Ja, in der Geschichte von Jazzinger ist tatsächlich auch schon gesungen worden. Das war laut Bandmitglied Tilman Müller aber eine große Ausnahme. Beim Kunstprojekt „else!³“ brachte die Jazzformation alleine mithilfe ihrer Instrumentenklänge das Publikum zum Schwingen.

Neue Spielarten durch die moderne Technik

Die Technik ermöglicht den Jazzern heutzutage viele interessante Spielarten. Es können über Soundmaschinen Naturgeräusche aufgegriffen und kunstvoll verschoben werden. Partygeräusche werden zum Teil der Musik, Menschengeplauder verwandelt sich im Fluss der Töne und auch ein Husten oder Räuspern kann sich als Wiederholung rhythmisch einordnen.

Diese neu eingespielten Passagen können wiederholt und beiden Musikstücken der Jazzinger live unterlegt werden.

Musikstücke der Jazzinger haben keine Namen

Die Band kommt an diesem Abend ganz ohne Musiktitel aus. Ihre Stücke sind in der Reihenfolge benannt, nach der die Dateien abgespeichert wurden. Zum Beispiel: newfolder 143. Vor Ort werden sie dann noch mit Live-Spiel unterlegt.

Müller an der Trompete, am Flügelhorn und an der Soundmaschine, Nik Jira am Keyboard und Simon Kerschbaumer an der Soundmaschine bringen ihren eigenen Stil in die Stücke mit hinein. Also genau das, was das Einzigartige eines Live-Auftrittes ausmacht: das Überraschende, das Improvisierte. Timo Brühl ist als Gast am Bass und der Gitarre mit dabei.

Auch mit Gast überzeugt die Band

Aber: Wie kann das funktionieren, wenn jemand als Gast in eingespielte Strukturen einsteigt? Ausgezeichnet, wie sich bei Jazzinger hören lässt – mit Improvisationen, die sich aus der festgelegten Grundstimmung entwickeln. Es ist faszinierend, wie die vier Musiker auf der Bühne aufmerksam aufeinander eingehen und ihre Wahrnehmung auf die entstehenden Klangräume richten.

Ambient nennt sich diese Variante der elektronischen Musik, in der sanfte und warme Klänge dominieren. Gegründet wurde sie von Brian Eno in den 1970er Jahren und ist als Live-Ambient für Jazz-Sessions geeignet. Die Jazzinger nutzen diesen Bereich geschickt.

Neuer Sound nach der Pause

Sphärische Klänge lassen Atmosphäre entstehen, ohne esoterisch zu wirken. Langgezogene Bläsertöne streichen die Wirbelsäule entlang, als ob Musik die Zärtlichkeit erforschen möchte. Dazu mischt sich der reale, kühle Abendhauch im warmen Treibhaus. Langsam, fast lasziv entwickelt sich die Musik hin zu dem einzigen betitelten Stück des Abends: Botticelli Baby.

Nach der Pause kommt dann etwas Neues in den Sound, er wird deutlicher, punktgenauer. Von der Klangwiese geht es hin zum treibenden Spiel, das unbekannte Gedankengänge zulässt. Neue Wege, etwas anzuschauen, anzuhören.

So entwickeln sich entlang der Musik innere Bilder: Einige können eilige Schritte in nächtlichen Großstadtszenen hervorrufen oder durch Naturgeräusche entwickeln sich weite, samtene Abendlandschaften im Kopf.

Fantasie der Zuhörer gefragt

All diese individuellen Zustände entstehen in der Fantasie der Anwesenden, wenn die Umstände gut sind. Und das waren sie an diesem Abend: Beifall fügt sich ein in die Kulisse des Konzerts. So wachsen geheime Kostbarkeiten in der unterfränkischen Provinz, in den Treibhäusern von „else!³“, sogar in der Nacht.

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