Das Moka Efti Orchestra ist eine 14-köpfige Jazzband , die um Nikko Weidemann, Mario Kamien und Sebastian Borkowski entstanden ist. Die Gruppe entstand für die deutsche Fernsehserie Babylon Berlin im Jahr 2018, für die Weidemann und Kamien einen Teil der Musik komponierten und arrangierten.
Bekannt ist etwa der Titelsong der ersten und zweiten Staffel, „Zu Asche, zu Staub“, den unter anderem Mario Kamien und Nikko Weidemann schrieben.
Das Orchester fand so viel Zuspruch, dass es seit einiger Zeit auf Tour geht. Am 12. Juli wird es beim Kissinger Sommer auftreten.
Nikko Weidemann hat sich Zeit für ein Gespräch mit dieser Redaktion genommen, um den Hintergrund, die Geschichte und die Zukunftspläne von Moka Efti zu erläutern.
Herr Weidemann, was ist das für eine Zeit, aus der das Orchester kommt?
Die Serie spielt in den 20er Jahren. Damals gab es noch keine DJs und keine Musik aus Lautsprechern. Es gab vielleicht ein Grammophon, aber das war nicht besonders laut im Gegensatz zu dem, was wir gewohnt sind. Musik spielte damals aber eine besondere Rolle: Die Arbeitswelt hatte sich industrialisiert, vor allem in einer Stadt wie Berlin war viel Industrie. Um von der Arbeit abzuschalten, brauchte es Musik – und die musste live passieren.
Vor allem in Berlin gab es damals auch viele der sogenannten Vergnügungspaläste, wie es das Moka Efti einer war. Diese Paläste haben sich überboten, hatten Wasserfälle, ein türkisches Bad – etwas ganz besonders war damals beispielsweise auch eine Rolltreppe.
Das heißt, die Musik spielte eine wichtige Rolle in der Serie?
Dass Musik damals so wichtig war, das wollten die Regisseure zeigen. An den verschiedensten Orten gab es Livemusik: hier eine Eckkneipe mit Pianisten, da einen Transvestiten Club mit Band, dort eine Gruppe der Heilsarmee , die singt.
Daher war die Aufgabe für mich und meine Kollegen auch, das Orchester mit echten Musikern zu besetzen, die diese Stücke auch selbst eingespielt haben – keine Komparsen, die nur so tun. Es sollte so live und authentisch wie möglich sein.
Und irgendwie haben sie damit einen Nerv getroffen, oder?
Ja. Das Moka Efti war die Königin der Live-Musik: Es war einfach ein totales Ereignis. Schon beim Dreh wussten wir, wir müssen das weiterführen. Wir haben die Schauspielerin der Sängerin in unserem Orchester überzeugt, mit uns auf der Bühne aufzutreten.
Für das Filmfestival in Cannes wurde außerdem ein Video geschnitten, das Ausschnitte der Serie zeigt und mit unserer Musik unterlegt ist. Als wir merkten, dass das Video total gut läuft, haben wir angefangen, es als Werbung für unsere Musik zu nutzen.
… so ist das Filmorchester in die Wirklichkeit gekommen.
Irgendwas hat die Menschen begeistert: Die Leute hatten das Gefühl, sie laufen in den Film rein, wenn Sie zu uns zum Konzert kommen.
Und wie geht es weiter?
Um künstlerisch zu überleben, muss man sich erneuern. Wir wollen einen Schritt weiter gehen. Wir nehmen zum Beispiel das Instrumentarium des Jazz und machen damit Popmusik. Auch werden wir mit anderen Künstlern zusammenarbeiten, etwa Benno Fürmann oder dem Sänger von Milky Chance. Wir verstehen uns also als modulares Konzept, das immer auch Gäste einlädt.
Worauf kann man sich dann im Juli beim Kissinger Sommer einstellen?
Sicherlich werden wir auch die bekannten Stücke spielen, wir werden auch weiterhin den Bezug zu den Zwanzigern und Jazz als Tanzmusik und Entgrenzung aufrechterhalten. Hier und da wird auch improvisiert: heißt, unsere Musiker werden sich hinstellen und live etwas erfinden. Das hat auch immer etwas Kommunikatives. Ob es nur Sitzplätze gibt, oder vielleicht auch einen Platz zum Tanzen, das ist noch offen. Wir sind anpassungsfähig: Bisher waren wir schon überall: von der Philharmonie bis in einem Zelt auf einem Rockfestival.
Wie sehen Sie auf dieses Jahr und in die Zukunft?
Wir machen in diesem Jahr ein Programm mit Benno Fürmann, da wird es erste Konzerte geben. Allgemein ist es in diesem Jahr von der Anzahl der Konzerte noch gleichbleibend, aber das wird mehr werden.
… und ein neues Album?
Ein neues Album ist noch kein Thema, wir werden eher einzelne Tracks veröffentlichen. Wir haben viele kleine, verschiedene Kooperationen, etwa mit Christian Friedel oder Benno Fürmann, wir wollen auch mal französisch- oder englischsprachige Musik ausprobieren. Wir haben Lust, weiter aus Deutschland herauszuwachsen.
Hatten Sie sich vorher mit Jazz und Swing aus den Zwanzigern auseinandergesetzt? Oder mussten Sie sich da reinarbeiten?
Diese Musikrichtung ist schon immer Bestandteil der Popmusik. Jazz hört man auch bei den Beatles schon durch, vor allem „When I’m Sixty Four“ spielt sehr mit der Stilistik der 20er. Udo Lindenberg hat mit Sonderzug nach Pankow ein Cover von Glenn Miller geschaffen.
Wenn man ein bisschen gräbt, dann merkt man, dass vieles ein Rückgriff in eine ältere, darunterliegende Schicht ist. Vorher hatte ich mich vielleicht bis in die 50er auseinandergesetzt.
Was die 20er Jahre an sich angeht: vom Kameramann bis zu den Musikern oder Schauspielern gab es für uns alle zwei Wochen eine Schulung mit Vorträgen oder Filmen, in der wir etwas über die 20er Jahre gelernt haben.
Und zuletzt: wie kamen das Orchester und der Kissinger Sommer zusammen?
Auf klassischem Weg über die Agentur. Aber: mein Bruder hat mal in Bad Kissingen gewohnt. Leider habe ich ihn nie besucht – aber er wird auch kommen, dann kann er mir die Stadt zeigen.
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Tickets gibt es an folgenden Stellen:
- online ( hier )
- telefonisch unter Tel. 0971/ 8048 444 (Mo. bis Fr.: 8:30 bis 20 Uhr, Sa. und So.: 10 bis 14 Uhr)
- per Mail: Kissingen-ticket@badkissingen.de
- schriftlich an: Stadt Bad Kissingen , Kissinger Sommer , Rathausplatz 1, 97688 Bad Kissingen
- direkt vor Ort an der Tourist-Information im Arkadenbau (Kurgarten) in Bad Kissingen, Mo. bis So.: 9:30 bis17:30 Uhr
- oder an der Abendkasse (öffnet in der Regel eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn)