Bis zum Abitur lebte Rudolf Gehrig im 500-Seelen-Dorf Seubrigshausen . Heute berichtet der 30-Jährige als Journalist und Produzent der katholischen Nachrichtensender EWTN und CNA (Deutsch) für das deutschsprachige Europa aus Rom und den Hotspots der katholischen Welt. Ende Januar erlebte er mit seinem Team den tödlichen IS-Terroranschlag in Istanbul und besuchte kurz vor dem Jahrestag (6. Februar) das noch immer völlig zerstörte türkische Erdbebengebiet an der Grenze zu Syrien.
Berichterstatter am Anschlagsort
Eigentlich sollte es für das EWTN-Team ein Routine-Einsatz über die Situation der Christen in der Türkei werden. Doch dann kam alles anders: Nach Aufnahmen während des Sonntaggottesdienstes (28. Januar) in der katholischen Kathedrale von Istanbul war ein Interview mit Bischof Massimiliano Palinuro geplant.
Doch inzwischen hatte Gehrig die Meldung bekommen, dass wenige Minuten zuvor in der katholischen Kirche Santa Maria im nahen Ortsteil Sariyer ein Mann erschossen worden sei. Erst später stellte sich heraus, dass zwei IS-Attentäter aus Tadschikistan und Russland in der kleinen Kirche einen 52-Jährigen getötet hatten. Sie waren angeblich dem Aufruf der Terrororganisation gefolgt, in aller Welt Christen und Juden zu töten.
Als Gehrig und sein Team vom Anschlag erfuhren, während beide Täter noch auf der Flucht waren, „musste ich schlucken: In der Kathedrale waren viel mehr Gläubige und sogar ein Bischof , also eigentlich ein besseres Ziel für die Attentäter.“ Doch als professioneller Journalist unterdrückte Gehrig diese Gedanken und fuhr mit den Kollegen zum Tatort, „von dem alle anderen wegrannten“, und berichtete von dort in die Welt.
Dann bekam er das Video von der Überwachungskamera der Kirche zu sehen, auf dem der Mord zu beobachten war. „In mir zog sich alles zusammen.“ Während seiner Meldungen an die Partneragenturen ging immer mal wieder seine Hand zum Rosenkranz in der Hosentasche: „Ich betete in diesen kurzen Momenten ganz unbewusst.“
Im Erdbebengebiet
Am nächsten Tag flog das EWTN-Team für drei Tage ins Erdbebengebiet an die Grenze nach Syrien, wo vor genau einem Jahr bei zwei starken Erdbeben etwa 60.000 Menschen zu Tode kamen, 300 000 Gebäude völlig zerstört oder stark beschädigt und in manchen Orten ganze Stadtteile ausradiert worden waren.
Nicht als Reporter, sondern als Produzent, war Gehrig für die Auswahl der Drehorte, Interviewpartner und für die Terminplanung verantwortlich. „Zwar waren inzwischen Straßen freigeräumt und auch schon viel Schutt weggebracht worden. Aber vieles sieht tatsächlich noch so aus, als ob es erst gestern passiert wäre“, schildert Gehrig die aktuelle Situation.
Manche Menschen seien wütend auf die Regierung, die zu spät oder zu umständlich gehandelt habe. So klagten einige Helfer, dass die türkische Regierung zunächst Hilfsgüter aus dem Ausland abgelehnt hatte – unter anderem auch deshalb, weil beispielsweise das Logo einer Biermarke zu sehen war, was bei Muslimen für Proteste gesorgt hatte. „Es geht schleppend, sehr schleppend voran“, hat Gehrig von Erdbebenopfern erfahren, auch wenn diese vor der Kamera nicht viel dazu sagen wollten.
„Aber man sieht auch, wie gerade die, die es am härtesten getroffen hat, zusammenhalten und einander helfen.“ Neben tragischen Einzelschicksalen, von denen Gehrig in seinen Gesprächen erfuhr, entdeckte er auch positive Zeichen: So hatten in Antakya (Antiochia) „unverbesserliche Optimisten“ bunte Sonnenblumen auf Trümmer des zu 80 Prozent zerstörten Stadtkerns gesprüht.
Fliegen mit dem Papst
Auslandseinsätze wie dieser in der Türkei sind im Berufsleben des gebürtigen „Serwichhäusers“ nicht ungewöhnlich. Gehrig spricht Italienisch mit hartem fränkischen Akzent und sich erinnert sich immer gern an „Döner Vulkan“ und die „Metzgerei Glausauer in Mürscht“. Zu den bisherigen Höhepunkten gehören Einsätze als Reporter bei den Weltjugendtagen in Krakau (2016) und Panama (2019).
Sein aufregendster Einsatz war sein erster Flug im „Papstflieger“ nach Kasachstan im September 2022: „Man sitzt im selben Flieger, der Papst geht während des Fluges durch die Reihen, schüttelt einem die Hand“, schildert Gehrig diesen für ihn so persönlichen Moment. Auf dem Rückflug durfte er in der Pressekonferenz sogar stellvertretend für die Gruppe aller deutschsprachigen Journalisten zwei Fragen auf Italienisch stellen, „die ich aufgeregt mit zitternden Händen vom Handy abgelesen habe“.
Der Papst habe ihm während seiner langen Antwort sehr freundlich in die Augen gesehen. „Ich habe nichts verstanden, immer nur genickt und gelächelt.“ Erst nach der Landung in Rom konnte er die Antworten im Internet lesen.
„Irgendwann zurück nach Deutschland“
Welche Pläne für seine berufliche Zukunft hat ein 30-jähriger Journalist aus Seubrigshausen – seit dem Jahr 2020 verheiratet, inzwischen Vater einer Tochter –, der seit zwei Jahren in Rom lebt, schon mit dem Papst geflogen ist und durch viele Auslandseinsätze mehr erlebt hat als die meisten Gleichaltrigen?
„Momentan plane ich wie ein Fußballtrainer von Saison zu Saison.“ Gehrig kann sich durchaus vorstellen, für immer beim Sender EWTN zu bleiben. Aber in einem Punkt ist er sich doch sicher: „Irgendwann geht es zurück nach Deutschland“ – zwar nicht nach Seubrigshausen , aber vielleicht zum EWTN Deutschland nach Köln, wo er im Oktober 2013 – nach seinem Abitur am Münnerstädter Schönborn-Gymnasium (2012) und einem Orientierungsjahr in einer schwäbischen Pfarrei – sein Berufsleben als Journalist und Produzent begann.