Anfang September (1. bis 3.) kommt Michael Rummenigge mit seiner Fußballschule nach Hammelburg – und das bereits zum vierten Mal. Mit Tanja Rastetter hat der ehemalige Nationalspieler erstmals eine ehemalige Frauen-Nationalspielerin mit im Trainerteam dabei und freut sich auf den Fußball an der Basis. Im Interview mit dem 59-Jährigen geht es aber auch um die verpasste Meisterschaft von Borussia Dortmund und den Rekord-Transfer von Harry Kane zum FC Bayern München
Herr Rummenigge, Sie sind mit Ihrer Fußballschule nun schon zum vierten Mal in Hammelburg zu Gast. Wie ist eigentlich damals der Kontakt in das Saalestädtchen entstanden?
Michael Rummenigge : Der FC Hammelburg hat sich damals über unsere Homepage bei uns gemeldet. Das war von Anfang an mit den Beteiligten, wie zum Beispiel Birgit Schaupp, ein angenehmes Arbeiten. Deswegen kommen wir immer wieder gerne hierher. Ich mag solche Vereine, das ist die Basis unseres Fußballs. Wir haben jetzt schon über 60 Anmeldungen, es sind aber noch Plätze frei. Anmelden kann man sich direkt beim FC Hammelburg , über unsere Homepage www.fussball-schule.de oder telefonisch beim technischen Leiter, Bernd Vosseler (0172/572 09 77).
Worauf können sich die teilnehmenden Kinder dieses Jahr freuen? Gibt es auch wieder den Soccer-Fun-Park?
Ja, den gibt es wieder. Wir bringen auch unser Schuss-Radar-Messgerät wieder mit. Da können die Kinder ihre Schussstärke messen, auch wenn ich immer sage, dass es wichtiger ist, platziert zu schießen, anstatt nur fest. Als einzige Fußballschule arbeiten wir auch mit Smart Goals. Dort werden kognitive Fähigkeiten und Reaktionsvermögen geschult. Alles natürlich auf spielerische Art und Weise. Die Kinder sind immer in Bewegung und haben Action.
Die Kinder sind aus ihren Vereinen teilweise ein etwas anderes Training gewohnt oder haben auf diesem Niveau noch gar nicht trainiert. Wie kommen die Kinder damit klar?
Ganz hervorragend. Kinder lernen unfassbar schnell und haben in diesem Alter noch großen Respekt vor den Trainern. Wir haben uns auch deshalb auf Breitensport spezialisiert und wollen ganz bewusst alle mitnehmen. Wichtig ist die Bewegung und die Kinder an den Ball heranzuführen.
Werden Sie auch wieder vor Ort sein und welche Trainer kommen denn noch?
Wo Rummenigge draufsteht, ist auch Rummenigge drin. Ich werde an allen drei Tagen vor Ort auf dem Platz stehen. Mit dabei ist auch wieder Bernd Vosseler und mit Tanja Rastetter haben wir eine ehemalige Frauen-Nationalspielerin mit an Bord. Als ehemaliger Jugendtrainer von Borussia Dortmund kommt zudem Peter Wongrowitz, der damals Lars Ricken und David Odonkor trainiert hat.
Sie haben in Ihrer Fußballkolumne die Verpflichtung von Harry Kane gelobt, Trainer Thomas Tuchel aber für seine Ratlosigkeit nach dem verlorenen Supercup kritisiert. Was erwarten und erhoffen Sie sich von der kommenden Bundesliga-Saison?
Die Verpflichtung von Harry Kane ist eine Auszeichnung für die ganze Bundesliga und nicht nur für den FC Bayern München . Wenn man sieht, welche Spieler ins Ausland gewechselt sind, habe ich tatsächlich mitgezittert und gehofft, dass es mit Kane klappt. Er ist für mich ein Stürmer auf dem Niveau von Haaland oder Lewandowski. Man musste ja fast schon befürchten, dass die Bundesliga vom Niveau her wie Belgien oder Griechenland wird. Wir können auf eine interessante Saison hoffen, auch wenn der FC Bayern München wieder Favorit auf den Titel ist. Borussia Dortmund hatte vergangene Saison die Chance dazu, auch wenn das Scheitern wahrlich ein Drama war. Die Jungs hatten gegen Mainz Blei in den Füßen.
Aktuell wird viel über den deutschen Fußball und dessen Qualität diskutiert. Die A-Nationalmannschaft enttäuschte zuletzt häufig und die Frauen sind bei der WM in Australien/Neuseeland in der Vorrunde ausgeschieden. Was läuft Ihrer Meinung nach schief im deutschen Fußball?
Seit 2014 ging es bergab. Wir haben uns auf unseren WM-Titel ausgeruht. Der DFB und Oliver Bierhoff haben sich zu lange gefeiert. Es war damals mit Neuer, Schweinsteiger, Lahm und noch vielen weiteren eine goldene Generation. Hansi Flick muss das jetzt leider ausbaden. Um eine gesunde Elite zu bilden, brauche ich Wettbewerb und kein Funino. In der U17- und U19-Juniorenbundesliga gibt es keine Ab- und Aufsteiger mehr. Die Jungs und Mädchen wollen sich messen und ihre Leistung auch in einer Tabelle sehen. Da kommt mir derzeit zu viel von den Theoretikern, die nie selbst an den Ball getreten haben.
Wo sind denn die Schweinsteigers, Lahms oder Kloses geblieben? Das ganze Land ist übersät mit Nachwuchsleistungszentren oder DFB-Stützpunkten und dennoch schaffen wir es nicht, herausragenden Talente auszubilden. Warum nicht?
Den Spielern wird schon zu früh zu viel abgenommen. Der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt , Markus Krösche, fordert zu einem elementaren Umdenken auf, das sehe ich ähnlich. Meisterschaften im Jugendbereich sind zwar schön, doch viel entscheidender ist es, Spieler in den Herrenbereich zu bekommen. Ich würde den NLZ-Trainern einen Bonus bezahlen, wenn das gelingt. Wer war denn der letzte NLZ-Jugendspieler, der es ins Bayern-Team geschafft hat? David Alaba , und das ist jetzt auch schon ein paar Jahre her. Ohne Hermann Gerland wäre auch Philipp Lahm nie so weit gekommen. Es fehlt häufig an Geduld. Marco Reus war damals Jugendspieler bei Borussia Dortmund , aber scheinbar nicht gut genug. Ein paar Jahre später hat ihn der Verein für viel Geld wieder nach Dortmund geholt. Da läuft grundsätzlich etwas schief.
Sie selbst haben kein Nachwuchsleistungszentrum durchlaufen und erst mit 16 Jahren in der U18-Nationalmannschaft debütiert. Warum war es für Ihre Entwicklung besser, lange in Ihrem Heimatverein Borussia Lippstadt zu spielen?
Es ist immer besser, so lange wie möglich zu Hause zu sein und zu spielen, wenn möglich auf einem guten Niveau. Ich bin ja erst mit 17 Jahren zum FC Bayern München gewechselt und 1982 Fußballprofi geworden. Ich habe daneben noch eine Banklehre gemacht und mein Tag war voll durchgetaktet. Das wäre heute unvorstellbar. In England gab es früher den Beruf Fußballspieler. David Beckham hat Schuhe geputzt oder die Kabine gewischt. Das erzählen sie mal einem jungen Spieler aus der heutigen Generation. Es geht ums Fördern und Fordern.
Was müssen wir in der Ausbildung verändern, um wieder Weltklasse zu werden?
Im Fußball wollen natürlich immer alle stürmen und Tore schießen. Ein Mats Hummels hat als 18-Jähriger noch Stürmer gespielt und ist erst danach zu einem der besten Innenverteidiger der Welt geworden. Wir dürfen den Spielern nicht mehr alles abnehmen. Fußball ist doch ganz einfach. Es geht ums Tore schießen und ums Tore verhindern. Es muss nicht jeder Spieler alles können, wir müssen irgendwann eine spezifische Positionsausbildung forcieren.
Sie haben in unserem letzten Interview 2022 die Nationalmannschaft bei der WM in Katar mit zu den Favoriten erklärt. Müssen wir uns damit anfreunden, nicht mehr um Titel mitspielen zu können?
Ja, das kann passieren. Wir sind zwar als Gastgeber für die EM nächstes Jahr schon qualifiziert, aber mit Euphorie und guter Stimmung alleine kannst du keinen Titel gewinnen. Die Aussage von Rudi Völler hat mir gefallen, dass es eben für einige Spieler nicht mehr für die Nationalmannschaft reicht. Das ist in der Sache richtig. Wir sind definitiv kein Favorit, aber wir haben richtig gute Spieler wie Kai Havertz , Jamal Musiala oder Florian Wirtz . Mit der Jugend alleine wird es aber nicht reichen.
Das Gespräch führte Thomas Sturm