
Kürzlich erhielt Zeitlofs' Bürgermeister Matthias Hauke spezielle Post. Einen Brief, auf den er gern verzichtet hätte. Weil er beleidigend, unappetitlich, angsteinflößend war. Der anonyme Schreiber droht gar mit Mord. Doch anstatt das Gekritzel einfach zu entsorgen und den Vorfall zu verdrängen, wählt Hauke eine anderen Weg: Er geht damit in die Öffentlichkeit.
Den Brief, der an ihn persönlich im Zeitlofser Rathaus adressiert war, entdeckte der 39-Jährige gar nicht selbst. Er erhielt ihn zeitverzögert zugestellt. Die Angestellte von der Poststelle öffnete das Kuvert eher zufällig am Donnerstagmittag, einen Tag vor Allerheiligen. Am Montagmorgen zu Dienstbeginn lag der Zettel dann Hauke vor.
Drohungen keine Überraschung
Vulgär geht es handschriftlich darum, dem Bürgermeister gewisse Körperteile abzuschneiden; dann folgt die unverhohlene Drohung: "... und hänge dich am nächsten Baum auf!" Untermalt wird das von einer kindlich wirkenden Zeichnung eines Galgens, an dem ein Strichmännchen baumelt.
Hauke reagierte geschockt, war aufgewühlt, aber nicht etwa überrascht oder eingeschüchtert. Bürgermeister, aber auch Mitarbeiter von Verwaltung und Bauhof seien leider immer häufiger Beschimpfungen und Beleidigungen ausgesetzt, besonders über die sogenannten sozialen Netzwerke, sagt er. Da stumpfe man automatisch etwas ab, auch wenn der Drohbrief jetzt "die höchste Eskalationsstufe" darstelle.
Haukes Zwiespalt: Brief wegwerfen oder öffentlich machen?
"Ich habe eine Stunde überlegt, was ich damit anstellen soll", berichtet er. Sollte er das Ganze als Spinnerei abtun, den Brief wegwerfen und versuchen, ihn möglichst schnell zu vergessen? So wie es wahrscheinlich viele andere Kollegen tun?
Der 39-Jährige entschied anders. Er kam zum Schluss, dass die Öffentlichkeit von diesem und anderen - weniger schweren - Vorfällen erfahren muss, "dass man das nicht unter den Teppich kehren kann.".
Lokale Verwaltungsleute als Prellböcke
Denn Hauke hat den Eindruck, dass die Gesellschaft immer mehr verroht, manche Menschen immer aggressiver werden. Politische Mandatsträger, aber auch Verwaltungsleute vor Ort würden zu Prellböcken für eine gewisse Weltunzufriedenheit, für das Gefühl, dass alles schlechter wird.
Häufig würden Mitarbeiter lokaler Behörden und Verwaltungen für politische Entscheidungen verantwortlich gemacht, die auf anderer Ebene getroffen wurden - die aber vor Ort umgesetzt werden müssen. Als Beispiel nennt Hauke unter anderem die Reform der Grundsteuer und ihre Folgen. "Es ist halt umständlicher und aufwendiger, nach Berlin oder München zu fahren, um seinem Ärger Luft zu machen."
Fehlentwicklung in die Öffentlichkeit bringen
Der Zeitlofser will nun diese Entwicklung stärker in die Öffentlichkeit rücken. "Da muss man sensibilisieren; das darf nicht so weitergehen." Es könne nicht sein, dass Leute in die Verwaltung kämen und ihren Frust abließen.
Wer den Drohbrief an ihn verfasst hat, darüber hat Hauke selbstverständlich nachgedacht und eine Person ins Auge gefasst.
Regelmäßig beschimpfende und beleidigende Mails
Persönlich kennt der Bürgermeister sie nicht; vor längerer Zeit trat sie mal in Kontakt mit der Verwaltung. Aber: In letzter Zeit schreibt dieser Mensch regelmäßig beschimpfende und beleidigende Mails ans Rathaus, regt sich in deftigen Worten über vergleichsweise nichtige Dinge auf, zum Beispiel, dass der Gemeindebote seiner Meinung nach zu spät ins Internet eingestellt wird. "Abschaum aus der Provinz" lautet eine typische Beschimpfung.
Weil die Anfeindungen so regelmäßig eintreffen, hat der Bürgermeister ihren Urheber vor rund zwei Wochen angezeigt. Kam der Drohbrief als Retourkutsche?
Weiß Verdächtiger schon von Anzeige?
Ein Umstand bringt Hauke ins Grübeln. Die Kriminalpolizei in Schweinfurt informierte ihn kürzlich, dass die Anzeige den Verdächtigen noch nicht erreicht haben kann. Also kann er theoretisch auch nicht mit einem Drohbrief darauf reagieren. Und wie erklärt sich eine anonyme E-Mail vom Montag, in der es heißt: "Hoffentlich treffe ich das Haukele nochmal unter vier Augen."?
Dass er nicht einschätzen kann, wer ihm da gegenübersteht: Das ist, was Matthias Hauke am meisten beunruhigt. "Ist es jemand, der mir nur Angst einjagen will, oder jemand, der Taten folgen lässt?" Dass es keine schlüssige Erklärung für den Drohbrief gibt, verängstigt auch seine Familie. "Die Angelegenheit belastet meine Frau noch mehr als mich selbst."
Nicht der erste Fall von Bedrohung
Vor ziemlich genau vier Jahren war das etwas anders, als der Bürgermeister schon mal bedroht wurde. Da wusste er, mit wem er es zu tun hat und wie er seinen Gegenüber einschätzen muss.
Nach einer unschönen Begegnung der Hunde des zugezogenen Tommy B. und von Haukes Mutter war Ersterer betrunken durch Zeitlofs gezogen. Am Haus des Ortsoberhauptes soll er Sätze wie "Wir kommen noch auf dich zu, du korrupte Sau" geschrien haben. Das gab B. später gegenüber dieser Redaktion zu. Auch machte der damals 35-Jährige Hauke dafür verantwortlich, dass er und seine Mutter eine ihnen zuvor versprochene Wohnung in Zeitlofs nicht bekamen.
Tommy B. hat die Gemeinde längst verlassen. Zunächst zog er in den Bahnhof von Jossa (Main-Kinzig-Kreis), der aber in den Morgenstunden des 5. März 2021 teilweise ausbrannte. Danach verliert sich seine Spur. Seltsam findet Hauke es aber, dass der Drohbrief ihn fast auf den Tag genau vier Jahre nach dem Vorfall mit den Hunden und den nächtlichen Beschimpfungen erreicht. Eine weitere heiße Spur?
Übergriffe auf Amtspersonen keine Einzelfälle
Die Kripo ermittelt. Nächste Woche ist Hauke zur Vernehmung geladen. Ob der Urheber des Briefes je gefunden wird, scheint fraglich.
Der Bürgermeister ist überzeugt, dass die Übergriffe auf ihn und seine Verwaltung keine Einzelfälle sind. Stichpunktartige Anfragen bei Kollegen im Landkreis Bad Kissingen bestätigen diesen Eindruck.
Reifen zerstochen bei Hammelburgs Bürgermeister
So wurden Hammelburgs Stadtchef Armin Warmuth (CSU) vor sechs Jahren innerhalb kurzer Zeit die Reifen an seinem Auto zweimal plattgestochen; das habe die Werkstatt zweifelsfrei festgestellt.
Es waren turbulente Tage; eine Initiative strebte ein Bürgerbegehren an, um kostensparende Umplanungen beim Bürgerhaus am Marktplatz zu erreichen. Die Reifenstechereien lagen zwar zeitlich nahe an einer öffentlichen Infoveranstaltung; die Macher der Bürgerinitiative macht Warmuth aber ausdrücklich nicht dafür verantwortlich.
In den vergangenen Jahren sei es für ihn persönlich "relativ ruhig" gewesen; allerdings hat auch Hammelburgs Bürgermeister festgestellt, dass "der Ton in Emails und im Umgang herausfordernder" geworden ist. Diese Mehr an verbalen Entgleisungen müsse man wohl hinnehmen.
Messerdrohungen in Wildflecken
Wildfleckens Ortschef Gerd Kleinhenz (PWW) charakterisiert den Umgangston auch gegenüber seiner Verwaltung als "frecher, respektloser, fordernder und nur auf den eigenen Vorteil bedacht". Speziell bei den Kolleginnen des Bürgerbüros sei es zu "Szenen" gekommen; sogar "Messerdrohungen" seien ausgestoßen worden.
Polizei handelt erst, wenn Gravierendes passiert
Oft sei es um Angelegenheiten aus dem Passwesen gegangen, um Aufenthaltsbestätigungen. Dinge würden gefordert, die rechtlich nicht umsetzbar seien. "In manchen Fällen haben wir auch die Polizei geholt", berichtet der Bürgermeister. Diese könne aber erst dann tätig werden, wenn wirklich etwas passiere.
Kleinhenz überlegt nun, ob man zumindest an den langen Behörden-Donnerstagen abends die Rathaustür zuschließt und für den Kundenverkehr eine Art Durchreiche einbaut.
Gedanken zum Münnerstädter Übergriff
Matthias Hauke will sein Zeitlofser Rathaus offenhalten - trotz des Drohbriefs. Ein Fall aus Münnerstadt vom Januar 2024 gibt ihm aber doch zu denken. Damals wurde ein städtischer Mitarbeiter von einem psychisch Belasteten beleidigt und ins Gesicht geschlagen. "Was ist, wenn plötzlich bei uns jemand im Zimmer steht? Wir machen ja keine vorherige Waffenkontrolle."
Gehe es mit den Beleidigungen und Beschimpfungen Richtung Verwaltung so weiter, müsse man die Rathäuser wohl doch schließen, glaubt Hauke, zum Schutze der Mitarbeiter.
Irgendwann wird dieser Straftäter überführt