
Mit dem Fremdgehen beschäftigt sich die Menschheit, seit Adam und Eva das Paradies verlassen mussten. Und zu glauben, dass das in der Kunst jetzt als was Neues angekommen ist, darf ruhig als Trugschluss verbucht werden. Es ist der Standpunkt, von dem sich das Fremde zum Gehen veranlasst sieht.
Objekte der Begierde
Dass in 19 unterfränkischen Museen jetzt „Fremdgänger“ als Objekte ansehenswerter Begierde zu sehen, zu fühlen und zu spüren sind, haben die Museumsleitungen verhandelt, zur Bereicherung ihrer eigenen Sammlungen. Damit möchten sie auch das Publikum „verzaubern“, denn die Magie, die Fremdes anziehen kann, ist der Status Quo jeder Beziehung, ob in der Kunst oder einfach im Leben.
Lesung im Foyer
Anette Späth, die Leiterin des Museums Obere Saline in Bad Kissingen, freute sich, ihren Gästen im Foyer des Museums eine Lesung präsentieren zu können, die im Zusammenhang mit der Leihgabe aus dem Deutschen Fastnachtsmuseum in Kitzingen steht. In einer Vitrine ist ein Moriskentänzer, der „ Zauberer “ zu sehen.
Im Original ist die Figur von Erasmus Grasser um 1480 geschnitzt und gefasst und Teil der ständigen Ausstellung des Münchner Stadtmuseums. Das Deutsche Fastnachtmuseum besitzt Kopien dieser ursprünglich 16 Figuren – zehn sind noch erhalten – und hat den „ Zauberer “ bis zum 5. November 2023 an das Bad Kissinger Museum ausgeliehen.
Allzu Menschliches
Dem Anlass entsprechend waren Dr. Katrin Hesse, die Leiterin des Fastnachtsmuseums und ihr Stellvertreter Hans Driesel zu einer dualen Lesung zum Thema: „Menschliches und allzu Menschliches im Spiegel der Literatur“ eingeladen worden. Es wurden spaßige 60 Vortragsminuten, in denen beide Leser gekonnt die Vorworte des anderen übernahmen, Texte vollendeten, deren Spitzen häufig im eigenen Schmunzeln oder im Lachen des Publikums endeten.

Wo sonst, als in der Narrenliteratur, von der es spätestens seit der Erfindung das Buchdrucks (1450) nicht wenig gab, fanden Dr. Hesse und Driesel entsprechende Beispiele. Es waren Texte des Humanisten Erasmus von Rotterdam (1466-1536) und des Nürnberger Schuhmachers und Poeten Hans Sachs (1494 – 1576), die der Narretei des Fremdgehens, mit zum Teil heftigen Ausdrücken Glanz und Elend verliehen.
Stark geschönt
Im „Narrenschiff“ (1494), dem wohl bekanntesten Band lustvollen Beziehungslebens im späten Mittelalter, wurde der männliche Gesichtspunkt drastisch geschönt in Worte gefasst und mit Holzschnitten von Albrecht Dürer versehen. „Die Tänzer umtanzen die Weiblichkeit“ um am Ende der Frau immer mal wieder den Siegerkranz umzuhängen.
Unterjochte Männer, starke Frauen
Gerade der Nürnberger Hans Sachs hat mit seinen Fastnachtsspielen, seinen Schwänken und Dramen das Bild von unterjochten Männern und starken Frauen besonders herausgebildet, aus denen Dr. Katrin Hesse und Hans Driesel einige Beispiele zitierten.
Moliere (1622 – 1673) beschrieb laut Hans Driesel die Tanzsitten am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. wie folgt: „Und dann kommt noch das Aufwerfen der Damen beim Tanz in Mode, dabei ist wohl der Fallschirm erfunden worden.“
Unsagbares köstlich umschrieben
„Die alte Sprache, die auch Unsagbares immer wieder köstlich umschreibt“, so Hans Driesel ist vor allem das Verdienst von Hans Sachs . In der „Liebesprobe“ des Dichters finden beide Vortragende Beispiele, die die Klischees von Anmache, Betrug, Begierde, Enttäuschung und Zorn deutlich und köstlich beschreiben, übertragbar und natürlich aktuell sowie lebensnah.
Schon vor 500 Jahren
Dr. Katrin Hesse übernimmt dabei natürlich den Frauen (Weiber) Part: „Alle Männer sind notorische Fremdgänger!“ Die gute Laune desselben wird beim Heimkommen mit einem Klapps auf den Po unterstrichen. Dieser unwillkommene Gruß führt zu einer Debatte. Hesse und Driesel führen vor, wie schon vor 500 Jahren aneinander vorbeigeredet wurde: „Da bin ich gar nicht da bemerkbar – Ja, du sprichst sehr deutlich und sehr laut.“
Erich Kästner und William Shakespeare
Selbst bei Erich Kästner (1899 -1974) wurde das Duo fündig, und zwar in „ Hamlets Geist“. Die Story um den betrunkenen Schauspieler Gustav Renner im Theater zu Toggenburg, der in trunkenem Zustand das Publikum zu heftigem Applaus animierte, mit dem Ergebnis, „dass die jetzt endlich das Stück verstanden“, war eine Brücke wieder zurück zu William Shakespeare (1564 – 1616), dessen Beziehungsgeflechte jedoch immer wieder tödlich ausgingen.
Fränkischer Geist
Bleibt noch der „fränkische Geist“, also das, was man so im heimatlichen Dialekt zu Beziehungsdramen, zum Fremdgehen oder erotischen Anspielungen hinterher redet. Dafür musste die Darmstädterin Dr. Hesse den Heimatdichter Sepp Ehrlitzer in Fränkisch zitieren, was mit einem Goodwill-Applaus bedacht wurde. Für Hans Driesel aus Schweinfurt war „die Vertreibung aus dem Paradies“ ins Fränkische übersetzt natürlich einfacher. Aber auch da bleibt alles beim Alten. Eine echte Beziehung.
Die Obere Saline beherbergt auch das einzigartige Bismarckmuseum:
