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Bad Kissingen
An Haaren gezogen: 22-Jährige schlägt mit Bierflasche zu
Die beiden jungen Frauen waren allerbeste Freundinnen. Ein falsches Wort auf einer Geburtstagsfeier ändert alles. Es gibt Streit, Blut fließt und eine wird wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Auch eine Bierflasche kann eine gefährliche Waffe sein.
Foto: thinstock | Auch eine Bierflasche kann eine gefährliche Waffe sein.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 21.03.2025 02:39 Uhr

Mai 2024: Die jüngere der nun Ex-Freundinnen aus dem Landkreis Bad Kissingen feiert ihren Geburtstag im Freien. Familie, Freunde, Bekannte und Nachbarn sind gekommen. Es wird gegrillt, getrunken, getanzt und gelacht. Die Mutter des Geburtstagskinds und die heute 22-jährige Angeklagte gehen gemeinsam zur Toilette.

Ein falsches Wort die Ursache

"Endlich ist meine Tochter groß geworden", sagt die Mittvierzigerin voller Stolz. Die Antwort kommt prompt und trocken: "Breit!" Dieses Wort löst später eine Kette von Ereignissen aus, die schließlich zu dem Prozess vor dem Bad Kissinger Amtsgericht führen.

Zunächst passiert nichts, es wird weiter fröhlich gefeiert und auch ziemlich viel getrunken. Allmählich dämmert es der Mutter allerdings, dass mit der Aussage "Breit" ihre Tochter beleidigt wurde.

Verschiedene Versionen

Die Frau geht zu der kleinen Hütte, in der die 22-Jährige auf einer Bank sitzt und Bier trinkt. Was dann passiert, schildern die Beteiligten und Zeugen im Kern übereinstimmend. Allerdings mit leichten Variationen, die aber ganz wesentlich für die Frage sind, ob die Angeklagte in Notwehr gehandelt hat oder nicht.

Über diese Fakten herrscht Einigkeit: Die Mutter zieht die junge Frau an den langen Haaren. Diese schlägt mit der Bierflasche nach der Frau, trifft aber einen Nachbarn am Kopf, der versucht hat, die Streitenden zu trennen. Anschließend bekommt auch die Mutter einen Schlag mit der Bierflasche an den Kopf.

Platzwunde muss genäht werden

Die Folgen: Die 46-Jährige hat eine etwa dreieinhalb Zentimeter lange Platzwunde über dem rechten Auge, die stark blutet und im Krankenhaus genäht werden muss. Der Mann trägt eine beträchtliche Beule an der Stirn davon, lässt sich aber nicht ärztlich behandeln.

Der Staatsanwalt spricht in der Anklageschrift von gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Ob dies zutrifft, muss im Lauf der Verhandlung geklärt werden. Keine leichte Aufgabe für das Gericht, denn die Aussagen von Betroffenen und Zeugen geben kein klares Bild.

Mit beiden Händen gezogen

Die Angeklagte gibt die Schläge mit der Bierflasche zu, allerdings "hat es sich anders abgespielt". Die Frau habe sie mit beiden Händen an den Haaren gezogen, "was extrem schmerzhaft war". Sie sei von der Bank nach vorn gezogen und so tief heruntergedrückt worden, dass ihr Kopf fast zwischen den Beinen der 46-Jährigen war.

Streitschlichter getroffen

Sie hätte sich gegen diese Attacke wehren wollen und deshalb mit der Flasche in Richtung der Frau zweimal nach oben geschlagen. Der erste Hieb traf allerdings den Mann, der den Streit schlichten wollte. Dies tue ihr leid und sie habe sich noch an diesem Abend bei ihm entschuldigt. Dieser kann sich im Zeugenstand allerdings nicht daran erinnern.

Es ging alles sehr schnell

Immer wieder geht es bei der Vernehmung der Zeugen darum, ob der Kopf der Angeklagten nach vorn oder hinten gedrückt und ob mit ein oder zwei Händen an den Haaren gezogen wurde.

Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Nur eines können alle übereinstimmend bestätigen: Es ging alles sehr schnell. Von den Ausführungen des Ex-Freunds der 22-Jährigen hält das Gericht nicht viel, weil die Richterin eine Gefälligkeitsaussage vermutet.

Gericht nimmt kein Bargeld

Immerhin kann in der Verhandlung eine andere Angelegenheit geklärt werden. Ein Zeuge wollte das gegen ihn erlassene Ordnungsgeld begleichen. Deshalb steckte er die geforderten 150 Euro in einen Briefumschlag und schickte ihn an das Amtsgericht. Die Richterin belehrt ihn, dass Zahlungen nur auf das Konto der Justizkasse geleistet werden können und gibt ihm die 150 Euro Bargeld zurück.

"Angriff war beendet"

In seinem Schlussplädoyer stellt der Staatsanwalt fest, dass der Angriff der Mutter schon beendet gewesen sei, als die Angeklagte mit der Bierflasche zuschlug. Die streitenden Frauen seien durch das Eingreifen des Nachbars schon getrennt gewesen, deshalb könne von Notwehr keine Rede sein.

Für den Schlag gegen den Mann hält er eine Strafe von sechs Monaten für angemessen, für den folgenreicheren Hieb gegen die Mutter setzt er acht Monate an. Die daraus resultierende Gesamtstrafe verkürzt er auf elf Monate, für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem soll die Angeklagte 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

"Klarer Fall von Notwehr"

Der Verteidiger sieht das natürlich ganz anders. "Ich habe noch nie Verfahren erlebt, bei dem eine Notwehrlage so eindeutig war wie in diesem Fall." Seine Mandantin habe mit der Bierflasche zweimal nach oben geschlagen, um sich zu verteidigen. Sie müsse deshalb freigesprochen werden.

Das Urteil

Das wird sie aber nicht. Neun Monate Freiheitsstrafe lautet das Urteil, für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss die 22-Jährige 120 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und die Kosten des Verfahrens tragen.

In der Urteilsbegründung erläutert die Richterin, dass die Bierflasche in diesem Fall als "gefährliches Werkzeug angesehen werden muss". Das Gericht sieht die Voraussetzungen für Notwehr nicht erfüllt, weil das Eingreifen des Mannes die Situation bereits entschärft hatte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, beide Parteien können Rechtsmittel einlegen.

 
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