
Wenn ein junger Mensch darüber grübelt, ob er 40 Tiere am Geschrei erkennen kann, sobald er bei „Wetten Dass“ mit dem Bagger drüber fährt (während Stargast Donald Trump auf dem Sofa zuschaut), dann ist das kein Fall für PETA, sondern ein Fall von „Poetry Slam“ in der Disharmonie.
Wortartikulation Schweinfurt
Eine Dichterschlachtschüssel, bei der nicht mal die Porzellanschweinchen zu Schaden kommen, mit denen das Publikum am Ende über den Sieger abstimmt. Mit „Dichter- und Autoren-Wettkampf“ wäre die wilde, sinnliche Suche nach der schönsten Sprachspielerei eher dürftig umschrieben: Tatsache ist, dass sich die zehn Jahre jung gebliebene Slam-Szene in Stadt und Land bestens bewährt hat, dank Sponsoren sowie Gründer und Moderator Manfred Manger vom Verein WAS, der „Wortartikulation Schweinfurt“. Der Saal und der Sachspenden-Kübel mit kleinen Publikumspreisen waren jedenfalls wieder gut gefüllt.
Noch kreativer als sonst
Vielleicht lag es an Schlammschlachten und Populismen anderswo, dass die poetische Slamschlacht noch lebensklüger und kreativer wirkte als sonst. „Es ist bei euch nicht nur Nonsens“, lobte die Nürnbergerin Barbara Gerlach hinterher den „schönen Abend“. DJ Felix Kaden übernahm die Rolle des „Opferlamms“, mit einem Aufwärmgedicht über Träumen und Scheitern, bevor Miguel Fugaz, ein Kissinger katalanischer Abstammung, die Messlatte schon mal sehr hoch legte.
Sein Text drehte sich um „Meister Yodas größte Sorge“, die Furcht als „Schwiegermutter der Gefühle“. Keiner mag sie, die Angst der Prinzessin Amygdala, jener paarig angeordneten Hirnregion, deren Reize den Menschen Bammel bereiten: „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid“. Vor allem in der Politik. Nur würde jemand, der unter panischer Flugangst leidet, deswegen eine Partei namens „Alternative zum Fliegen“ wählen?Es folgte Barbara Gerlach, dichtende Kita-Pädagogin von der Pegnitz. „Manchmal bestehen Kinder zu zwei Dritteln aus Rotz“, ist ihre Erfahrung in der Kinderbetreuung, wo die patschenden, beißenden, sich Salzstangen in die Nase schiebenden Kiddies per Spritzpistole ritalinberuhigt werden.
Nicht perfekt, aber perfekt genug
Bewerbungen schreiben macht Spaß wie schwarze Socken sortieren, wusste Erik Leichter aus Chemnitz. Spätestens beim Lebenslauf erkennt jeder Früh-Desillusionierte die Nichtigkeit des Daseins.
Zeit für die zweite Vorrunde: Der Bremer Sebastian Butte ist lässiger Wiederholungstäter am Main, nun warf er ironische „Bomben aufs Überich“ all Jener, die zu hohe Ansprüche an sich stellen.
„Die OP findet nicht mehr statt“: Ein anrührendes Gedicht zwischen Trauer und Hoffnung hatte Andrea Zeuther, Nürnberg, dabei. Oma und Opa sind vorausgegangen, haben auf dem Friedhof aber ein „Gästebett“ frei für die schwerkranke Tochter. „Ich bin nicht perfekt, aber perfekt genug“, dichtete Maron Fuchs aus Bamberg. Das Leben ist nun mal dreidimensional, manchmal eben mit ein paar Pfunden zuviel.
Für entspannte Gesprächskultur plädierte der Leipziger Jonas Galm, angesichts eines schmerzfreien Dampfplauderers namens „Jens“. Nach der Stimmkartenauszählung gab es bei den Vorrundensiegern einiges zu sortieren. Erik Leichter servierte erotische Fantasien, gefolgt von einer hübschen Pointe. „Hass verbindet geschlechterübergreifend.“ Jonas Galm widersprach dem weisen Gnom Yoda beim Sinnieren übers Verlassenwerden.
Die Welt der Tiere
Finalist Fugaz entdeckte in der Schule die Welt der Tiere: Da sind die Hummeln (können physikalisch gesehen nicht fliegen, tuns trotzdem), die Faultiere (schlafen nur im Zoo wirklich lange) oder die Kolibris, die fast alle Energie bei der Nahrungsaufnahme verfeuern. Am Ende gebührte der Sieg verdient dem buntschillernden Poeten Miguel Fugaz.