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Mehr medizinische Qualität durch Routine
Computer-Ansicht der neuen Krankenhaus-Eingangshalle.
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Computer-Ansicht der neuen Krankenhaus-Eingangshalle.
| Computer-Ansicht der neuen Krankenhaus-Eingangshalle.
Das Gespräch führte WolfgaNg DÜNNEBIER
 |  aktualisiert: 27.07.2007 08:02 Uhr
Hammelburg Als Pilotprojekt wird die Rhön-Klinikum AG in Hammelburg eine Tele-Portal-Klinik errichten. Untersuchungsergebnisse aus Computer- und Kernspin-Tomograph sollen per Datenleitung zur Auswertung an Schwerpunktkrankenhäuser weitergeleitet werden. Gerald Meder ist maßgeblich an der Entwicklung beteiligt.

 

Frage: Ist es Zufall, dass die Rhön-Klinikum AG bei den Krankenhäusern im Landkreis einsteigt, oder hat hier das Hammelburger Vorstandsmitglied Gerald Meder Weichen gestellt, um die Heimat mit zu gestalten?

Meder: Das mit Sicherheit nicht. Ich möchte mir kein Denkmal setzen. An Hammelburg reizt uns es uns, das Modell eines Tele-Portal-Krankenhauses zu realisieren. Natürlich sehe ich das lieber vor meiner Haustüre als in Flensberg entstehen.

Wo liegen die Herausforderungen?

Meder: Hammelburg ist für uns keine Geldkuh. Dazu ist es zu klein und macht zu viel Verlust. Ohne Investitionen und Strukturveränderungen wäre das Krankenhaus in fünf Jahren nicht mehr auf der Bildfläche. Ein Versorgungskrankenhaus in der Tele-Portal-Konzeption zu planen und zu bauen, reizt besonders.

Ist insgesamt die wohnortnahe Versorgung in Gefahr?

Meder: Definitiv. Die kommende Fallpauschale verkürzt die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und bringt leere Betten. Oft noch verkannt wird die geplante Mindestmengenverordnung, die Leistungen nur noch erlaubt, wenn ein Krankenhaus sie in einer gewissen Anzahl erbringt. Das wird in Hammelburg ein massives Problem. Geburtshilfe wird man dann nur noch bei 300 bis 400 Geburten machen dürfen und wenn Hammelburg nur 120 hat, ist die Abteilung zu. Dafür können wir einen Schwerpunkt mit über 400 Geburten in Bad Kissingen schaffen. Diese Konzentration macht Sinn. Sie verbessert die Qualität der Patientenversorgung.

Droht Fließbandmedizin?

Meder: Nein, aber die Qualität steigt mit der Routine bei den Eingriffen. Das hat auch die deutsche Politik erkannt. Mit der Mindestmengenverordnung büßt ein Grundversorgungskrankenhaus viele Leistungen ein. Die Chirurgie in Hammelburg verliert innerhalb der nächsten zwei Jahre voraussichtlich um 30 bis 40 Prozent. Deshalb macht es einen Sinn, wenn wir Hammelburg und Bad Kissingen übernehmen und in Bad Neustadt dazu eine Schwerpunktklinik haben. Unter einem Dach kann ich die Patienten besser steuern und behandeln, als wenn ich wie bisher im Landkreis fünf Träger habe.

Was bedeutet das für den Patienten?

Meder: Auch im Landkreis müssen wir Schwerpunkte setzten. Beispiel innere Medizin: Bei den konservativen Erkrankungen wird Hammelburg einen deutlich größeren Schwerpunkt als bisher bekommen. Da muss ein Kardiologe hin und ein Gastroenterologe. Die Diagnostik braucht deutlich mehr Kompetenz. Folgen eines Schlaganfalles können in den ersten vier bis fünf Stunden bei richtiger Behandlung deutlich reduziert werden. Da sind kurzer Weg ins Krankenhaus und die Diagnose binnen einer weiteren halben Stunde wichtig, um die weiteren Schritte einzuleiten. Durch qualifizierte Diagnostik den Patienten in die richtige Behandlung zu führen, ist das Prinzip der Tele-Portal-Klinik.

Haben sie die Unterstützung des Freistaates?

Meder: Die im Dezember 2002 begonnene und kurzfristig wieder abgebrochenen Sanierung wäre eine glatte Fehlinvestition gewesen, weil sie an der Struktur des Hauses nichts verändert hätte. Nach unserer Überzeugungsarbeit will der Freistaat nun mit den ursprünglich geplanten fünf bis sechs Millionen Euro auch an der neuartigen Klinik beteiligt sein.

Wieviel Geld investiert die Rhönklinikum AG?

Meder: Im ersten Abschnitt 13 bis 14 Millionen Euro. Wenn ich davon sechs Millionen vom Staat kriege, tun wir uns leichter. In Bad Kissingen investieren wie sieben Millionen Euro ganz auf eigene Faust. Normal verzichten wir auf staatliche Mittel. Sie sind zu gering und meist mit nicht akzeptablen Auflagen verknüpft.

Wie das?

Meder: Unsere Krankenhäuser sind zu 50 Prozent nicht förderbar, weil sie zu großen Flächenverbrauch und zukunftsorientierte Strukturen haben, die nicht in herkömmliche Fördermechanismen passen. Großzügige Eingangshallen mit viel Licht, damit der Patient nicht das Gefühl hat, er kommt in ein dunkles Versorgungszentrum, wo er eingesperrt wird, sondern eher in ein Hotel, wo er auch noch qualifizierte Medizin findet. Das sind Ideale, die in 20 Jahre alte Fördermechanismen nicht hinein passen. In Hammelburg bekommen wir wahrscheinlich eine Festbetragsförderung, wo wir Diagnostik und Operationsstruktur nachweisen müssen, aber nicht zwei Quadratmeter wegen zu viel Flächenverbrauch heraus gemessen werden.

De Rhön-Klinikum AG wächst weiter und übernimmt noch mehr Häuser. Wann sind die Grenzen des Wachstums erreicht?

Meder: Die Grenzen sehe ich eher beim Management. Es gibt zu wenig qualifizierte Krankenhaus-Leute. Deswegen bilden wir seit drei Jahren Studienabgänger in einer zweijährigen Art Grundausbildung selber aus. Das habe ich entwickelt, weil wir aus dem öffentlichen Krankenhausbereich einfach nicht die qualifizierten Leute heraus kriegen.

Natürlich gibt es auch finanzielle Grenzen. Wir können nicht einfach 50 Krankenhäuser zusammen kaufen, auch wenn wir als AG mehr Finanzierungsmöglichkeiten haben als jede Kommune. Unser Gewinn und Abschreibung addieren sich auf 130 Millionen Euro im Jahr. So rechnen wir mit 500 bis 1300 Betten, die wir jährlich übernehmen können.

Im Moment entsteht ein richtiger Krankenhaus-Verkäufermarkt. Wir wissen von 100 Verkäufen, die zur Disposition stehen. Allerdings sind viele Krankenhäuser einfach nicht übernehmbar, weil dort Strukturen geschaffen sind, die nicht mehr zu verändern sind. Da möchte ich nicht hingehen und 150 Leute kündigen müssen und geförderte Bauwerke wieder abreißen.

Wenn Hammelburg woanders gelegen hätte, hätten wir es auch nicht übernommen, weil die Strukturen sehr stark zu verändern sind und es eine zu hohe Verlustsituation gibt. Erst die Verbundlösung mit Bad Kissingen und Bad Neustadt wird das ändern.

Schöne neue Klinik-Welt. Bleibt die medizinische Versorgung überhaupt bezahlbar?

Schon, wenn sich das Modell der Tele-Portal-Klinik deutschlandweit durchsetzt. Für den Krankenhausbetrieb werden hier pro Jahr 51 Milliarden Euro aufgewendet. Seit 1997 gibt es im Krankenhaus rapide sinkende Fallerlöse. Viele Krankenhäuser können bei dem Preisverfall nicht mehr mithalten. Bei den Kommunen entstehen riesige Defizite. Wahrscheinlich gibt es demnächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass diese öffentliche Bezuschussung Wettbewerbsverzerrung ist. Dann wird es ein Sterben von öffentlichen Krankenhäusern geben.

Das Defizit der Krankenkassen ist nicht in den teurer werdenden Leistungen, sondern in der sinkenden Zahl der Beitragszahler durch die hohe Arbeitslosigkeit begründet. Zusätzlich bekommen wir wegen der zunehmenden Alterspyramide pro Jahr ein bis zwei Prozent mehr Patienten. Zumeist Ältere. Derzeit haben wir 16 Millionen Patienten bei 80 Millionen Einwohnern. In der Herzchirugie Bad Neustadt hatten wir zum Beginn vor 15 Jahren einen Altersdurchschnitt von unter 65 Jahren, heute liegt er bei 75 Jahren.

Wo könnte man noch einsparen?

Meder: Unter anderem mit Synergien zwischen der ambulanten und der stationären Behandlung. Deswegen wollen wir versuchen, Facharztpraxen direkt an das Krankenhaus zu holen. Das nutzt dem Patienten, dem Krankenhaus und dem niedergelassenen Facharzt.

Haben wir in Deutschland eine Zweiklassen-Medizin?

Meder: In Anfängen. Etwa zwischen dem informierten Patienten, der weiß, wo die beste Klinik für ihn ist und dem uninformierten. Auch dagegen hilft die Tele-Portal-Klinik.

Bestimmen die Gewinnerwartungen an der Börse künftig die Wahl der medizinischen Mittel?

Gar nicht. Die Rhön-Klinikum AG investiert derzeit drei bis fünf mal so viel in den laufenden Krankenhaus- und Medizintechnik-Bedarf als man dafür vom Staat als pauschale Fördermittel kriegt. Zum Beispiel pro Bett 2000 Euro pro Jahr. Damit können sie die medizintechnische Entwicklung nie nachvollziehen.

Wenn wir bei der Rhön-Klinikum AG nicht in den laufenden Betrieb investieren, sondern alles an die Aktionäre ausschütten würden, dann könnten wir das drei Jahre machen und im vierten Jahr wären wir medizintechnisch schon hinten dran. Das Ergebnis wäre, dass uns dann die ersten Patienten wegbrechen. Gewinne können im Krankenhaus nur mit den letzten 10 bis 15 Prozent der Patienten, die ins Krankenhaus kommen, gemacht werden. Wir haben Wettbewerb und den können wir nur gewinnen, wenn wir in qualifizierte Strukturen und Personal investieren. Ein großes Problem von staatlichen Krankenhaus-Finanzierungssystemen ist, dass der Staat die Investitionen trägt, der Landkreis aber die Betriebskosten. Wenn die Investitionen ausfallen, entwickelt sich das Krankenhaus zurück.

Gegen zu hohe Betriebskosten können wir schon mit zielgerichteten Investitionen ansetzen und erzielen zum Beispiel mit eigenen Blockheizkraftwerken und der ersten Hochtemperatur-Brennstoffzelle in einem Krankenhaus überhaupt in Bad Neustadt hohe Energieeinsparungen. Das macht teilweise 1,5 Prozent unseres Umsatzes aus. Die ursprünglich in Hammelburg geplante Sanierung hätte die Betriebskosten erhöht, weil aus 30-Betten-Stationen 20 Betten-Stationen werden sollten. Diese Verkleinerung hätte zu einer prozentualen Erhöhung des Personaleinsatzes geführt. Bei 28 bis 35 Betten pro Station kann das Personal besser einsetzen werden.

Auf welche Veränderungen müssen sich die Mitarbeiter der übernommenen Kreiskrankenhäuser einstellen?

Meder: In dem Tele-Portal-Krankenhaus gibt es natürlich veränderte Arbeitsplätze. Wir haben ein Unternehmenskodex für alle Beteilligten, der umgangssprachlich heißt: "Tue nichts was du nicht willst, dass es dir getan werde. In vielen öffentlichen Krankenhäusern entsteht eher der Eindruck, als ob das Krankenhaus als sichere Beschäftigungsstätte betrachtet wird und dann kommt erst der Patient. Ein Vorstand so wie ich einer bin, muss sich auch als Anwalt der Patienten verstehen, der sich für eine humane und qualifizierte Behandlung einsetzt. Das heißt, dass er Mitarbeitern klar machen muss, dass ihr Arbeitsplatz von dem qualifiziert und human behandelten Patienten abhängt. Die Mitarbeiter, die das nicht akzeptieren, haben im Krankenhaus keinen Arbeitsplatz.

Noch eine persönliche Frage: Wie treiben Sie selbst Gesundheitsvorsorge?

Meder: Eher schlecht, weil ich eine 60- bis 70-Stunden-Woche habe. Für sportliche Betätigung bleibt sehr wenig Zeit. Ich weiß aber, was alles gut für mich wäre. Ich lasse mich alle drei Jahre in einer unserer qualifizierten Kliniken durchchecken.

Computer-Ansicht der neuen Krankenhaus-Eingangshalle.
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Foto: FOTO W. DÜNNEBIER

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