
Derzeit wird in Deutschland über ein Verbot privater Handynutzung an Schulen diskutiert. In Bayern ist der Gebrauch im Erziehungs- und Unterrichtsgesetz Art. 56 Abs. 5 BayEUG geregelt . Im Landkreis Bad Kissingen gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob ein Verbot sinnvoll ist . Wir haben den langjährigen Medienexperten Lambert Zumbrägel aus Würzburg nach seiner Einschätzung gefragt.
Seit seinem Studium in den 1980er-Jahren beschäftigt sich Lambert Zumbrägel mit Medien und Medienpädagogik.
Seitdem hat sich die Medienwelt stark gewandelt. Aber nicht alles sei gefährlicher geworden, sagt der Medienpädagoge, „auch Bücher haben schon Amokläufe ausgelöst“. Die Masse an Information, die auf uns einprasselt, sei es, die mehr geworden ist.
Herr Zumbrägel, was halten Sie von einem Verbot von Handys für Schüler zwischen 8 Uhr morgens und Unterrichtsschluss?
Lambert Zumbrägel: In Bayern gibt es ja seit 2022 bereits ein Smartphoneverbot pauschal an Grundschulen. Weiterführende Schulen können selbst Regeln schaffen. Es geht bei der derzeitigen Diskussion vor allem um die private Nutzung von Mobiltelefonen auf dem Schulgelände.
Grundsätzlich bin ich vorsichtig, was Verbote angeht. Natürlich lenken Smartphones ab und schränken die Konzentration ein. Gleichzeitig ist der Umgang mit Medien eine Grundkompetenz. Und wo lernen Kinder Grundkompetenzen, wenn nicht in der Schule?
Wenn also Schulen sagen, Kinder seien zu inkompetent für Medien, ist das eine Bankrotterklärung ans eigene System. Denn deren Vermittlung ist – neben den Eltern – auch Aufgabe der Schulen. Ein generelles Verbot von Smartphones ist da kontraproduktiv.
Warum?
Man würde sich als Schule einer pädagogischen Aufgabe verwehren. Wenn sie private Handys verbannen, müssen sie andere Geräte anbieten. Ein Verbot hilft nichts, wenn Kinder die Smartphones am Nachmittag unbegrenzt nutzen und nicht kompetent sind.
Welche Regeln in Sachen Smartphones fänden Sie an Schulen sinnvoll und umsetzbar?
Es ist grundsätzlich gut, wenn die Geräte in der Schule abgegeben werden müssen, aber das ist noch kein Kompetenzgewinn. Schulen müssen dann Lernangebote machen, die auf das private Handy übertragbar sind.
Also zum Beispiel: Wie hinterfrage ich Inhalte von Sozialen Medien? Wie schütze ich meine privaten Daten? Wie schaffe ich es, mich nicht ablenken zu lassen? Oder: Wie schaffe ich es, mein Handy auch mal auszuschalten?
Schüler müssen außerdem lernen, mit den negativen Seiten des Internets umzugehen und ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Denn sobald sie Zugriff aufs Internet haben, kommen sie auch an alles ran.
Schulen haben hier eine große Chance, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Es fehlt ihnen nur oft die Zeit dafür. Das ist das eigentliche Problem.
Viele Schüler argumentieren: es gibt sowieso Tablets im Unterricht – dann zocken sie halt dort. Kinder finden also einen Weg, das Verbot zu umgehen.
Ja, oder sie geben ihr Zweit- oder Dritthandy ab. Da ist die Frage, wie sinnvoll ist eine Regel, an die man sich nicht hält. Wenn man eine Regel aber als sinnvoll erachtet, richtet man sich auch eher danach.
Das Warum müssen die Schüler begreifen und das ist ein Lernprozess. Ich habe die Befürchtung, dass mit einem Handyverbot zwar ein Problem aus der Schule verbannt wird, aber dabei nichts gelernt wird.
Andererseits kann viel Missbrauch mit dem Handy geschehen, zum Beispiel Mobbing durch Fotos oder Videos in der Pause.
Das passiert, weil nicht gelernt wurde, mit dem Handy umzugehen. Kinder können damit Straftaten begehen. Wo lernen sie, was dann passiert, wenn nicht in der Schule?
Dabei geschieht Cybermobbing eher in der 5. Klasse als in der Zehnten. Die Kinder fangen an einer neuen Schule an und merken, was für ein mächtiges Gerät sie in den Händen halten. Wir müssen also mit den Dingern arbeiten, egal, ob mit privaten oder gestellten Mobiltelefonen.

Kaum ist die Schule aus, schaut alles aufs Handy und Jugendliche reden kaum noch miteinander, wenn sie an der Bushaltestelle warten. Sehen Sie hier ein Problem?
Sowohl als auch. Man könnte zum Beispiel ein Versuch starten, ohne Mobiltelefon ins Schullandheim zu fahren. Und dann die Schüler fragen: Wie war das für euch? War es existenzbedrohend? Habt ihr Freunde verloren? War das Leben entspannter?
Wenn diese Erfahrung reflektiert wird, kann das sehr gut sein. Allerdings muss der Lehrer auch etwas anbieten, bei dem die Jugendlichen eine Gegenerfahrung machen können.
Was halten Sie von einem neuen Schulfach „Medienkompetenz“?
Bisher ist es im Kultusministerium nicht angekommen, dass dies die vierte Grundkompetenz neben Lesen, Rechnen und Schreiben ist. Dafür muss aber der Lehrplan entschlackt werden.
Ein eigenes Schulfach „Medienkompetenz“ muss meines Erachtens nicht extra eingeführt werden. Sie kann auf vielfältige Weise in allen Fächern vermittelt werden, wie zum Beispiel in Ethik, Informatik, Naturwissenschaften oder Sprachen.
Insofern müssen sich alle Lehrer mit Medienkompetenz neben ihrem eigentlichen Fach beschäftigen. Dazu muss sich Schule grundsätzlich in ihrer Haltung ändern.
Die Frage ist, in welche Welt entlassen wir unsere Schüler? Was ist wirklich wichtig? Was wir jetzt lernen, ist morgen alt. Deshalb muss vermittelt werden: Das Beste im Leben ist Lernen.
Hintergrund Lambert Zumbrägel:
- Lambert Zumbrägel (Jahrgang 1966) hat von 1987 bis 1992 in Kassel Sozialpädagogik / Sozialarbeit mit dem Schwerpunkt Bildungsarbeit und Medienpädagogik studiert.
- Zwölf Jahre war er Leiter des Café Dom@in, einem Internetcafé für Jugendliche in Würzburg.
- Von 2008 bis 2019 war Zumbrägel Medienfachberater beim Bezirksjugendring in Unterfranken und ist im Redaktionsteam des „Medienpädagogik Praxis Blogs“ aktiv, das unter anderem Veranstalter des bundesweiten „Medienpädagogik Praxis Camps“ ist.
- Er arbeitet als Medienpädagoge an der Stadtbücherei Würzburg. Daneben ist der Experte Lehrbeauftragter für Medienpädagogik an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und gibt bis heute Einblicke in digitale Welten.