Am Ende waren es nur ein paar Zeilen in der Tageszeitung vom 4. Juni 1959: Das Gasthaus "Zum Goldenen Löwen" hat gestern für immer geschlossen und wird in Kürze aus dem Stadtbild verschwinden, um einem modernen Wohn- und Geschäftsbau Platz zu machen." Bereits im Vorjahr waren die Pläne hierfür spruchreif.
Das war es dann für den imposanten Fachwerkbau. Wäre heute so etwas undenkbar, so entsprach ein derartiger Abriss mit anschließendem Neubau damals dem Zeitgeist. Auch in Münnerstadt ist nach dem Krieg mehr historische Bausubstanz vernichtet worden als im Krieg selbst.
Früher, als es noch keine Straßennamen gab, hatte das "Gasthaus zum Goldenen Löwen" die Hausnummer 2. Am Marktplatz unterhalb der Salzgasse hatte man mit der Zählung begonnen. Leonhard Rugel hat sich in seinem Werk " Münnerstadt in Vergangenheit und Gegenwart" aus dem Jahr 1985 auch den früher zahlreichen Gastwirtschaften in Münnerstadt gewidmet. Heimatforscher Josef Willmann hat diese Informationen in seinem Buch " Münnerstadt wie es einst war" aufgearbeitet.
Danach wird das Gasthaus "Zum Goldenen Löwen" 1619 erstmals genannt mit dem Besitzer Michael Bauer , der wahrscheinlich aus Kissingen stammte und 1627 sogar als Stadtrat aufgeführt wird. 1677 wird ein Johann Schuster als Besitzer eines "Weinhäusleins" genannt. 1682 heißt der Wirt Georg Karl Breuner, 1704 wird Rüdiger Reinhard als Wirt vom "Goldenen Löwen" und Stadtrat betitelt. Schon damals gehörte zur Gaststätte das Haus in der Salzgasse mit Zugang zu den rückwärtigen Gebäudeteil. Das ist noch heute so.
Durch Heirat kam Johann Christoph Mahler in die Löwenwirtschaft. Er versah aber auch um 1720 das Amt eines Zentgrafen, war von 1745 bis 1756 Stadtschreiber und Spitalverwalter. Man nimmt an, dass er die Löwen-Figur über dem Portal der Gastwirtschaft anbringen ließ. Diese Löwen-Figur ist bis heute erhalten. Sie hat im Jahr 1961 einen neuen Platz im Hof des neuen Gebäudes gefunden. Mit dem Namen Mahler ist eine der schönsten Geschichten verbunden, die es in Münnerstadt gibt.
Christoph Franz Mahler übernahm das väterliche Erbe samt Poststation, die im "Löwen" untergebracht war. Er und seine Frau hatten fünf Töchter. 1801, in der so genannten französischen Zeit, waren Offiziere im "Löwen" einquartiert, unter ihnen Jean Louis Rambourg. Er verlor sein Herz an die Wirtstochter Johanna Mahler. Seine Liebe hat er in Verse gefasst und in französischer Sprache in eine Scheibe des Gasthauses geritzt.
Die Übersetzung lautet in etwa so: Ich liebte den Lärm der Welt und jetzt suche ich die Einsamkeit. Ich wollte hoch hinaus und jetzt begehre ich nur noch Deine Gegenwart. Ich irrte in der Welt herum und heute bin ich nur noch da zu Hause, wo Du atmest. Alles, was nicht Du bist ist aus meinem Blickfeld verschwunden." Unterschrieben ist der Text mit dem Datum 26. März 1801 und dem Namen Rambourg.
Das Fenster ist erhalten geblieben und kann heute im Henneberg-Museum besichtigt werden, zusammen mit einem weiteren, in das französische Soldaten im Jahr 1806 Nachrichten geritzt hatten.
"Ich erzähle bei Führungen auch immer diese Geschichte", sagt Museumsleiter Nicolas Zenzen. Noch im Jahr 1801 bekam Johanna Mahler ein Kind, ein Jahr später heirateten Jean Louis Rambourg und Johanna Mahler. Der Offizier hängte seinen Rock an den Nagel und wurde Löwen-Wirt. "Bis 1861 blieb das Gasthaus im Besitz der Familie Rambourg", berichtet Nicolas Zenzen.
Er hat sich erst kürzlich mit dem Thema befasst und einen Vortrag über Löwendarstellungen in Münnerstadt beim Treffen des hennerbergisch-fränkischen Geschichtsvereins gehalten. Denn in Münnerstadt gibt es eine ganze Reihe davon. Tiernamen seien sehr häufig für Gaststätten verwendet worden, erzählt er. Das reicht bis heute. In Münnerstadt gab bzw. gibt es einen Löwen, einen Adler, einen Greifen und einen Bären als Gaststätten.
Der Münnerstädter Nachtwächter Rainer Kirch hat den "Goldenen Löwen" auch als Anlaufpunkt seiner nächtlichen Führungen gewählt. Er erzählt ebenfalls die bekannte Liebesgeschichte. 1861 mit dem Weggang der Rambourgs verlor der "Goldene Löwe" die Poststelle, die dann an den Fränkischen Hof ging, der den Beinamen "Post" bekam. Dass das Haus 1959 abgerissen werden konnte, ist für Rainer Kirch aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar. "Der Stadtrat war belämmert und der Denkmalschutz war offensichtlich nicht so unumgehbar wie heute", sagt er. Rainer Kirch kann sich noch an das alte Haus erinnern. "Aber da war ich ein Kind, drin war ich nie."
Aber es gibt auch positive Beispiele. Schräg gegenüber dem heutigen Neubau steht der Bayerische Hof, dessen Abriss der Stadtrat ein paar Jahre später ebenfalls schon beschlossen hatte. "Es gehört zu den großen Verdiensten von Bürgermeister Ferdinand Betzer, dass er das verhindert hat", lobt Rainer Kirch. Er hat den Beschluss einfach nicht umgesetzt. Sonst wäre der Bayerische Hof womöglich der nächste Teil unserer Serie "Verlorene Schätze" geworden.