Sie haben etwa gleich lange in Brüssel und in Münnerstadt gelebt. Ist Brüssel oder Münnerstadt Ihre Heimat?
Christian Mangold : Münnerstadt ist für mich immer noch Heimat. Ich war in Münnerstadt sehr stark verwurzelt, war in der Feuerwehr und in den Sportverbänden. Mein Vater war Grundschullehrer. Er kennt quasi jeden. Mangold ist ein seltener Familienname, aber in Münnerstadt gibt es viele Mangolds .
Wie oft kommen Sie nach Münnerstadt ?
Momentan fahre ich nur einmal im Jahr heim. Meine Eltern sind über den Winter in Spanien und im Sommer unterwegs. In diesem Jahr war wieder Studiengenossenschaftsfest, da war ich auch dabei. Zur Europawahl 2024 würde ich gerne "back to school machen". Dabei besuchen EU-Bedienstete ihre alten Schulen, um über Europa und die Arbeit für die Europäische Union zu reden.
Wie kamen Sie nach Brüssel?
Ich bin bewusst nach Brüssel gegangen. In meinem Studium habe ich ein Erasmus-Jahr in Straßburg gemacht
(Anm. d. Red.: Dort tagt das Parlament auch einmal im Monat)
. Dort habe ich bei einer Abgeordneten aus dem Saarland gejobbt. Da habe ich ihren Kalender organisiert. Das war eine tolle Zeit. Danach habe ich ein Praktikum in Brüssel gemacht. Währenddessen habe ich bei einer deutschen Familie gelebt. Für mich war das fantastisch. Jeden Tag war Besuch da, wir haben uns in allen möglichen Sprachen unterhalten. Ich war danach noch zwei Jahre bei der Abgeordneten . Von Nürnberg aus ging ich immer für zehn Tage nach Straßburg. Aber irgendwann wurde es mit dem Studium zu schwierig.
Wie ging es also weiter?
Ich hatte Diplomkaufmann studiert, zum Ende des Studiums habe ich auf Wirtschaft fokussiert und als Einkaufsleiter bei Lidl angefangen. Ich habe nach einem Jahr gemerkt, dass das nichts für mich ist und es in Brüssel versucht. Da habe ich bei einer Abgeordneten aus Brandenburg als Assistent angefangen. Die waren damals nach der Wiedervereinigung als Beobachter im Europäischen Parlament (EP). Ich habe im September 1997 bei ihr angefangen, und bin bis zur Europawahl 1999 geblieben. Das war taff: Die Menschen in Brandenburg hatten damals keine Ahnung, was das mit der EU alles soll.
Und dann begann Ihre Karriere im Europäischen Parlament ?
Ab 1999 war ich in einer Delegation mit deutschen Abgeordneten , ab 2004 in einer Fraktion. Dann bin ich Beamter geworden und habe im Parlament verschiedene Stationen gehabt. Die längste war beim Generalsekretär des Europäischen Parlamentes. Das ist der Chef der Gesamtverwaltung des EP. Ich war zehn Jahre bei ihm im Kabinett, sieben Jahre Chef von seinem Mitarbeiterstamm. Und ich war Direktor für die Zentralen Dienste, die den Generalsekretär unterstützen. In dem Job ging es vor allem um Management.
Nun sind Sie in einer Generaldirektion - was ist das genau?
Es gibt für das Europaparlament verschiedene Generaldirektionen, die verschiedene Themenschwerpunkte haben, eine Art Verwaltungseinheiten. In einer geht es um die Arbeit für die Ausschüsse, wir haben eine kleine juristische Generaldirektion. Daneben eine zu Kommunikation, Finanzen, IT, Personal...
Sie sind in der Generaldirektion für Kommunikation. Was machen Sie dort?
In der Generaldirektion für Kommunikation gibt es vier Bereiche: Einer kümmert sich um die Journalisten, einer um die Außenbüros, einer um die Besucher. Meiner dreht sich um Kampagnen - im Wesentlichen die direkte Kommunikation mit den Bürgern.
Was macht Ihr Bereich genau?
Mein Bereich Kampagnen hat fünf Abteilungen: Zum einen die Technik für die rund 130 Websites des EP. Da geht es derzeit viel um Barrierefreiheit. Die größte Abteilung ist das Referat Soziale Medien. Wir schauen: Wo findet politische Konversation statt, da müssen wir sein, beispielsweise sind wir auch bei Gaming-Plattformen und vielleicht bald auf Tik-Tok. Zur letzten Wahl haben wir eine Bürgerbewegung gegründet, das wollen wir wieder hochfahren.
Referat drei ist Konzept und Design. Da habe ich Designer, kreative Leute, welche, die Slogans schreiben. Wir machen inzwischen fast alles selbst. Das vierte Referat kümmert sich um Öffentlichkeitsarbeit bei den vielen Nichtregierungsorganisationen: Amnesty international, die europäischen Fischer, Landwirte, Ärzte, Notare. Oder die Europäische Handelskammer. Mit ihnen können wir Europa sichtbar machen.
Das fünfte Referat kümmert sich um die Jugend. Wie haben untersucht, was sie über Politik denken, was über das Parlament, wie ist ihr Medienmix. Wir organisieren auch alle zwei Jahre das größte Event des Parlaments überhaupt in Straßbourg, das European Youth-Event mit rund 10.000 Jugendlichen für ein Wochenende.
Was ist Ihre Aufgabe?
Ich verwalte die Referate und ich treibe die Projekte an. Wenn wir in einem Bereich besser werden wollen, kümmere ich mich darum, dass das auch umgesetzt wird. Ich halte immer den Überblick, wer gerade was genau macht, manage Leute und Geld.
Sie sind viel gewechselt, hatten viele kleine Zwischenstationen. Ist das üblich in dieser Institution?
Wir haben eine Mobilitätspolitik: Wer neu einsteigt, muss nach fünf Jahren den Job wechseln, wer schon drin ist, nach sieben. Man sollte kompatibel mit den Diensten im Parlament sein, kann auch in die Kommission wechseln. Das ist wichtig, um neue Ideen reinzubekommen.
Wie lebt es sich in Brüssel?
Ich bin jetzt 25 Jahre in Brüssel. Da ist das Parlament wie eine große Familie. Brüssel ist mit 1,2 Millionen Einwohnern sehr klein, kleiner als München, aber total international. Wenn Amerikaner nach Europa gehen, gehen sie erstmal nach Brüssel. Hier ist auch der ganze Lobbybereich. die Verbände, Europahauptquartiere von Multinationals, die Nato ... Da geht was ab.
Das Gespräch führten Charlotte Wittnebel-Schmitz und Ellen Mützel. In Teil 2 des Interviews spricht Mangold über die EU , die Arbeit des Parlamentes und wie er und sein Team versuchen, sie den Bürgern näher zu bringen.