Das Marinekurlazarett in der Kurhausstraße 11 fällt nicht sofort ins Auge. Das Gebäude thront, etwas zurückgesetzt, auf einer Anhöhe. Imposant ist es wegen seiner Größe, aber auch wegen der Schönheit, denn der Jugendstil-Bau erinnert eindrucksvoll an die Blütezeit des Bad Kissinger Kurbetriebs Anfang des 20. Jahrhunderts.
Bereits seit Ende der 1990er Jahre wird das Haus nicht mehr genutzt. Man sieht, dass die Jahrzehnte des Leerstands für die Bausubstanz nicht förderlich waren. Seit 2023 ist das Gebäude, das der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg gehört, in der Denkmalbörse des Landesamts für Denkmalpflege (LfD) gelistet. Wie kam's und was gibt's Neues zu diesem altehrwürdigen Haus?
Was war in dem markanten Bau in rund 100 Jahren alles beheimatet?
Der markante dreigeschossige Bau wurde 1905 vom Würzburger Architekten Anton Eckert als Kurhotel errichtet. Später war dort das Kurheim Buchenhof zu finden. 1940 ging das Haus mit dem mächtigen Mansardwalmdach in den Besitz der Marineverwaltung in Berlin über und wurde als Marinekurlazarett genutzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Liegenschaft ab 1946 der amerikanischen Besatzungsmacht als Hotel und Unterkunft für die in der Region stationierten Offiziere und Soldaten.
Was plante die DRV Baden-Württemberg ab 1998 im Marinekurlazarett?
1998 erwarb die DRV Baden-Württemberg das Gebäude mit den Rundbögen im Stil der Neoromantik. Sie unterhält nämlich in der Nachbarschaft die Reha-Klinik "Am Kurpark" und beabsichtigte seinerzeit, das Gebäude für Klinikzwecke zu nutzen.
Anfangs war ein Bettenhaus im Gespräch, 2013 ging’s um die Schaffung neuer Therapieräume für die Onkologie. Doch aus all dem wurde nichts. Gleich zwei Mal, 2008 und 2018, hatte die DRV Baden-Württemberg bei der Stadt den Abriss des Gebäudes beantragt – und war damit gescheitert.
Die DRV argumentierte damals, die alte Bausubstanz lasse zu wünschen übrig, man müsse neu bauen. Stadt Bad Kissingen und Landesamt für Denkmalpflege sahen das anders. Dann stand das Gebäude weiterhin leer.
Warum will der Eigentümer den Jugendstilbau in der eigenen Nachbarschaft veräußern?
"Das Marinekurlazarett für eine Erweiterung der Klinik am Kurpark zu nutzen, hat sich aus verschiedenen Gründen nicht realisieren lassen", teilt die DRV Baden-Württemberg jetzt auf Anfrage dieser Redaktion mit.
Seit 8. Februar 2023 ist der Jugendstilbau in der Denkmalbörse gelistet, heißt es weiter. Ob und wie viele Interessenten oder Interessentinnen sich bislang gemeldet haben, lässt die Pressestelle offen: "Wir bitten um Verständnis, dass wir im Hinblick auf unserer laufenden Vermarktungsbemühungen zum aktuellen Stand keine Auskünfte geben können."
Ob ein solches Objekt schwer zu verkaufen sei, beantwortet die DRV Baden-Württemberg so: "Das Marinekurlazarett ist - aufgrund seiner Lage inmitten eines Klinikgeländes - ein sehr individuelles Objekt, weshalb hierbei nur sehr eingeschränkt auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann."
Wie schätzt das Landesamt für Denkmalpflege den Zustand des Gebäudes ein?
Die Stadt Bad Kissingen und das Landesamt für Denkmalpflege bemühen sich seit Jahrzehnten, dem Baudenkmal eine gute Zukunft mit neuer Nutzung zu ermöglichen, heißt es vonseiten der LfD-Pressestelle. "Die Bereitschaft zum Verkauf durch die aktuellen Eigentümer ist ein wichtiger erster Schritt, eine neue und gute Nutzung für das Baudenkmal zu finden."
Ist das Marinekurlazarett also nach wie vor erhaltenswert? Es könne vorkommen, dass ein Denkmal so schwer geschädigt ist, dass es im Rahmen einer Sanierung in wesentlichen Teilen erneuert werden muss, schreibt das LfD in seiner Pressemitteilung. Würde dabei so viel historische Substanz verloren gehen, dass es seine Denkmaleigenschaft verlöre, würde es aus der Denkmalliste gestrichen werden.
Solche stark eingreifenden Veränderungen oder Beschädigungen seien allerdings beim Marinekurlazarett derzeit nicht zu erkennen, so das LfD weiter. "Das Gebäude ist sowohl außen als innen ein gut erhaltenes Beispiel eines mittelgroßen Sanatoriumsbaus mit anspruchsvoller, dem damaligen Weltbad entsprechender, Architektursprache."
Zudem lege man, gerade im Zusammenhang mit dem Unesco-Titel der Stadt, in Bad Kissingen großen Wert auf die Erhaltung der historischen Kurbauten, von denen das sogenannte Marinekurlarzarett ein wichtiges Beispiel sei, schreibt das LfD.
Was plant die Stadt Bad Kissingen, um die Bausubstanz in der Innenstadt zu erhalten?
Seit 2021, als die Stadt von der Unesco mit dem Welterbe-Titel geadelt wurde, zählt sie zu den bedeutenden Kurstädten Europas. Doch Adel verpflichtet bekanntlich. Der Schatz an eigenen Kulturgütern muss gepflegt werden.
Leicht ist das nicht in einer traditionellen Kurstadt mit sehr viel erhaltungswürdiger öffentlicher, aber auch privater Bausubstanz. Vonseiten des Rathauses ist man nicht erst seit der Verleihung des Welterbe-Titels bemüht, mit zukunftsweisenden Planungen die Innenstadt baulich und gestalterisch für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen. Man denke vor allem an die Ausweisung des Sanierungsgebiets Altstadt und dessen Erweiterung 2018 und 2019.
Seit einiger Zeit bereitet man die Ausweisung des Sanierungsgebiets Kur vor, zu dem öffentliche, aber auch private Bauten wie das Marinekurlazarett zählen. Der Beschluss hierzu ist vorhanden, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion aus der Pressestelle des Rathauses. Das Vorhaben soll noch in diesem Jahr öffentlich bekannt gemacht werden.
Verpflichtet Denkmalschutz auch Privatleute zum Erhalt historischer Substanz?
Die Eigentümer von Baudenkmälern haben ihre Gebäude "in Stand zu halten, in Stand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen", heißt es im Bayerischen Denkmalschutzgesetz. Dazu können sie unter bestimmten Voraussetzungen sogar verpflichtet werden, ist dort nachzulesen.
"Denkmalschutz verpflichtet zum Erhalt", heißt es hierzu auch aus dem Rathaus. Und: "Welterbe bedeutet prinzipiell auch Verantwortung dafür, unser Erbe an die nächsten Generationen weiterzugeben." Das funktioniere jedoch nur "Hand in Hand mit den Eigentümerinnen und Eigentümern."
Die Stadt bemüht sich schon länger, im Zug der Sanierungsgebiete zur Altstadt Wege aufzuzeigen, wie Privatbesitzer und -besitzerinnen von finanziellen Anreizen Gebrauch machen könnten. In einer städtischen Broschüre heißt es hierzu, dass man, wenn man die eigene Liegenschaft im Sanierungsgebiet herrichten will, unter gewissen Voraussetzungen mit steuerlichen Abschreibungen rechnen könne. Zudem gebe es in Einzelfällen Mittel aus dem Kommunalen Förderprogramm der Stadt.
Momentan gelte dies aber nur für das Sanierungsgebiet Altstadt und dessen Erweiterung. Erst wenn das neue Sanierungsgebiet Kur bekannt gemacht wurde, kämen solche Förderungsmöglichkeiten auch für dortige Privatbesitzerinnen und -besitzer von Gebäuden in Betracht.