Der dreijährige Simon aus Waldberg ist ein aufgewecktes Bürschchen. Mit seinem vier Jahre alten Bruder Linus tobt er gerne durch den Kindergarten. Dass er an Anaphylaxie leidet, sieht man Simon nicht an. „Anaphylaxie ist eine akute, schwere und lebensbedrohliche, allergische Reaktion“, erklärt Mutter Melanie Kirchner. Das heißt, Simon reagiert sehr stark auf bestimmte Lebensmittel und Inhaltsstoffe. „Extrem stark reagiert Simon auf Kuhmilcheiweiß und Nüsse. Diese können im schlimmsten Fall bei Verzehr tödlich enden.“ Soja und Hühnereiweiß sind für ihn ebenfalls problematisch.
Für den Besuch des Kindergartens bedeutet es, dass eine ganz Reihe an Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden mussten, um für Simons Sicherheit zu sorgen. Da auch Berührungen und Körperkontakt mit den Produkten zu Quaddelbildung, Rötungen, Schwellungen der Haut und Atemnot führen kann, bestehe für Simon bei der gemeinsamen Mahlzeit mit den Spielkameraden immer eine Grundgefahr. Der Kindergarten Waldberg mit Leiterin Nicole Wunder und Kinderpflegerin Ulrike Ziegler hat daher eine umfassende Schulung absolviert, um im Notfall effektiv und schnell helfen zu können. Zudem wurden alle Eltern der Waldberger Kindergartenkinder über die Problematik aufgeklärt und um Mithilfe gebeten. Das bedeutet konkret, dass sie ihren Kindern keine Lebensmittel mitgeben, die Nüsse enthalten, dass auf Joghurts verzichtet und nur eine spezielle Margarine auf den Broten verwendet wird.
„Es liegt uns sehr am Herzen, Simon gut durch seine Kindheit und Kindergartenzeit zu begleiten. Im Kindergarten ist es absolut notwendig, den Alltag so zu gestalten, dass eine allergische Reaktion so gut es geht vermieden werden kann“, sagt Wunder. Dabei konnten Eltern und Kindergartenpersonal auch auf den Trägerverein mit Vorsitzendem Benjamin Bühner bauen. Es wurde eigens eine abgetrennte Essecke eingerichtet, in der die Kinder gemeinsam essen. Simon hat eigenes Geschirr, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Wichtig ist auch die Hygiene; nach dem Essen müssen sich die Kinder Hände und Gesicht waschen.
Leider gab es von übergeordneten Stellen keine Unterstützung für den Kindergarten, bedauerte Bühner. Im Gegenteil: Eher sei gesagt worden, dass der Kindergarten eine solche Aufgabe und Verantwortung nicht schultern könne. Doch das Personal ließ sich schulen und nahm die Herausforderung an. Voraussetzung, dass Simon den Kindergarten besucht, ist allerdings, dass immer zwei Betreuerinnen vor Ort sind. Sollte dies nicht gegeben sein, bleibt Simon zu Hause. Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist hervorragend, betonte die Kindergartenleiterin. „Wir stehen in ständigem Kontakt, und alle vier Wochen gibt es eine Auffrischung und Überprüfung des Notfallplans“, sagt Wunder. Im Kindergarten steht ein Notfallset bereit. Es enthält Cortison-Zäpfchen, Antihistaminikum, Asthmaspray und einen Adrenalin-Pen. Das Kindergartenteam wurde in Würzburg für den Ernstfall geschult.
Wunder findet das Engagement und die Bereitschaft der Eltern vorbildlich, Simon und die Familie Kirchner zu unterstützen. „Selbst die Kinder passen auf und sind aktiv eingebunden“, sagt sie. Durch die Erkrankung wurde das Thema Ernährung im Waldberger Kindergarten zum Jahresthema. Simon selbst weiß, dass er nicht alles essen darf und frage vorher nach.
„Er stopft sich nicht einfach etwas in den Mund“, sagt Melanie Kirchner. Sie und ihr Mann Sebastian sind dankbar, dass das ganze Kindergartenumfeld hilft, Simon einen normalen Alltag zu ermöglichen.
Erstmals trat die Krankheit mit drei Monaten während der Stillzeit auf. Zunächst sei nicht klar gewesen, was zu den großen, offenen Hautstellen und Quaddeln führte. In der Uniklinik in Würzburg wurde dann die Diagnose gestellt. Die Familie hat sich auf die Erfordernisse eingestellt und gelernt, mit der Allergie umzugehen. „Mittlerweile ist es keine Einschränkung mehr, es ist für uns normal“, betonten die Kirchners.
Statt Kuhmilch gibt es Hafermilch, Nüsse im Kuchen werden durch Haferflocken ersetzt, statt Schokoladenglasur gibt es Zuckerguss und statt bunter Smarties bunte Gummibärchen. Im gesamten Ernährungsbereich gilt es, die Allergie zu berücksichtigen. Doch mit Phantasie und Kreativität ist ein normales Familienleben möglich.
Für Informationen zum Thema Anaphylaxie steht das Ambulante Schulungszentrum in Würzburg Tel. (09 31) 78 01 08 50 und im Internet wwww.schulung-wuerzburg.de zur Verfügung.