
Man glaubte ja, man sei im falschen Film. Saß doch da wahrhaftig Wilhelmine Klemm auf dem Podium im Max-Littmann-Saal! Wie war denn die Oberstaatsanwältin aus Münster, die es normalerweise mit Gestalten wie Thiel und Boerne zu tun hat, dahin geraten? Ach so, sie war für eine „Musikalische Lesung“ nach dem zweiten Konzert der Tschechischen Philharmonie angekündigt. War das wirklich sie? Oder war das Mechthild Großmann?
Fabelhafte Schauspielerin
Man brauchte wirklich nicht lange, um das ganze Tatort-Geschwurbel aus seinem Hirn herauszubekommen. Denn Mechthild Großmann ist nicht nur eine fabelhafte Schauspielerin , sondern eine ebensolche Sprecherin und Vor- und Einleserin.
Sonore Stimme
Natürlich, eine so überraschend tiefe, sonore Stimme wie die ihre ist geradezu eine Karrieregarantie, denn sie fällt auf. Aber es kommt halt auch darauf an, was man daraus macht. Zum Beispiel mit Auszügen aus Johann Wolfgang von Goethes „Italienischer Reise“ – durchaus passend zum Festivalmotto.
Eindrücke aus der Provinz
Mechthild Großmann hatte nicht die üblichen Stationen und Wege Goethes ausgewählt: über die Alpen und schnurstracks nach Rom. Sie tummelte sich mit ihm in der Provinz: in der Poebene, in Neapel, Florenz und schließlich in dem erschreckend katholischen Rom. Sie erzählte von Goethes Bewunderung für Palladio , von seiner ironischen Sicht auf die italienische Oper und das italienische Publikum, über seine staunende Beobachtung von fließender Lava und von der Begegnung mit den Menschen. Da entstand in kürzester Zeit ein sehr sprechendes Bild des jungen Dichters.
Enorme Präsenz
Aber sie machte das auch wirklich gut, hatte sich bestens vorbereitet, wusste ihre Stimme einzusetzen und nahm mit ihrer enormen Präsenz das Publikum wirklich mit. Und plötzlich merkte man: Natürlich ist es eine tolle Sache, wenn man Goethes „Italienische Reise“ liest. Aber man kommt erheblich besser in den Text hinein, wenn er vorgelesen wird – am besten von Mechthild Großmann.
Klavier-Olympionike
Zu einer musikalischen Lesung gehört natürlich Musik. Sandro Nebieridze, Klavier-Olympionike des letzten Jahres, spielte zur gliedernden Unterbrechung der Lesung mit viel Feingefühl eine Sonate von Scarlatti, das Allegretto g-Moll aus Rossinis „Péchés de vieillesse“ und die sinnliche „Rêverie“ von Debussy . Und er schloss mit einer stärkeren persönlichen „Duftmarke“: mit den verjazzten Variationen op. 41 von Nikolai Kapustin.
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