Überrascht und natürlich auch ein bisschen stolz ist Julia Osterman (geb. Goss), dass ihre Doktorarbeit mit der Verleihung des Horst-Wiehe-Förderpreises der Gesellschaft für Ökologie eine zusätzliche besondere Würdigung erfahren hat. Die 34-jährige stammt aus Burghausen und ist Naturwissenschaftlerin mit Leib und Seele. Das wird schnell deutlich, wenn sie über ihre Forschungstätigkeit spricht. Geforscht hat sie in ihrer Dissertation darüber, wie sich speziell im Obstanbau Umweltschutz und Landwirtschaft miteinander vereinbaren lassen.
Den Bestäubern und hier vor allem den Bienen galt dabei ihr Augenmerk. Angesteckt mit ihrer Leidenschaft für die Bienen hat Julia Osterman zwischenzeitlich sogar schon ihre drei Töchter, die siebenjährige Lima und die vierjährigen Zwillinge Penelope und Freja. Sie inspizieren mit der Mama eine Nisthilfe für die Schröterich-Mauerbiene, die die Wissenschaftlerin zu Forschungszwecken in den Weihnachtsferien mit nach Burghausen gebracht hat. Beruf und Familie erfolgreich unter einen Hut zu bringen gelinge, wenn der Beruf das Hobby ist und wenn Partner und Großeltern mithelfen, sagt Julia Ostermann. „Wichtig sei zudem, wenn man Chefs und Chefinnen hat, die das unterstützen“, so die Erfahrung der promovierten Naturwissenschaftlerin. Nach dem Studium der Umweltwissenschaften in Freiburg, Hohenheim und Uppsala (Schweden) war Julia Osterman Doktorandin in Halle an der Saale. In ihrer Dissertation habe sie Sozial- und Naturwissenschaften miteinander verbunden. Sie hat Landwirte interviewt und diese Erfahrungen mit naturwissenschaftlichen Methoden erforscht und verglichen.
Ganz praktisch ging es um die Frage, ob der Rapsanbau den Obstbauern ihre Bestäuber, also die Bienen, wegnimmt. Apfelbäume und Raps blühen meist zeitgleich, beide brauchen Bienen als Bestäuber. Das Ergebnis: Honigbienen bevorzugen Raps; er habe mehr Nektar und Zucker als die Apfelblüte.
Wildbienen dagegen bleiben den Obstbaumanlagen treu. „Es lohnt sich also für den Obstbauern, aktiv etwas für die Wildbienen zu tun“, stellt Julia Osterman fest. Ihr ist es wichtig, dass durch ihre Arbeit Landwirtschaft und Naturwissenschaft voneinander lernen und gegenseitig profitieren. Bei den Kirschen hat sich gezeigt, dass diese zur optimalen Bestäubung sowohl die Honig- als auch die Wildbienen benötigen. „Landwirte haben etwas davon, wenn sie in den Artenschutz investieren“, betont die Forscherin.
Studien hätten dazu gezeigt, dass diese Investition dann leichter fällt, wenn sie durch Subventionen unterstützt werde. Sehen könne man das zum Beispiel an den Ländern, in denen es für das Anlegen von Blühstreifen an landwirtschaftlichen Flächen zusätzlich einen finanziellen Anreiz gibt.
Von Bienenfressern und Bienen
Im letzten Jahr hat Julia Osterman an der Universität in Freiburg geforscht. Hier hat sie untersucht, wie der Klimawandel sich auf die Bienen auswirkt, wenn der Bienenfresser nordwärts wandert. Selbst in Skandinavien gibt es die ersten Nachweise, weiß die Naturwissenschaftlerin, die mit Ehemann und den Töchtern mittlerweile in Schweden wohnt.
400 Bienen frisst ein solches Vogelpaar am Tag. Dort, wo der Bienenfresser vorkommt, werden Hummeln weniger, weil die Vögel größere Bienenarten bevorzugen. Es habe sich aber auch gezeigt, dass die kleineren Arten davon profitieren können, da sie weniger Konkurrenz haben. „Es ist einfach interessant, wie komplex die Natur ist“, sagt Julia Osterman.
Ab Januar verlegt die 34-Jährige auch ihre berufliche Karriere nach Schweden. An der Universität in Göteborg will sie der Frage nachgehen, welchen Effekt es hat, dass Kulturpflanzen nicht mehr nur in ihren Ursprungsregionen angebaut werden, sondern überall in der Welt. Die Forscherin interessiert, wie die Pflanzen an den neuen Standorten ihre Bestäuber finden. Sie will untersuchen, wo es Probleme gab und wo nicht, weil andere Arten die Bestäubung übernommen haben.
Dass sie weiterhin den Spagat zwischen Forschung und Familie schafft, ist sie überzeugt. Es sei zwar nicht immer leicht, aber in Schweden sei es normal, dass beide Eltern arbeiten und sich die Erziehung teilen. Auch Julia Ostermans Ehemann ist in der Forschung. Er befasst sich mit dem Klimawandel in der Arktis. Wichtig sei aber auch ein strukturiertes Arbeiten. Und selbst in den Ferien in Burghausen bleibt die Leidenschaft des Ehepaars Osterman für die Forschung, die Bienen und die Natur. 107 Wildbienenarten haben sie im Garten von Julia Ostermans Eltern Brigitte und Anton Goss mit naturschutzrechtlicher Erlaubnis gefangen und gezählt. Sie wollen anhand ihrer Forschung einmal veröffentlichen, dass man selbst im Garten etwas für die Biodiversität tun kann.