
Im GKN-Sinter-Metals-Werk in Bad Brückenau ist Matthias Zeier selten. Der Oberleichtersbacher schafft in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Osteuropa Verkaufsstrukturen und Netzwerke für ein Produkt, das er selbst mitentwickelt hat – Hydrogen-Energie- und Wasserstoffspeicher. Sie könnte wesentlich zur Energiewende beitragen. Unter einer Bedingung.
2016 fehlte der Markt
Erste Gedanken zum Thema „Speicherung von Wasserstoff als Energielieferant“ machte man sich nach Zeiers Angaben bei GKN schon in den Jahren 2013 bis 2016. Damals wurden erste sogenannte Metallhydrid-Niederdruckspeicher entwickelt. Nur fehlte 2016 der Markt dafür. Billige fossile Energieträger wie Öl und Gas waren angesagt.
Vom Prototyp zur Marktreife
Im Rhöner GKN-Werk war Matthias Zeier Zuständiger für Design und Engineering. Als solcher stießen er und andere ab 2020 zum heute 80-köpfigen Team, das sich um die Weiterentwicklung der Prototypen zu marktreifen Großspeichern kümmerte.
Ronden für Einlagerung von Wasserstoff
In Bad Brückenau entstanden unter Zeiers Leitung Ronden, zylinderförmige Metallkörper, in die Wasserstoff als Energieträger eingelagert wird. Diese Ronden wurden zu einer Gitterstruktur gefügt.
Wie das geschieht und wie die Struktur aussieht, bleibt Betriebsgeheimnis. Aber das Pressen – also das In-eine-Form-bringen von Metallpulver unter Einsatz von Hitze und Druck – spielt bei der Herstellung eine wesentliche Rolle.
Der Prozess der Produktion und Speicherung von „grünem“ Wasserstoff erscheint gar nicht so kompliziert. Mithilfe von aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft gewonnener Strom wird in einem Elektrolyse genannten Verfahren mit Wasser zusammengebracht. Dieses spaltet sich dabei in Wasserstoff, Sauerstoff und Wärme. Dieser wird in die von GKN Hydrogen entwickelte Metallgitterstruktur ohne Kompressor und Druck eingelagert.
Knallgasprobe aus dem Chemieunterricht
Um dann Energie „zurückzugewinnen“, werden Wasserstoff und Sauerstoff wieder kontrolliert zusammengebracht, ähnlich der „Knallgasprobe“, die viele aus dem Chemie-Unterricht in der Schule kennen. Mit der freigesetzten Wärme und dem Strom kann geheizt und elektrische Geräte speziell in den Wintermonaten betrieben werden.
Ein Haus ganzjährig autark mit Hydrogenspeicher zu betreiben, ist laut Zeier möglich. Er sieht sie aber als optimale Ergänzung zu anderen umweltfreundlichen Arten, Energie zu produzieren, wie Photovoltaik, Wind und Wasserkraft.
Länger als eine gewöhnliche Batterie
Bekanntlich ist das Problem, dass die Sonne mehr im Sommer als im Winter scheint, wo aber potenziell mehr Strom und Wärme zum Heizen benötigt werden. Der Wasserstoff-Speicher kann diese „saisonale“ Energie länger als eine gewöhnliche Batterie aufnehmen und bereitstellen, wenn sie gebraucht wird. 40 Prozent des Jahresbedarfs lassen sich so abdecken, schätzt Zeier.
Die Metallhydrid-Speicher sieht der Oberleichtersbacher als „technisch marktreif“, wenn auch nicht für Anwender gegen den allgemeinen Netzstrom rentabel an. Was früher für andere Technologien auch gegolten habe. „Ich sehe uns da, wo die Photovoltaik 1995 war.“ Die Regierung müsse gezielt fördern.
Early Birds und Pioniere
Auch suchen GKN Hydrogen und Zeier „Early Birds und Pioniere“, Menschen, die Wasserstoff-Speichern eine Chance geben und nicht so auf die Kosten schauen müssen.
GKN und dessen ausgegründete Firma GKN Hydrogen betreiben vor allem in Italien und der Schweiz „Vorzeigeprojekte“ mit Metallhydrid-Niederdruckspeichern. Los ging es 2016 mit einem „Demo-Objekt“, dem Knappenhaus in Prettau/Südtirol. Damit gewann der Konzern erstmals Kundeninteresse und Medienpräsenz.
GKN auf dem Stubaier Gletscher
Ein aktuelles Beispiel, wo ein Wasserstoffspeicher verbaut wurde, ist die Müllerhütte am Stubaier Gletscher in den Südtiroler Alpen. Dort war die Aufgabe, das „schmutzige“ Diesel-Aggregat zur Energiegewinnung zu ersetzen (eine Strom- oder Gasleitung auf 3145 Meter zu verlegen, wäre unwirtschaftlich). An sonnigen Tagen liefert die Photovoltaikanlage auf dem Dach den nötigen Strom; den Rest deckt der GKN-Speicher als 100-Prozent-Lösung ab.
Technik funktioniert im Mehrfamilienhaus
Im Arieshof, einem Hotelbetrieb ebenfalls in den italienischen Alpen bei Bozen, gewährleistet Wasserstoff die Energieversorgung zusammen mit einem Blockheizkraftwerk und Photovoltaik. In einem 40-Bewohner-Haus in Zürich trägt er auch zur Energie-Autarkie und zum Laden von E-Autos bei.
Starker Antrieb für Bus und Bahn„Wasserstoff als Energiespeicher ist da ein Thema, wo Wärme kein Abfallprodukt ist, sondern neben Strom genutzt werden kann“, sagt Speicher-Mitentwickler Matthias Zeier mit Blick auf die noch dominierenden Verbrenner-Autos. Dort liege der Wirkungsgrad bei schlechten 33 Prozent. Der Rest gehe ungenutzt als Wärme und Abgase in die Luft.
Beim Elektro-Auto betrage der Wirkungsgrad 70 bis 80 Prozent – wenn der Strom zu 100 Prozent aus alternativen Energien stamme. Dort bestehe das Problem schwierig zu beschaffender teurer Rohstoffe wie Lithium und Cobalt, so der Oberleichtersbacher.
Alternative für Bahn und Bus
Das Brennstoffzellen- beziehungsweise Wasserstoffauto sieht Zeier wegen der starken Leistung als Alternative für Eisenbahnen und Busse, wegen des unterm Strich geringen Wirkungsgrades künftig aber weniger für Privat-Pkw.
In den USA und Australien unterhält GKN Hydrogen mit Hauptsitz Bonn und Pfalzen/Südtirol ebenfalls Stützpunkte, um den Fuß in vielversprechenden Märkten zu haben. Australien bietet beispielsweise großen Bedarf mit seiner weit im Outback verstreuten Bevölkerung und schlechter Netzstruktur.

