter sein

Jetzt können die Eltern, vor allem Mutter Sabrina, den Kindern gerecht werden. So kann sie ihrer Arbeit und gleichzeitig die Versorgung der Kinder nachgehen. Sie möchte genauso wie ihr Verlobter, zum Lebensunterhalt beitragen. Der Vater arbeitet als Lkw-Fahrer und ist täglich unterwegs. Und auch die drei mittleren Kinder, gehen zur Schule oder einer Ausbildung nach.   

Bis zur Geburt der kleinen Melina stand noch nicht fest, mit welchen Beeinträchtigungen sie zu kämpfen hätte. Kinder mit Trisomie 21 leiden häufig unter Herz, Augen oder Ohrenproblemen oder haben auch mit Einschränkungen des Verdauungstraktes zu tun.   

Melina wird im Erlebnisgeschäft groß

Bis heute weiß Sabrina auch noch nicht, was und wie viel ihre kleine Tochter hören kann. Was sie um sich herum wahrnehmen könnte, wenn Sie es kann; " Brinas 5 Sinne Lädchen“, wie das frühere "Steinreich" nun heißt, ist jetzt ein Erlebnisgeschäft, welches all unsere 5 Sinne anregt.  

Duft, Klang, das Schmecken, Riechen und das Sehen. Das Angebot reicht von Edelsteinen in allen Formen und Farben, über Düfte, die dem Körper oder der Seele schmeicheln sollen, bis hin zu Tönen, welche man selbst erzeugen kann.   

Kinder sind im Laden sehr willkommen. Sie finden Holzfiguren, Kerzen, Stoffe zum Fühlen oder Kartensets. Durch abgestumpfte Nagelbretter, die auch in der Ergotherapie verwendet werden, können Kids durch gleichzeitiges Sehen und Tasten, wieder eine Verbindung zum Fühlen herstellen.  

Menschliche Sinne im Vordergrund 

Sabrina möchte mit ihrem Konzept, die menschlichen Sinne in den Fokus rücken. Wachrütteln. Nicht nur das Schicksal ihrer beider Kinder hat die Mutter hier mit in das Konzept eingebracht.  

Im Laufe der Jahre, wo sie mit der intensiven Betreuung von Luca beschäftigt war, bekam Sie das Gespür dafür, wie wichtig es ist, seine Sinne zu erhalten.   "Sinne lassen im Leben leider nach“ so Brina  

Und das nicht nur bei eingeschränkteren Kindern und Jugendlichen, mit denen sie durch Luca auch in Berührung kam, sondern auch viele ältere und beeinträchtigte Erwachsene waren darunter. Unweigerlich lassen nun mal die Sinne nach, wie auch die Sehkraft oder das Hören.  

Düfte schaffen Erinnerungen

So hatte sie schon des Öfteren Kunden, die an besonderen Fläschchen rochen, Erinnerungen an die Kindheit hervorzaubern können oder ganz bestimmte Momente wieder hervorrufen können. 

Sabrina möchte den Leuten bewusst machen, sich selbst wieder wahr zu nehmen. Gespür zu entwickeln, für die eigenen Sinne und den Dingen um uns herum.  "In den Altersheimen spürt man die Freude der Älteren Menschen, wenn sie sich wieder spüren können“, beschreibt Sabrina von einigen Erlebnissen, die sie gemacht hat.  Sabrina weiter: "In der Schnelllebigkeit, in der Zeit, in der wir alle mehr und mehr am Smartphone oder Laptop sitzen, verlieren wir das Wichtigste. Den Blick für uns."  

Auch im Alltag stumpfen Sinne ab

Neueste Studien zeigen, Kinder fallen immer weiter in ihrer Sprache und ihrer Motorik zurück. Fürs Essen wird kaum noch Zeit gefunden, weder für die Herstellung noch dem Verzehr. Wo und wie sollen denn unsere Sinne entstehen und trainiert werden?   

Aber man könnte es. Die Sinne trainieren und üben. Dagegenhalten. Fast jeder dritte Kunde hat unsichtbare Einschränkungen. Für jeden Kunden, für viele verschiedene Sinnes-Übungen findet sich etwas im 5 Sinne Lädchen. Viele kommen auch nur zu ihr, um es sich in der gemütlichen Plausch-Ecke gemütlich zu machen und dort etwas in den Fachbüchern zu Edelsteinen oder dem Pendeln zu schmökern. Denn das bietet sie auch an.    

Raum und Ruhe für die Seele   

Entschleunigen, Seele baumeln lassen und Trost und Kraft finden. Brina öffnet, mit vorheriger telefonischer Terminvereinbarung, ihr Lädchen fast jederzeit.  Denn sie möchte nach Jahren, in denen sie “nur” Pflegeperson für Luca war, endlich wieder mehr soziale Kontakte herstellen und pflegen.   

Sie kämpft mit Vorurteilen 

"Ich habe immer noch tagtäglich mit Vorurteilen und Abneigung zu kämpfen“, erklärt sich Brina.  "Es ist keine ansteckende Krankheit, kein Virus.“  Nicht nur wegen Luca, jetzt auch wegen Melina. "Menschen beschimpften mich schon auf der Straße, und forderten, dass ich meine Kinder doch wegsperren solle, vor der Öffentlichkeit.“  Die Ablehnung kann sie nicht verstehen - Trisomie 21 ist keine ansteckende Krankheit.   

Ihr  Herzenswunsch: Ganz offen mit Kindern und Menschen, die sicht- oder unsichtbare Beeinträchtigungen haben, umzugehen. "Ein Kind mit Down-Syndrom ist ein Geschenk, an dem wir manchmal schwer tragen, es aber niemals zurückgeben wollen“.   

In Diebach wird zurzeit viel gebacken, da helfen alle zusammen. Luca und Melina fühlen sich beide wohl im Kreise ihrer Familie. Das ist Luca sichtlich anzumerken. So sagte er kürzlich zu seiner Mutter : "Wir sind was ganz Besonderes und nun zu zweit.“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Diebach
Down-Syndrom
Genetische Erkrankungen
Mädchen
Mütter
Schwestern
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Jutta Nöther
    Ein toller Artikel. Ich kann gut verstehen, dass sie das zweite Baby mit Trisomie 21 genauso angenommen haben wie alle anderen.
    Hätte ich ganz genauso gemacht. Ich habe auch ein Kind mit Gendefekt. Ein weiteres blieb mir verwehrt, aber im Fall einer weiteren Schwangerschaft hätte ich KEINEN Test gemacht und um nichts in der Welt abgetrieben.
    Diese Kinder sind etwas besonderes, und können so viel Liebe geben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten