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Bad Kissingen
Bamberger Symphoniker in Bad Kissingen: Mehr als nur eine Klangfarbe beim Neujahrskonzert
Überraschende Klangfarben zum Jahresbeginn. Das Neujahrskonzert der Bamberger Symphoniker bietet unerwartete musikalische Highlights.
Bei ihrem Neujahrskonzert glänzten die Bamberberger Symphoniker mit einem rein amerikanischen Konzertprogramm aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.       -  Bei ihrem Neujahrskonzert glänzten die Bamberberger Symphoniker mit einem rein amerikanischen Konzertprogramm aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Foto: Thomas Ahnert | Bei ihrem Neujahrskonzert glänzten die Bamberberger Symphoniker mit einem rein amerikanischen Konzertprogramm aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 31.01.2025 02:39 Uhr

Man braucht nicht unbedingt den Radetzkymarsch, um musikalisch beschwingt ins neue Jahr zu starten. Das geht mindestens genauso gut mit einem rein amerikanischen Konzertprogramm aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Allerdings auch nur, wenn man Leute zur Verfügung hat, die das wirklich spielen können, die Freude haben an den damals typisch amerikanischen verzwickten Rhythmen und allerlei harmonischen und dynamischen Überraschungen und an einem gnadenlos bunten Klangfarbenspiel. Diese Leute waren tatsächlich zum Neujahrskonzert in den ausverkauften Regentenbau gekommen: die Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie. Und es war kein Nachteil, dass sie mit einem Gastdirigenten gekommen waren: dem Amerikaner Roderick Cox, der sich in den USA bereits einen ausgezeichneten Namen gemacht hat und in Europa nachhaltig begonnen hat, Fuß zu fassen.

Genau der richtige Mann für diese Musik

Das war genau der richtige Mann. Denn das war genau seine Musik, mit der er aufgewachsen war, seine für ihn selbstverständliche rhythmische, vom Jazz beeinflusste Welt, der er nicht aus der akademischen Distanz begegnete. Sondern der mit einer erstaunlich knappen, aber hocheffizienten Gestik „immer ein bisschen kurz vor der Eins“ seine Musiker auf Vortrieb hielt.

Wobei es keineswegs ein Nachteil war, dass das Orchester das Programm bereits am Vortag zweimal in Bamberg gespielt hatte. Nicht, weil es das ansonsten in Bad Kissingen nicht gekonnt hätte, sondern weil sich jeder freigespielt hatte und sich zeigen wollte. Und weil die Musiker so die kleinen agogischen Freiräume, die Roderick Cox ihnen trotz aller Präzision ließ, auch wirklich nutzen konnten zur Erhöhung der Spannung.

Eine Überraschung war gleich das erste Stück von Samuel Barber . Von ihm kennt man hierzulande eigentlich nur das „Adagio for Strings“ aus seinem Streichquartett op. 11, die weltweit nahezu alternativlose „Cheftrauermusik“ nicht nur für die Berühmten und Wichtigen. Das hätte zum Glück überhaupt nicht gepasst. Umso besser passte die Ouvertüre zu „The School of Scandal“.

Alle Konflikte treffend zusammengefasst

Zugrunde liegt ihr die gleichnamige, ziemlich üppige Eifersuchts- und Seitensprungkomödie oder auch „Sittenkomödie“ des Engländers Richard Brinsley Sheridan, die 1777 im Drury Lane Theatre in London uraufgeführt wurde. Erstaunlich, dass der damals 32-jährige Barber, der gerade sein Musikstudium am Curtis Institute abgeschlossen hatte, diese Komödie überhaupt kannte – und offensichtlich auch gelesen hat.

Denn in seiner ersten eigenständigen Komposition für großes Orchester hat er die ganzen Konflikte, die das Stück beherrschen, treffend zusammengefasst und gestaltet: lauter kleine Episoden voller Schärfe oder Schmeichelei, nahtlos ineinander übergehend. Und es zeigte sich schnell: Roderick Cox ist ein Freund kräftiger Farben und Kontraste und war sich da einig mit dem Orchester, das sich wunderbar auf die Zankereien einließ und ungemein plastisch musizierte.

Kurzzeitig die Schau gestohlen

Natürlich gehört zu einem solchen Programm George Gershwins „Rhapsody in Blue“ mit dem englischen Pianisten Benjamin Grosvenor als Solist. Der hatte es ein bisschen schwer, denn als er einsetzte, war ihm die Schau schon gestohlen von der berühmten „lachenden“ Klarinette, die das Thema einführt. So genüsslich zelebriert hört man sie selten, und Roderick Cox ließ ihr auch genügend Luft dafür. Aber dann nahm Benjamin Grosvenor die starke Konfrontation mit dem Orchester auf, spielte auch im größten rhythmischen Trubel perfekt mit ihm zusammen und schaffte es, mehr als nur eine Klangfarbe zu sein. Aber in den Kadenzen konnte er auch wunderbare lyrische Aspekte entwickeln und Übergaben zu zaubern.

Wie eingängig Leonard Bernsteins Musical „ West Side Story “ ist, konnte man schnell merken, als Roderick Cox und seine Leute „Symphonic Dances from West Side Story “ zu spielen begannen. Die ganze emotionale Bandbreite zwischen den sinnlosen Kämpfen zwischen den Jets und den Sharks einerseits, die tragisch endende Liebe zwischen Maria und Tony andererseits und schließlich doch das versöhnliche Ende waren in der zuhörenden Phantasie sofort präsent. Denn trotz des kräftigen musikalischen Zugriffs waren die inneren Entwicklungen dank einer ausgezeichneten Durchhörbarkeit, plastischer Rhythmuswechsel in dem Getriebe und toller Klangfarben immer hörbar und nachvollziehbar gemacht. Und ganz nebenbei konnte man auch unverstellt hören, welch ein phantasievoller Komponist Leonard Bernstein gewesen ist.

Spaß beim Zuhören

George Gershwins „ Ein Amerikaner in Paris “ wirkte fast wie eine Zusammenfassung des Konzerts. In ihrer etwas lärmigen Buntheit kam sie der Musizierlaune des Orchesters bestens entgegen, und Cox ließ die dynamischen Zügel auch etwas lockerer als zuvor. Es machte ganz einfach Spaß, dieser damals modernen Großstadtmusik zuzuhören, die alle Arten von Klangfarben und rhythmischen Konflikten zulässt, aber auch die eine oder andere ruhigere, verborgene Ecke erwähnt. Vermutlich hätte Gershwin das Stück auch „Ein Franzose in New York“ nennen können, denn da wird es ähnlich zugegangen sein. Aber die Möglichkeit hat er selbst ausgeschlossen: Für die Uraufführung hat er eigens einige originale Hupen der Pariser Taxis bestellt.

Und trotz der ganzen mitreißenden Musik noch eine echte Überraschung: Die Bamberger spielten 2 (in Worten: zwei) Zugaben! Beide von Leonard Bernstein : die Ouvertüre zu „Candide“ in einem überraschend ambitionierten Tempo und noch einmal „Mambo“ aus der „ West Side Story “

 
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