Seit drei Wochen zieht ein rund 20 Meter breites und rund acht Meter hohes Banner am Gerüst des Gebäudes Marktplatz 9 die Blicke der Passanten auf sich.
„Herr Bürgermeister, verehrter Stadtrat – es gibt viel zu tun, packen wir es an … vielleicht irgendwann“ ist darauf zu lesen. Darunter sind in einem Zeitstrahl Eckpunkte der bisherigen Planung aufgelistet.
Eigentümerin meldet sich erstmals zu Wort
Aufhängen lassen hat das Banner die Eigentümergesellschaft HWT Invest Aktiengesellschaft, Nachfolgegesellschaft der Bank Schilling AG, mit dem gebürtigen Hammelburger Dr. Hubert-Ralph Schmitt an der Spitze.
Auf Nachfrage äußert sich nun die Gesellschaft erstmals zum Verfahren.
Ausweichquartier für Apotheke gesucht
„Für das Gebäude ist vom LGA (Landesgewerbeanstalt Bayern Prüfamt für Standsicherheit) eine Nutzungsuntersagung erlassen worden“, teilt Thomas Ulsamer mit. Ulsamer sitzt mit Dr. Schmitt im Vorstand der HWT Invest AG.
Die Eigentümerin habe „Maßnahmen getroffen, um eine Gefährdung von Menschen auszuschließen“. Das Gebäude ist mittlerweile ungenutzt, zuletzt vermittelte die HWT Invest AG ein Ausweichquartier für die Einhorn-Apotheke.
Zusatz mit Gestaltungsvorschlag
Unter dem großen Banner hat die Gesellschaft mittlerweile ein kleineres mit einem Gestaltungsvorschlag angebracht. Stadtrat und Landratsamt hatten vor zwei Jahren einen Antrag zum Neubau eines Gebäudes mit vier Vollgeschossen abgelehnt. Aktuell hat das Gebäude drei Vollgeschosse, die Gestaltungssatzung der Stadt Hammelburg lässt rund um den Marktplatz auch nicht mehr zu.
„Unser Neubauvorschlag lehnt sich an die Nachbarbebauung an und greift die Stockwerkseinteilung des linken Nachbargebäudes (Stadtcafé) auf“, betont Thomas Ulsamer und verweist auf Barrierefreiheit und Schaffung von Wohnraum im Stadtkern. Ein Neubau mit niedrigeren Geschossen sei energetisch effizienter.
Brief an sämtliche Stadträte
Bürgermeister Armin Warmuth und sämtliche Stadträte haben zudem Post von HWT Invest bekommen: Darin wird vor allem eine einvernehmliche Lösung gefordert, um ein „Klageverfahren mit ungewissem Ausgang und mehrjähriger Verfahrensdauer“ zu vermeiden.
Dr. Hubert-Ralph Schmitt hofft demnach, dass die „Angelegenheit, die aufgrund ihrer langen Dauer und der damit verbundenen Kosten sehr emotionalisiert ist, zeitnah zu einem Genehmigungsverfahren führen könnte“.
Bauherrin spricht von „existenziellen Schäden“
In dem Schreiben wird auf „existenzielle Schäden“ am Gebäude verwiesen. Wörtlich heißt es: „Diese Schäden sind nicht reparabel.“ Das Gebäude sei deshalb einsturzgefährdet.
Dem Schreiben an die Stadträte liegt ebenfalls der Entwurf mit Mansarddach bei, verbunden mit der Frage, ob dieser Vorschlag im Stadtrat diskutiert wurde.
Informationen in der Stadtratssitzung
Bürgermeister Warmuth kündigte an, in der Stadtratssitzung am Mittwoch, 13. Dezember, ausführlich über das Gebäude Marktplatz 9 zu informieren. Rechtliche Handhabe gegen das Banner und dessen Inhalt scheint die Stadt nicht zu haben.
Geprüft wird derzeit, ob das Banner ein Sicherheitsrisiko darstellt: „Hinsichtlich des neu angebrachten Banners wurde der Bauherr bereits angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die Standsicherheit des Gerüsts auch trotz des angebrachten Banners und der möglichen Gefahr bei Wind gewährleistet sein muss“, teilt das Landratsamt Bad Kissingen mit.
Schutzgerüst, das keine Lasten aufnehmen muss
Die Behörde habe eine regelmäßige Räumung des Daches mittels Hubkran oder Gerüst sowie eine Absperrung des Gehwegs gefordert. „Das Gerüst war also nicht dazu gedacht, selbst den Schnee unmittelbar abzufangen“, heißt es aus Bad Kissingen.
Das Transparent müsse als „Teil der Baustelleneinrichtung“ nicht baurechtlich genehmigt werden. Und: „Zu dem Genehmigungsverfahren gibt es keinen neuen Stand.“
Teil des Ensembles Marktplatz
Das Apothekerhaus ist laut dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) Bestandteil des Ensembles Marktplatz Hammelburg . Das Gebäude sei stadtbildprägend und aus denkmalfachlicher Sicht ein unverzichtbarer Bestandteil des Ensembles.
„Der Erhalt des Gebäudes in seiner ortsbild- und ensembleprägenden Substanz liegt im Interesse der Allgemeinheit.“ Dies würden auch die Stellungnahmen des Stadtrats und des Sanierungsbeirats der Stadt Hammelburg unterstreichen.
Behörde fordert Gutachten
Zur Begründung eines Abbruchs seien deshalb Gutachten und Untersuchungen notwendig. „Diese liegen bislang nicht vor“, teilt das BLfD auf Nachfrage mit, und: „Eine Voruntersuchung oder Machbarkeitsstudie zum Erhalt und zur intensiveren Nutzung des Gebäudes sowie des großen Grundstücks unter Wahrung der Aspekte des Ensembleschutzes wäre förderfähig.“
Denkbar sei ein Kompromiss, „der einerseits die äußere, stadtbildprägende Gestalt des Gebäudes schützt und die vom Eigentümer gewünschten zusätzlichen Flächen auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks realisiert“. Zudem stellt das Landesamt klar: „Denkmalschutz heißt nicht, dass ein Gebäude so bleiben muss, wie es ist, und nicht mehr verändert werden darf. Es ist sogar wünschenswert, dass Baudenkmäler genutzt werden.“
Kritik aus dem Sanierungsbeirat
Sauer über das Banner ist Christiane Schmid, die dem Sanierungsbeirat der Stadt Hammelburg angehört. „Wir haben in Hammelburg nur zwei kleine Gebiete mit Ensembleschutz, den Marktplatz und einen Abschnitt der Bahnhofstraße“, sagt die geschichtsinteressierte Hammelburgerin.
Andere Kommunen in dieser Größe hätten deutlich mehr geschützte Gebäude. Das liege vor allem an der Zerstörung durch den Stadtbrand im Jahr 1854.
„Es geht halt nur ums Geld“
Die Begründung für den Abriss hält Schmid für einen Vorwand. „Es geht halt nur ums Geld“, sagt die Sanierungsbeirätin und befürchtet einen Präzedenzfall. Die HWT Invest AG als Immobiliengesellschaft und Vorstand Hubert-Ralph Schmitt als gebürtiger Hammelburger habe beim Kauf des Gebäudes genau gewusst, worauf sie sich einlassen und dass viergeschossige Neubauten dort verboten sind.
Schmid sieht das Banner und das Vorgehen des Bauherren als Erpressungsversuch.
Stadtrat und Sanierungsbeirat sind der historischen Wahrheit verpflichtet und sollten der Öffentlichkeit nicht weiterhin vormachen, dass das heutige Aussehen des Apothekenhauses Baugeschichte des 19. Jahrhunderts sei, was der historischen Faktenlage schlicht und einfach nicht entspricht.
In der Nachkriegszeit haben es Bürgermeister und Stadträte versäumt, einen B-Plan für das Marktplatz-Quartier zu erstellen. Der Kompromissvorschlag des jetzigen Bauherrn sollte deshalb angenommen werden, denn es besteht Baurecht auf vier Geschosse.