Bad Kissingen
Moderner Totentanz
Einen spannenden Theaterabend erlebten die Zuschauer mit Nick Paynes "Konstellationen" in einer Inszenierung des Renaissancetheaters Berlin im Kurtheater.
Nur ganz selten gibt es Stücke, die der Durchkomponiertheit eines kompakten Musikstückes mit vielstimmigen Themen so nahe kommen, und die diese Komplexität dann auch noch zu einem so überzeugenden Ende führen wie Nick Paynes weltweit gefeierte "Konstellationen". Und beinahe ebenso selten gibt es ein Team für Regie, in dem Fall Antoine Uitdehaag, musikalische Gestaltung, hier besorgt von Het Paleis van Boem und Ausstattung, für die Momme Röhrbein verantwortlich zeichnete, die diese Komplexität kongenial umsetzen und in einen spannenden Theaterabend verwandeln können. Ihre Aufgabe in dieser Inszenierung des Renaissancetheaters Berlin, die beim Theaterring gastierte, war keine geringere als die, für ein in den meisten Fällen wohl kaum fachkundiges Publikum die ebenso faszinierenden wie verstörenden Erkenntnisse der zeitgenössischen Physik und die Hauptthemen der Literatur überhaupt, Liebe und Tod, auf die Theaterbühne zu bringen.
Nick Paynes Idee war es, das Vorhandensein paralleler Universen, von denen die Physik heutzutage ausgeht, anhand der Beziehungsgeschichte oder der Beziehungsgeschichten zweier sehr unterschiedlicher Charaktere, dem Imker Roland und der Quantenphysikerin Marianne, zu zeigen. Und quer zu den parallelen Wiederholungsstrukturen die zutiefst menschliche Geschichte vom Beginn einer Liebe bis zum bevorstehenden Tod. Und auch wenn Payne schreibt, dass der Grund für das Schreiben seines Stückes gewesen sei, ihm Trost nach dem Tod seines Vaters zu geben durch die Vorstellung, dass der in einem Paralleluniversum durchaus noch leben könne, ist dem Zuschauer doch klar, dass Mariannes Tod, den sie in einer Sterbehilfeeinrichtung selbstbestimmt herbeiführen will, ein Endpunkt ist, auch wenn sich das Stück am Schluss über alle Stationen wie Fremdgehen, Trennung, zufälliges Wiedersehen, Heiratsantrag zurückdreht zu der Party, bei der die beiden sich einst getroffen haben. Anhand dieser Stationen zeigt der Autor, wie zufällig und unterschiedlich sie sich jeweils entwickeln können. Die Zuschauer erkannten hier allzu bekannte menschliche Verhaltensweisen, über die sie sich lautstark amüsierten, weil sie in Paarbeziehungen eben so oder ähnlich vorkommen.
Doch Payne versteckt in ihnen auch immer wieder Hinweise auf Mariannes Krankheit, die zunächst als kleine Störfaktoren wenig auffallen, aber zum Schluss übermächtig werden: Sie hat einen Hirntumor, noch höchstens ein Jahr zu leben und will sich gegen diese Unausweichlichkeit dadurch sträuben, dass sie ihr Recht auf Selbstbestimmung in Form von Sterbehilfe auch gegen Rolands Bitten durchzusetzen versucht. Sie will eine Wahl haben, aussteigen aus dem von ihr als Physikerin angezweifelten Schicksal. Während vor allem die Bandbreite von Rolands Handlungsweisen in allen vorher jeweils mehrfach variierten Situationen sehr stark schwankte zwischen Enthusiasmus, gespielter Gleichgültigkeit, Liebeseuphorie oder Zaghaftigkeit und Zurückhaltung, blieben in all ihren Reaktionen immer eine merkwürdige Zurückhaltung und der mehr oder weniger klare Hinweis auf die Begrenztheit ihrer Zeit. Und nach all den teils turbulenten, teils überschäumend glücklichen oder verzweifelt traurigen Szenen ist es sehr anrührend zu sehen, wie die Nähe der beiden, das Einverständnis zwischen ihnen, gerade in den vom Tod überschatteten Schlussszenen, trotz immer noch vorhandener Meinungsverschiedenheiten äußerst liebevoll, fast innig ist.
Für das Publikum gab es auf der weißen Rundfläche mit ebenso weißen Plastikstapelstühlen mit den paar Glühbirnen darüber trotz oder wegen dieser Kargheit ein tief beeindruckendes oder auch beunruhigendes Vexierspiel mit den verschiedensten Möglichkeiten menschlichen Verhaltens, mit dem unterschiedlichen Verlauf der gleichen Textszene aufgrund kleiner Nuancen in Körpersprache, der Interaktion zwischen den beiden, der jeweiligen Reaktion auf den gesprochenen Text. Der blieb in den einzelnen Szenen in seinen Grundkonstanten gleich, doch die sich aus ihm ergebenden Dialoge waren Parallelwelten mit jeweils anderem Verlauf.
Dass dies ein Rollenfutter für erstklassige Schauspieler ist und zur Darstellung solche Ausnahmeschauspieler auch unbedingt erfordert, muss nicht besonders betont werden. Und dass Suzanne von Borsody und Guntbert Warns zwei solche sind, weiß das Theaterringpublikum spätestens seit ihrem Gastspiel mit "Der letzte Vorhang". Aber es war trotz der hohen Erwartungen absolut eindrucksvoll, wie sie sich in der komplizierten Choreographie der raschen Szenenwechsel mit all ihren Variationen, den Beinahe- Endlosschleifen der Texte, dem Wechsel der Emotionen bewegten und immer deutlicher machten, dass es sich bei diesem Stück um einen modernen Totentanz handelt, dessen Wucht hinter den drastischen mittelalterlichen Darstellungen nicht
zurücksteht. In den Schlussszenen herrschte absolute Stille im Zuschauerraum und die Erleichterung war spürbar, als sich das Geschehen wieder herauswand bis zum glücklichen Anfang der Geschichte. Doch das ist das utopische Moment des Stückes, auch Nick Payne konnte sich seinen Vater nicht zurückholen und wir alle müssen mit unserer Conditio humana in unserer Dimension, unserem Universum leben. Das Publikum brauchte ein paar Momente, um sich der Wucht dieses Stückes zu entziehen, dann gab es Bravos und immer wieder rhythmisches Klatschen für die beiden großartigen Darsteller.
Nick Paynes Idee war es, das Vorhandensein paralleler Universen, von denen die Physik heutzutage ausgeht, anhand der Beziehungsgeschichte oder der Beziehungsgeschichten zweier sehr unterschiedlicher Charaktere, dem Imker Roland und der Quantenphysikerin Marianne, zu zeigen. Und quer zu den parallelen Wiederholungsstrukturen die zutiefst menschliche Geschichte vom Beginn einer Liebe bis zum bevorstehenden Tod. Und auch wenn Payne schreibt, dass der Grund für das Schreiben seines Stückes gewesen sei, ihm Trost nach dem Tod seines Vaters zu geben durch die Vorstellung, dass der in einem Paralleluniversum durchaus noch leben könne, ist dem Zuschauer doch klar, dass Mariannes Tod, den sie in einer Sterbehilfeeinrichtung selbstbestimmt herbeiführen will, ein Endpunkt ist, auch wenn sich das Stück am Schluss über alle Stationen wie Fremdgehen, Trennung, zufälliges Wiedersehen, Heiratsantrag zurückdreht zu der Party, bei der die beiden sich einst getroffen haben. Anhand dieser Stationen zeigt der Autor, wie zufällig und unterschiedlich sie sich jeweils entwickeln können. Die Zuschauer erkannten hier allzu bekannte menschliche Verhaltensweisen, über die sie sich lautstark amüsierten, weil sie in Paarbeziehungen eben so oder ähnlich vorkommen.
Doch Payne versteckt in ihnen auch immer wieder Hinweise auf Mariannes Krankheit, die zunächst als kleine Störfaktoren wenig auffallen, aber zum Schluss übermächtig werden: Sie hat einen Hirntumor, noch höchstens ein Jahr zu leben und will sich gegen diese Unausweichlichkeit dadurch sträuben, dass sie ihr Recht auf Selbstbestimmung in Form von Sterbehilfe auch gegen Rolands Bitten durchzusetzen versucht. Sie will eine Wahl haben, aussteigen aus dem von ihr als Physikerin angezweifelten Schicksal. Während vor allem die Bandbreite von Rolands Handlungsweisen in allen vorher jeweils mehrfach variierten Situationen sehr stark schwankte zwischen Enthusiasmus, gespielter Gleichgültigkeit, Liebeseuphorie oder Zaghaftigkeit und Zurückhaltung, blieben in all ihren Reaktionen immer eine merkwürdige Zurückhaltung und der mehr oder weniger klare Hinweis auf die Begrenztheit ihrer Zeit. Und nach all den teils turbulenten, teils überschäumend glücklichen oder verzweifelt traurigen Szenen ist es sehr anrührend zu sehen, wie die Nähe der beiden, das Einverständnis zwischen ihnen, gerade in den vom Tod überschatteten Schlussszenen, trotz immer noch vorhandener Meinungsverschiedenheiten äußerst liebevoll, fast innig ist.
Für das Publikum gab es auf der weißen Rundfläche mit ebenso weißen Plastikstapelstühlen mit den paar Glühbirnen darüber trotz oder wegen dieser Kargheit ein tief beeindruckendes oder auch beunruhigendes Vexierspiel mit den verschiedensten Möglichkeiten menschlichen Verhaltens, mit dem unterschiedlichen Verlauf der gleichen Textszene aufgrund kleiner Nuancen in Körpersprache, der Interaktion zwischen den beiden, der jeweiligen Reaktion auf den gesprochenen Text. Der blieb in den einzelnen Szenen in seinen Grundkonstanten gleich, doch die sich aus ihm ergebenden Dialoge waren Parallelwelten mit jeweils anderem Verlauf.
Dass dies ein Rollenfutter für erstklassige Schauspieler ist und zur Darstellung solche Ausnahmeschauspieler auch unbedingt erfordert, muss nicht besonders betont werden. Und dass Suzanne von Borsody und Guntbert Warns zwei solche sind, weiß das Theaterringpublikum spätestens seit ihrem Gastspiel mit "Der letzte Vorhang". Aber es war trotz der hohen Erwartungen absolut eindrucksvoll, wie sie sich in der komplizierten Choreographie der raschen Szenenwechsel mit all ihren Variationen, den Beinahe- Endlosschleifen der Texte, dem Wechsel der Emotionen bewegten und immer deutlicher machten, dass es sich bei diesem Stück um einen modernen Totentanz handelt, dessen Wucht hinter den drastischen mittelalterlichen Darstellungen nicht
zurücksteht. In den Schlussszenen herrschte absolute Stille im Zuschauerraum und die Erleichterung war spürbar, als sich das Geschehen wieder herauswand bis zum glücklichen Anfang der Geschichte. Doch das ist das utopische Moment des Stückes, auch Nick Payne konnte sich seinen Vater nicht zurückholen und wir alle müssen mit unserer Conditio humana in unserer Dimension, unserem Universum leben. Das Publikum brauchte ein paar Momente, um sich der Wucht dieses Stückes zu entziehen, dann gab es Bravos und immer wieder rhythmisches Klatschen für die beiden großartigen Darsteller.
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