Bad Kissingen hat einen Bundesliga-Boxer. Und das ist eine feine Premiere in der so langen wie erfolgreichen Geschichte des Faustkampfes, die in der Kurstadt mit dem BC 77 begann und nun als Abteilung des örtlichen TSV fortgesetzt wird. Edgar Feuchter hat das Boxen nicht nur wieder salonfähig gemacht an der Fränkischen Saale, sondern mit Herzblut und Kompetenz für ein bemerkenswert hohes Niveau, aber auch für eine erstaunliche Kaderbreite gesorgt mit knapp 20 aktiven Kämpferinnen und Kämpfern.
Die „Leuchttürme“ sind sicher Kai Friedensohn als der Bayerische Meister von 2021 sowie Mohammad Shadab , der bei der Deutschen Meisterschaft in Rostock nur knapp an der Titelverteidigung vorbeischrammte. Nach einem durchaus umstrittenen Urteil übrigens. Die boxerische Klasse des 25-Jährigen hat, und das ist keine Überraschung, für erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt. Auch tief im Westen, am Nordostrand des Ruhrgebiets: in Hamm. Die Großstadt mit etwa 180.000 Einwohnern ist sportlich ansonsten eher bekannt durch Handball und Eishockey.
Der neue Verein hat viel Tradition
„Ich habe Mohammad bei den letzten beiden nationalen Meisterschaften kämpfen sehen und da auch schon mal mit Edgar Feuchter Kontakt aufgenommen“, sagt Ralf Gerards. Der 59-Jährige ist der Vorsitzende des Märkischen Box Rings (MBR) Hamm, einem ebenso traditionsbewussten wie erfolgreichen Boxvereins mit aktuell 120 Mitgliedern, der im Jahr 2031 sein hundertjähriges Bestehen feiert. Über die NRW-Grenzen hinaus bekannt sind vor allem die elf (!) boxenden Johannpeter-Brüder, die nach dem 2. Weltkrieg auch internationale Erfolge für den MBR feierten. „Man sagte uns, dass man beim MBR etwas zu essen bekäme, und das war für uns auch ein Grund, dorthin zu gehen“, sagte der im Jahr 2020 verstorbene Karl-Heinz Johannpeter, der zweitältestes Sohn der Großfamilie, einmal in einem Interview.
1957 standen vier Johannpeter-Brüder in verschiedenen Gewichtsklassen in Finalkämpfen der Deutschen Meisterschaft. Der dritte der Johannpeter-Brüder hatte Ralf Gerards übrigens bei der Berufsfeuerwehr in Hamm untergebracht, für die der 59-Jährige, selbst ehemaliger Boxer , immer noch arbeitet. Nicht zuletzt dank Sponsoren-Unterstützung war der MBR Hamm in seiner jüngeren Vergangenheit mit Mannschaften in der Oberliga oder auch Bundesliga vertreten. „Im vergangenen Jahr waren wir aufgrund der komplizierten Corona-Situation, obwohl deutscher Vizemeister, nicht in der Bundesliga vertreten. Diesmal sind wir aber wieder am Start“, freut sich Ralf Gerards. Lediglich vier Vereine haben in 2023 für die höchste nationale Liga gemeldet.
Der Bundesliga-Start ist am 11. Februar
Seinen ersten Heimkampf hat der MBR Hamm am 11. Februar gegen den BSK Hannover/Seelze. Komplettiert wird das Viererfeld vom BC Traktor Schwerin und dem BC Chemnitz. Mit Hin- und Rückkampf sind sechs Kampf-Abende garantiert, die beiden besten Vereine ermitteln im Hin- und Rückkampf den Deutschen Meister. Geboxt wird nur noch in sieben Gewichtsklassen, im vergangenen Jahr waren es noch neun. „Ich hätte neun für besser gehalten, aber das ist natürlich auch eine Kostenfrage“, weiß Ralf Gerards, der für den Auftaktkampf auf eine voll besetzte Sporthalle in der Friedensschule hofft.
„In der Oberliga hatten wir schon über 1000 Zuschauer.“ Mohammad Shadab kämpft im Mittelgewicht (bis 75 Kilogramm). „In dieser Gewichtsklasse haben wir in der Region tatsächlich wenige gute Boxer , weshalb NRW-Sportwart Thomas Koch den Kontakt zwischen Mohammad, seinem Trainer und uns vermittelt hat“, sagt Gerards. Die genauen Modalitäten werden in einem sogenannten Liga-Vertrag niedergeschrieben.
Nur noch ein Kampf im Deutschland-Pokal
Durch den Wechsel in die Bundesliga wird Mohammad Shadab im Deutschland-Pokal für den SC Bavaria Landshut nur noch den Nachholkampf in Hamburg bestreiten können, danach endet das Engagement des 25-Jährigen bei den Niederbayern, bei denen sich der Bad Kissinger sehr wohl gefühlt hat. „Aber von so einer Chance habe ich schon lange geträumt. Mein Trainer Edgar hat mir immer Mut zugesprochen, dass das mal klappt. Super, dass das sich dieser Traum nun erfüllt. Nervös bin ich deswegen nicht, ich freue mich einfach riesig auf all das, was mich in der Bundesliga erwartet“, sagt Mohammad Shadab .
Kai Melder, der leitende Verbandstrainer im Bayerischen Amateur-Box-Verband sieht ebenfalls nur Vorteile: „Mit einem Wechsel in die Bundesliga habe ich gerechnet, zumal es über den Deutschland-Cup bereits diverse Vernetzungen gab. Mohammad ist auf einem sehr guten Weg. Jetzt geht es darum, dass er sich auf hohem Niveau weiter entwickeln und im Wettkampf-Modus bleiben kann.“
Zum Auftaktkampf gegen die Niedersachsen wird Edgar Feuchter seinen Schützling begleiten, „weil ich das Umfeld und die verantwortlichen Personen besser kennenlernen will. Und es gilt zu klären, wie das logistisch weitergeht mit Fahrtkosten oder Übernachtung.“ Was den TSV-Trainer nicht minder beschäftigt, ist der Umstand, dass sein Athlet mittlerweile sogar Angebote aus dem Ausland hat, die sich auch mit einer potentiellen Einbürgerung beschäftigen. „Mohammad ist nach seiner Flucht aus Afghanistan jetzt acht Jahre in Deutschland und hat einen verantwortungsvollen Beruf als Altenpfleger. Schade, dass sich in Sachen Einbürgerung immer noch nichts tut“, findet Feuchter.
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