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Hammelburg
Matte, Biebeleskaas oder einfach nur Quark: Dialekte in Unterfranken
Das vhs-Büro Hammelburg hat zusammen mit der Stadtbibliothek zum Vortrag „Wässd Du dos?“ im Bürgersaal des Hammelburger Bürgerhauses eingeladen und fast 130 Personen sind gekommen. Dr. Monika...
Redaktion
 |  aktualisiert: 23.04.2025 01:06 Uhr

Das vhs-Büro Hammelburg hat zusammen mit der Stadtbibliothek zum Vortrag „Wässd Du dos?“ im Bürgersaal des Hammelburger Bürgerhauses eingeladen und fast 130 Personen sind gekommen. Dr. Monika Fritz-Scheuplein, die seit 2005 das Unterfränkische Dialektinstitut (UDI) am Lehrstuhl für deutsche Sprachwissenschaft der Universität Würzburg leitet, war im Rahmen der Wintervortragsreihe des Universitätsbundes Würzburg in Hammelburg , heißt es in einer Pressemitteilung der vhs-Bad Kissingen – Hammelburg .

Im ersten Teil ihres Vortrags erzählte sie, dass sie bei der Erstellung des Sprachatlas von Unterfranken (abgekürzt SUF) in den 1990er Jahren selbst mitgewirkt habe und auch neun damals über 65 Jahre alte Hammelburger befragt hat, die einige der Anwesenden noch gekannt haben.

Wie der Sprachatlas entstand

Vor dieser Dialekterhebung waren die Sprachräume in Unterfranken noch nicht umfassend erforscht. Monika Fritz-Scheuplein zeigte Beispiele aus dem 2500 Fragen umfassenden Fragebuch, die sie den nach festgelegten Kriterien ausgewählten Gewährspersonen stellen durfte. Die Fragen deckten hauptsächlich die Themenbereiche Landwirtschaft und Handwerk ab, weil hier der Dialekt stärker ausgeprägt sei. Um eine gleichmäßige Erfassung ganz Unterfrankens zu gewährleisten, wurde eine Art Raster über den Bezirk gelegt und der jeweils mittig liegende Ort für die Befragung ausgewählt. Unter den insgesamt 179 Erhebungsorten befanden sich auch Hammelburg sowie beispielsweise Thulba, Euerdorf und Wartmannsroth.

Aus den erfassten Daten entstanden zwischen 2005 und 2009 sechs wissenschaftliche Atlasbände: Drei Bände mit Wortschatzkarten, ein Band mit Formenkarten und zwei Bände mit Lautkarten. Alle Antworten der befragten Dialektsprecher wurden in der damals in der Dialektforschung üblichen Lautschrift Teuthonista notiert, heute würde man dafür eher das internationale phonetische Alphabet, wie man es vom Fremdsprachenlernen kennt, verwenden, meinte die Expertin.

Nachdem die Befragungen abgeschlossen waren und an der Erstellung der Sprachkarten gearbeitet wurde, fassten die Sprachatlasmitarbeiter alle Sprachgrenzen, die bis dahin ersichtlich waren, auf einer Karte zusammen. Heraus kam der „ unterfränkische Spaghettisalat“ oder wie es die Forscherin kommentierte: „Kein Ort spricht genauso wie der andere!“

Fritz-Scheuplein hat noch gut in Erinnerung, wie anlässlich der Eröffnung des UDI der damalige Lehrstuhlinhaber und Sprachatlasleiter Professor Dr. Norbert Richard Wolf Unterfranken als den aus dialektologischer Sicht „interessantesten Regierungsbezirk im Freistaat Bayern“ bezeichnete. Warum ist das so?

Durch Unterfranken geht eine der stärksten Sprachgrenzen im deutschen Sprachraum, die Germersheimer Linie oder sogenannte appel-apfel-Linie, die auch landläufig als „Äppel-Äquator“ bezeichnet wird. Sie trennt das Oberdeutsche vom Mitteldeutschen und durchkreuzt in Unterfranken den Spessart in nordöstlicher Richtung, verläuft weiter nach Norden durch die Rhön. Östlich spricht man ostfränkisch apfel – also Oberdeutsch – und westlich appel, also mitteldeutsch. Nach dieser aufwendigen Arbeit für den Sprachatlas von Unterfranken gab es endlich in Unterfranken „keinen weißen Dialektfleck“ mehr.

Nach diesen Einblicken in die Dialektforschung verschaffte Mundartdichter Conny Albert mit seinem Akkordeon den Zuhörern eine Pause mit seinem Lied „Hast Du schon amal nochgedacht?“, welches er in schönstem hiesigen Dialekt vortrug.

Fränggisch gredd!!

Danach ging es darum, in Dialekträtseln die Vielfalt der Dialekte in Unterfranken und ihre Unterschiede aufzuzeigen. Die Referentin präsentierte, wie sich die appel-apfel-Linie in der Praxis darstellt. Nach einer Quizfrage zu dem Dialektwort schdumb, einer Aussprachevariante aus Ruppertshütten, wurde eine Lautkarte mit den verschiedenen mundartlichen Bezeichnungen für „Pfanne, Apfel, Strumpf“ vorgestellt und erläutert.

Eine andere Quizfrage war: Was bedeutet stüret? Als Antwortmöglichkeiten gab es A: wählerisch beim Fressen, B: dickköpfig und C: neugierig. Die Zuhörer waren verblüfft, wie variantenreich die Bezeichnungen für „wählerisch beim Fressen“ sind: von schnäkig im Westen über schnäubet und schnippisch bis heikel und herrisch im Osten. Die Atlaskarten aus den Dialekträtseln mit Wortbeispielen hat vermutlich jeder Anwesende zunächst überprüft, ob er das Wort in seiner Heimatregion kennt, heißt es weiter.

Überraschend war, dass die Anwesenden auch die Dialektwörter aus den Nachbarregionen oft richtig zuordneten, obwohl diese teilweise schon stark vom heimischen Ausdruck abwichen. Der Quark heißt in Hammelburg Matte und in der Ochsenfurter Region Biebeleskaas. Für Zuckerbonbons gibt es hier Gutsle, Leckerle und Zückerle, aber ausschließlich in der Schweinfurter Gegend Bombom. Mit dabei war auch die Frage nach der Bedeutung von Griiseli, eines von dreizehn erhobenen Mundartwörtern für den Schnittlauch, weitere sind beispielsweise Friislaab, Grooseling oder Süri.

An vielen Stellen im Vortrag erwähnte die Forscherin die „Sprachökonomie“ der Franken, soll heißen, dass sie den Sprachaufwand auf das Nötigste reduzieren, was sich nicht nur im Weglassen verschiedener Endungen niederschlägt. Es gilt auch bei der Mehrzahlbildung, wenn teilweise nur Umlaute (Baam – Bömm) genutzt werden statt im Hochdeutschen mit Endung -e die Mehrzahl zu kennzeichnen (Baum – Bäume) – solche Besonderheiten werden im Atlasband zur Formenbildung ausführlich dargestellt, so die Sprachforscherin .

Zusammen mit der Stadtbibliothek wird das Volkshochschul-Büro im Bürgerhaus in Kürze zwei Lesungen geben: am 29. April „Rückkehr nach Rottendorf“ und am 24. Juni „Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen“. red

 
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