
„Tatsache ist, dass das Museum nach 100 Jahren immer noch besteht, was dem Engagement von wenigen engagierten Mitbürgern zu verdanken ist!“: Die Zeitschiene, die der Leiter des Hennebergmuseums, Nicolas Zenzen, beim gut besuchten Festakt zum Jubiläum zog, ließ die Entwicklung der Sammlungen im Licht des Zeitgeistes erscheinen. Er vermittelte sehr anschaulich die These, dass das Münnerstädter Museum als Heimatmuseum seine Gründung und auch den Erhalt, beziehungsweise die Wiedereröffnung, dem sogenannten Bildungsbürgertum verdankt. Dieses bildete sich im 19. Jahrhundert stärker heraus und trug den Wunsch nach einer Vergangenheitsbewältigung in sich.
Bürgermeister Michael Kastl betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung dieser regional bedeutenden Einrichtung inmitten der Altstadt. „Es ist bemerkenswert, dass sich Münnerstadt ein solches Museum leistet“, bemerkte Michael Kastl angesichts der Tatsache, dass die Stadt „traditionell“ Geldprobleme hat. „Dr. Nicolas Zenzen macht unter diesen Umständen eine hervorragende Arbeit!“
Dem Grußwort des neuen Bezirkstagspräsidenten Stefan Funk ( CSU ) stellte der Bürgermeister den Wunsch voran, den kulturellen Besonderheiten des alten Münnerstadt die besondere Aufmerksamkeit des Bezirks Unterfranken zu schenken. Der wiederum fühlte sich in Münnerstadt gut angenommen, wenn auch das bezirkseigene Thorax-Zentrum im Mittelpunkt seines Grußwortes stand.
Anna Spor, die Vorsitzende des Fördervereins für das Münnerstädter Museum, hob die derzeitige Initiative des Vereins zur Sicherung und Sanierung des „gegeißelten Christus “ im Deutschordensschloss hervor.
Die Wirkungen des Vereins in den letzten 48 Jahren und vor allem bei der Einrichtung des aktuellen Museums darzustellen war ihr ein Anliegen. Eine gute Nachbarschaft sei das mit dem Deutschordensschloss und der Stadtpfarrkirche St. Maria Magdalena sowie den „Brüdern und Schwestern“ der evangelischen Kirchengemeinde, meinte denn auch Pater Markus Reis in seinem ökumenischen Statement zum Museumsgeburtstag. Hochwertige Kulturgüter würden in den Häusern von Kirche und Stadt präsentiert und man helfe sich auch mal mit Beherbergungen bei Sanierungen aus.
Museumsgeschichte in drei Abschnitten
Laut Nicolas Zenzen lässt sich die Geschichte grob in drei Abschnitten ablesen. Zur Gründung mit der Eröffnung am 14. Oktober 1923 kam es durch den Einsatz von Franz Friedrich Leitschuh, einem gebürtigen Würzburger (1868 bis 1924), der seine Ferien beim Onkel in Münnerstadt verbrachte, dabei die Stadt lieben lernte, einen Freund im Geiste in der Person des Kaufmanns August Neumann fand und zusammen mit dem Buchbinder Georg Eisner das Sammeln initiierte. Die Stadt stellte einen Raum im ersten Stock des Rathauses zur Verfügung. Drei Jahre später waren es schon zwei Einheiten. Leitschuh konnte die Entwicklung „seines“ Museums nicht mehr erleben, starb er doch wenige Wochen nach der Eröffnung.
August Neumann (1875 bis 1956) blieb es vorbehalten, das gemeinsame Werk der ständigen Sammlung wertvoller Heimatgüter über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus weiterzuführen. 1935 fand das „Ortsmuseum“ einen größeren Raum im Erdgeschoss des Rathauses, wo das Museum bis 1969 blieb. Die Betreuung nach dem Tod von August Neumann durch die Stadtverwaltung war kaum darstellbar. Erst als der Sohn des Museumsmitgründers, Alfred Neumann (1902 bis 1980), das Engagement seines Vaters fortführte, vor allem in der Funktion des Zweiten Bürgermeisters und Kulturreferenten, kam Bewegung in das Ortsmuseum.
Umzug ins Deutschordensschloss
1962 regte Neumann an, das kurz vorher erworbene Deutschordensschloss zum Hort des neuen Ortsmuseums zu machen. Es dauerte jedoch bis 1969, als sich ein junger Gymnasiallehrer mit Namen Peter Genth bereiterklärte, bei der Einrichtung der neuen, jetzt „Stadtmuseum“ genannten Räume zu helfen. Ganz schnell war er dann auch ehrenamtlicher Leiter der Einrichtung geworden und brachte einen damals ungeahnten Schub in die Museumsgeschichte der Stadt. Nicolas Zenzen betrachtet diese Zeit der neueren Museumsentwicklung als eine ganz entscheidende, weil bis heute prägende. Von 1970 bis 1986 wurde der Platzbedarf von zwei auf über 30 Raumeinheiten angepasst. Die Sammlung wuchs von etwa 500 Teilen auf circa 15.000 Objekte. Das bedurfte neuer Überlegungen. Während Genth in seinen Ensembles auf eine möglichst dichte und umfangreiche Zurschaustellung der Objekte Wert legte, musste man sich angesichts des starken Sammelaufkommens auch mit Depots beschäftigen. Heute sind auch in Münnerstadt die Sammelstücke überwiegend im Lager und werden in Sonderausstellungen präsentiert. Das ist auch die Folge des letzten Abschnittes der Münnerstädter Museumsgeschichte . Peter Genth starb plötzlich Ende Februar 1991, er wäre in diesen Tagen 87 Jahre alt geworden. Das Hennebergmuseum – so heißt es seit 1980 – musste anders verteilt werden.
Neue Nutzung im sanierten Schloss
Organisatorisch wurde die Leitung mit Karoline Knoth, später Kai-Uwe Tapken und Katja Schenkenberger sowie Björn Hein hauptamtlich besetzt. Der Komplex des ehemaligen Sitzes der Deutschherrnritter sollte in den Neunzigern saniert werden, was nach vielen Debatten im Stadtrat erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts umgesetzt wurde. 2005 konnte das sanierte Schloss mit der neuen Nutzung als Museum und Kulturzentrum der Stadt aktiviert werden. Der Verein der Museumsfreunde Münnerstadt übernahm zwischen 2005 und 2009 mit städtischer und fachlicher Unterstützung die Aufgabe, das Hennebergmuseum neu zu konzipieren und es in seinem heutigen Erscheinungsbild zu präsentieren.
Festvortrag von Stefan Kley
Der Festvortrag von Stefan Kley besieht sich auf den Museumsgedanken im Wandel der Zeiten.
„Brauchen wir in Bayern 1.300 Museen?“ Natürlich hat der stellvertretende Leiter der Landesstelle für nichtstaatliche Museen eine klare Antwort parat. Warum wollen die Menschen einen identitätsstiftenden Ort in ihrer Gemeinde, an dem ständig Geschichte und Gegenwart aufeinanderstoßen? Reicht das Heute nicht schon aus, um sich die Ängste der Zukunft vorstellen zu können? Kley zerlegt den Mythos Museum in die Einzelteile unterscheidet zwischen materiellem und immateriellem Erbe , das es zu bewahren gilt. Die Objekte stehen dabei im Mittelpunkt.
„Medium der Geschichtsschreibung“
„Das Museum ist ein Medium der Geschichtsschreibung “. Es macht aus gegenständlichen Dingen eine Geschichte. Und ist keine Geschichte zu einem Objekt vorhanden, gehört es nicht ins Museum. Eine Textbegleitung sollte immer vorhanden sein, ebenso Fotografien oder Grafiken. „Lokale regionale Geschichte ist die Voraussetzung für das Verständnis der eigenen Geschichte!“, referiert Kley und bezieht natürlich auch das Münnerstädter Museum ein. „Wir brauchen auch Geräusche, Musik oder Laute aus dem Alltag. Audio-visuelle Medien sollen heute Standard sein.“
Die Ausstellung als komplexe Dramaturgie mit einer allumfassenden Geschichte zu präsentieren, sollte Ziel jeder Museumsarbeit sein. Das ist mehr, als ein Buch zu lesen oder nur den Gegenstand zu betrachten. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem Museen auf ihre Bedeutung hinweisen können.
Sammeln, aufbewahren, ausstellen, ja selbst reparieren, sollte nach möglichst einheitlichen und nachvollziehbaren Bedingungen erfolgen. Die Museumsbesucherinnen und -besucher sollen das Vermitteln von Werten spüren können und mit Lernerfolgen eine Ausstellung verlassen, so Kley. Natürlich gibt es auch andere Formen der Vermittlung, die Führung zum Beispiel. Das Münnerstädter Museum hat diese Praxis nach 1970 über 25 Jahre durchgehalten.
„Ein Gegenstand kann ein multisensorisches Erlebnis werden, wenn die Ausstellungsmacher eine entsprechende Bühne bieten. Auf dieser kann das Objekt eine eigene Geschichte erzählen.“ Kley spart nicht mit Details, wie derzeitig Ausstellungen in Museen konzipiert werden. Er lässt jedoch manche Besucherin und einige Besucher etwas ratlos in der Fülle der Argumente zurück. Es gehört zu den Wahrheiten einer umfassenden Museumsarbeit, dass die Besuchenden nicht einer Überforderung unterliegen, weil es die Macher besonders gut mit der totalen Information meinen.
Gut geführtes Depot fürs Museum
„Die Gegenstände in einer Ausstellung sind Reste eines historischen Prozesses. Diese Authentizität ist ein Teil ihrer Aura“. Es reicht dabei oft ein Gegenstand, um einen Zustand zu beschreiben oder die Wirkung zu erklären. „Das Getreidemaß hier im Hennebergmuseum beschreibt die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt im Mittelalter“, so der Referent.
Er veranschaulicht die hohe Güte eines gut geführten Depots für ein Museum, das nur circa zehn Prozent seiner Objekte dauerhaft zeigt. Kley findet Bewunderung für die Gründerväter, die in einer Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, wo Museumsgründungen kaum vorkamen, die Kraft und Menschen gefunden haben, den Museumsgedanken in die Tat umzusetzen. Dafür, dass das bis heute nach 100 Jahren möglich war, ist diesen Mitbürgern von ganzem Herzen zu danken. Wir brauchen immer solche Orte. In Bayern und anderswo.