Im Thoraxzentrum des Bezirks Unterfranken auf dem Michelsberg hoch über Münnerstadt werden auch während der "zweiten Welle" der Corona-Pandemie Frauen und Männer behandelt, die sich mit dem Virus angesteckt haben. Unsere Zeitung sprach darüber mit Dr. Bernd Seese, dem ärztlichen Direktor der Klinik und Chefarzt der Pneumologie .
Herr Dr. Seese, die befürchtete "zweite Welle" der Corona-Pandemie ist da, die Zahl der Corona-Erkrankungen nimmt bundesweit überall immer mehr zu. Der Landkreis Bad Kissingen hat zwar die wenigsten Neuerkrankungen im ganzen Freistaat, doch auch hier ist die Zahl in den letzten Tagen sprunghaft angestiegen. Woran liegt das, rechnen Sie mit einem weiteren Anstieg?
Bernd Seese: Bei Betrachtung der letzten eineinhalb Wochen zeigt sich, dass sich die Zahl der Patienten in den Intensivstationen im Bereich Würzburg/Schweinfurt/Rhön-Grabfeld deutlich erhöht hat. Sie stieg von zehn auf 28 an. Auch in den Normalstationen ist die Zahl der Corona-Patienten deutlich angestiegen. In Schweinfurt gibt es eine Dynamik nach oben, die Entwicklung im Bereich Bad Kissingen ist jedoch zurückhaltend. Je größer die Stadt, desto mehr Ansteckungen gibt es. Auch die Altersstruktur spielt eine Rolle. Die Älteren halten sich strikter an die Auflagen, mit denen Neuinfektionen verhindert werden sollen. Sie haben weniger soziale Kontakte nach außen, gehen weniger zur Arbeit.
Wie stark ist die Zahl der Corona-Patienten, die so schwer erkrankt sind, dass sie im Thorax-Zentrum behandelt werden müssen, in letzter Zeit wieder angestiegen? Haben Sie erneut Patienten , die beatmet werden müssen, wie viele sind das etwa? Hat sich die Struktur der Patienten geändert?
Wir haben zurzeit zwei Corona-Intensiv-Patienten im Haus, von denen einer beatmet werden muss. Wir haben als Patienten auch eine relativ große Zahl von Pflegekräften , die sich vor zwei bis vier Monaten bei der Arbeit mit Corona-Patienten angesteckt hatten und noch nicht wieder ganz gesund sind. Viele leiden an Belastungs-Luftnot, sind schlapp, sind "einfach nicht mehr die Alten". Sie wollen wieder arbeiten und machen deshalb im Rahmen einer Reha bei uns ein entsprechendes Trainingsprogramm.
Konnten Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der "ersten Corona-Welle" wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln, die jetzt bei der "zweiten Welle" zum Tragen kommen?
Wir haben das Hygienemanagement weiter verbessert. In der ersten Welle hatten wir Materialengpässe. Deshalb haben wir die Vorratshaltung und die Beschaffung verbessert. Wir haben bei den Beatmungsgeräten nachgerüstet. Geräte kann man schnell bauen. Personal jedoch kann man nicht so schnell zur Verfügung stellen. Die Politik muss unbedingt den Pflegesektor massiv ausbauen. Das Personal ist der große Engpass. Genug Personal haben wir nie. Wir suchen Pflegekräfte sowohl für den Intensiv- als auch für den Normalbereich. Die Arbeit ist hier absolut krisensicher und wird inzwischen auch gut bezahlt. Deshalb wundere ich mich, dass nicht mehr junge Leute hier einsteigen wollen.
Wie sollte sich die Bevölkerung verhalten, um eine Infektion mit dem Corona-Virus und damit eine weitere Ausbreitung möglichst zu vermeiden?
Alle sollten die inzwischen bekannten Regeln einhalten: Masken tragen, genügend Abstand halten, Menschenansammlungen meiden, Hände waschen und desinfizieren. Das scheint inzwischen etwas zu wirken. Die Zahl der neu Infizierten stieg zwar von 16.000 auf 20.000 pro Tag, aber inzwischen gibt es offenbar eine gewisse Stagnation.
Das Gespräch führte Dieter Britz . Zahlen und Daten
Fachgebiete:
Das Thoraxzentrum auf dem Michelsberg ist eine Einrichtung des Bezirks Unterfranken. Folgende Fachgebiete sind vertreten: Pneumologie einschließlich Onkologie und Tuberkulose, Thoraxchirurgie , Anästhesiologie, Allergologie, Somnologie ( Schlaflabor ), Lungenfunktionsdiagnostik, Radiologie, Atemphysiotherapie, Anschlussheilbehandlung nach thoraxchirurgischen Operationen und schweren Lungenerkrankungen.
Mitarbeiter: Insgesamt etwa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgen pro Jahr etwa 3300 Patienten aus ganz Unterfranken und auch darüber hinaus.