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Bad Kissingen
Margot Käßmann: Kinder mit Ängsten nicht allein lassen
Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, hat zum 30-jährigen Bestehen des Kissinger Hospizvereins im Littmann-Saal gesprochen.
Der Vorsitzende des Hospizvereins Bad Kissingen, Reinhard Höhn, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk und Sabine Dittmar, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsminis...       -  Der Vorsitzende des Hospizvereins Bad Kissingen, Reinhard Höhn, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk und Sabine Dittmar, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium und Schirmherrin der Veranstaltung, vor dem Regentenbau
Foto: Klaus Werner | Der Vorsitzende des Hospizvereins Bad Kissingen, Reinhard Höhn, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk und Sabine Dittmar, ...
Klaus Werner
 |  aktualisiert: 13.03.2024 10:00 Uhr

Das 30-jährige Bestehen ist für einen Verein normalerweise kein besonderes Jubiläum, aber für den Hospizverein Bad Kissingen kamen besondere Ehrengäste eigens in die Kurstadt: Schirmherrin Sabine Dittmar (MdB) und Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann . Rund 400 Besucherinnen und Besucher lockte die ehemalige Ratsvorsitzende des Evangelischen Kirche in Deutschland in den Max-Littmann-Saal des Regentenbaus. Für die musikalische Umrahmung sorgten KMD Jörg Wöltche und Carola Kroczek.

Info-Stände im Foyer des Regentenbaus       -  Info-Stände im Foyer des Regentenbaus
Foto: Klaus Werner | Info-Stände im Foyer des Regentenbaus

„Dankbar und mit Freude können wir zurückschauen auf eine Erfolgsgeschichte“, sagte Vorsitzender Dr. Reinhard Höhn in seiner Begrüßung und nannte dafür sogleich die entscheidenden Faktoren: Menschen mit Einsatzfreude , Tatendrang, Empathie, Fachwissen und Durchhaltevermögen sowie „Mitgestalterinnen und Mitgestalter, die sich auf Wege begeben, die noch nicht geebnet sind“.

Die Arbeit wird zunehmend akzeptiert

Zusammen habe man erreicht, dass Hospiz- und Palliativarbeit in Deutschland zunehmend akzeptiert werde, dass sich die Situation für Sterbende und Angehörige kontinuierlich verbessert habe und dass die letzte Phase eines Lebens würdevoll gestaltet werden kann.

Der Kissinger Hospizverein trage mit 306 Mitgliedern und vor allem durch seine 96 ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und -begleiter in fast allen Ortschaften des Landkreises zur „psychosozialen Unterstützung von Schwerstkranken, Sterbenden und Angehörigen bei“, so Höhn. Zuwendung und Zeit seien die Schlüsselwörter, um Lebensqualität bis zum Lebensende zu erhalten.

Allgemeine Tendenz zur Überalterung verstärkt in der Kurstadt

In Bad Kissingen verstärke sich die allgemeine Tendenz zur Überalterung durch den Zuzug älterer Menschen, so dass die Kernstadt den dritthöchsten Altersdurchschnitt in Bayern habe. „Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der Hospiz- und Palliativarbeit weiter wachsen“, so der Vorsitzende, der seine Wertschätzung für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern betonte: „Sie sind das tragende Element unseres Vereins.“

Auch für Schirmherrin Sabine Dittmar sind die Hospizbegleiterinnen und -begleiter das Herzstück eines Vereins. In Deutschland gebe es 120.000 Ehrenamtliche, die „Aufmerksamkeit und Zeit“ den Sterbenden und Trauernden widmen – „viele, aber noch zu wenig“, so ihre Einschätzung. Auch müsse die Palette breiter werden, denn auf sechs Frauen komme nur ein Mann. Außerdem seien die meisten Ehrenamtlichen schon älter als 50 Jahre.

Als Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium streifte sie die gesetzlichen Weichenstellungen für die Palliativ- und Hospizarbeit als flächendeckende Hilfe im stationären und ambulanten Bereich. Bei allen staatlichen Maßnahmen blieben aber die Ehrenamtlichen die Basis in der Begleitung von sterbenden und trauernden Menschen „und werden es auch bleiben“.

Vertrauen in der Phase der Angst

In den Grußworten, gesprochen von Oberbürgermeister Dr. Dirk Vogel, vom bayrischen Innenstaatssekretär Sandro Kirchner , unterfränkischen Bezirkstagspräsident Stefan Funk und stellvertretenden Landrat Emil Müller , drückten einerseits alle dem Verein ihre Wertschätzung für die Begleitung von Menschen in der letzten Lebensphase aus. Andererseits wurde das Ehrenamt als „Grundpfeiler der Bürgergesellschaft“, so Stefan Funk , gewürdigt, wodurch gerade die Schwerstkranken, Sterbenden und Trauernden „Zuversicht, Vertrauen und Festigkeit in einer Phase der Unsicherheit und Ängste erfahren“, erklärte Emil Müller .

„Dass man lebt, ist Zufall, dass man stirbt, ist gewiss“ – mit Immanuel Kants Worten bereitete Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk die Gäste auf die Festrednerin vor. Der Gewissheit des Todes könne sich niemand entziehen, und trotzdem sei diese Erkenntnis ein Tabuthema der Neuzeit. Die Hospiz- und Palliativarbeit habe den Deckmantel des Schweigens über „Sterben, Tod und Neuanfang“ gelüftet, habe durch kompetente Begleitung geholfen, und trotzdem bleibe es eine emotionale Herausforderung, dem Menschen am Lebensende beizustehen.

Sicht auf die traumatischen Erlebnisse von Kindern

Eine Herausforderung sei auch das Thema „ Kinder und der Tod“ – der Schwerpunkt des Vortrags von Margot Käßmann . Beispielhaft, bildhaft, versiert und empathisch schilderte die evangelische Theologin ihre Sicht auf die traumatischen Erlebnisse von Kindern , wenn ein Elternteil, ein naher Verwandter stirbt.

Margot Käßmann beim Vortrag       -  Margot Käßmann beim Vortrag
Foto: Klaus Werner | Margot Käßmann beim Vortrag

Nicht darüber sprechen, die Kinder von der Beerdigung ausschließen, sie mit ihren Ängsten und Nöten alleine zu lassen, sei der falsche Weg: „Je mehr etwas verschwiegen wird, desto mehr Macht erhält es.“

Tabuzonen öffnen

Man müsse für Kinder Räume finden, in denen sie geschützt und frei über ihre Gefühle, ihre Verlustängste reden können, man sollte ihnen Tabuzonen öffnen, die den Kindern Sterben und Tod als etwas Normales zeigen.

Letzteres verband Dr. Margot Käßmann mit ihren Erinnerungen an die Friedhofsbesuche ihrer Kindheit, wo Namen und Daten erinnern und der Friedhof als „Ort unserer Kultur und des Trauerns“ wahrgenommen wurde. Gleiches gelte für die Trauerfeier , „bei der Kinder Rituale wie den dreifachen Erdwurf kennenlernen, dass Beileid ausgesprochen und beim Leichenschmaus auch mal gelacht wird“.

Eine Feier, „weil jemand gelebt hat“

Eine Trauerfeier sei für sie eine Feier, „weil jemand gelebt, weil er etwas Tolles erlebt hat“, und man sollte hierfür kindgerechte Rituale finden, auf ihre Ideen eingehen, sie zu Abschiedsbriefen oder -bildern ermutigen und damit die Erinnerungen an den verstorbenen Menschen wachhalten, denn „die Liebe zu den Menschen ist das Band über den Tod hinaus“.

Gerade die Erinnerungen seien mit Geschichten verbunden, die mit der Aufforderung „Erzähl mal!“ einhergehen und zum Zuhören, zum Beantworten von Fragen und zu einer anderen Wahrnehmung verpflichten: „ Kinder sind keine Objekte, denen wir etwas erklären. Wir müssen Kinder als Subjekte wahrnehmen, von denen wir lernen können.“

Lebenszeit sinnvoll gestalten – Margot Käßmann im Gespräch

Nicht zum ersten Mal weilte Margot Käßmann in Bad Kissingen , aber die Erinnerungen an die Kurstadt mussten an einem sonnigen Frühlingstag wieder aufgefrischt werden. Die einst im öffentlichen Bewusstsein sehr präsente evangelische Theologin hat mittlerweile ihre Schwerpunkte auf Vorträge, Predigten und Lesungen verlegt sowie auf das Verfassen von Büchern.

Einerseits sind es Sachbücher, deren Themen sie mit autobiografischem Interesse auswählt, die mit biblischen Überlieferungen verbunden sind und damit den christlichen Glauben als alltagstauglich erweisen, wie sie am Rande des Festprogramms zum 30-jährigen Bestehen des Kissinger Hospizvereins dieser Redaktion erklärte. So entstand ihr neuestes Buch „Kostbare Zeit – Das Buch für Großeltern“ aus der Tatsache heraus, dass bundesweit über 20 Millionen Menschen als Großeltern wertvolle Hilfen im Alltag sind, aber auch mit Fragen zur Einmischung, zur eigenen Rolle konfrontiert werden. 

Ein weiterer schriftstellerischer Schwerpunkt sind für Margot Käßmann Kinderbücher, in denen die biblischen Geschichten durch Text und Bild nähergebracht werden, „denn diese gehören zu unserem Kulturkreis“, wie sie sagte. Nicht nur in den Büchern und Vorträgen von Margot Käßmann tritt ihr christliches Menschenbild zu Tage. Ihr Rat: Das Leben ist ein Geschenk und diese Lebenzeit soll man sinnvoll ausfüllen sowie als „Abschnitt auf dem Weg zu Gott“ erkennen.

Festgottesdienst in der Erlöserkirche

Dem Menschen nahe sein, den Menschen mit Gottvertrauen Hoffnung geben – das ist ein Unterfangen, das gerade in unserer krisengeschüttelten Zeit schwierig ist. Aber genau das gelang Margot Käßmann mit ihrer sehr persönlichen Predigt beim Festgottesdienst in der Bad Kissinger Erlöserkirche. 

Margot Käßmann und die evangelische Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk in der Erlöserkirche von Bad Kissingen.       -  Margot Käßmann und die evangelische Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk in der Erlöserkirche von Bad Kissingen.
Foto: Klaus Werner | Margot Käßmann und die evangelische Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk in der Erlöserkirche von Bad Kissingen.

Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland entpuppte sich nicht nur als Besuchermagnet und sorgte somit dichtes Gedränge in der Kirche. Darüber hinaus war sie Teil des Gottesdienstes zum Sonntag Lätare, der von Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk geleitet und vom Kammerorchester Bad Kissingen mit Dirigent Jörg Wöltche musikalisch ausgestaltet wurde.

Zuversicht durch Osterfest

Für Pfarrerin Barraud-Volk erlaubt dieser, als „Klein Ostern“ genannte Sonntag einen Ausblick auf die österliche Auferstehung Christi und deshalb sei „Freue Dich“ als Übersetzung der sonntäglichen Bezeichnung „Lätare“ in der Passionszeit passend. 

Diese theologische Erklärung nutzte Margot Käßmann für ihre aufmunternde Predigt über Jesaja 54,7-10. „Werft euer Vertrauen nicht weg!“ –  dies sei angesichts der Horrorszenen in der Welt eine Herausforderung, so Margot Käßmann. Ukrainekrieg, Hamas-Terror, Gaza-Katastrophe und viele weitere Konfliktherde in der Welt, aber auch Hass und Rassismus in den Staaten prägen das aktuelle Bild und lassen die Frage aufkommen: „Hat uns Gott verlassen?“ 

Nach dem Gottesdienst im Gespräch mit Kirchengängern       -  Nach dem Gottesdienst im Gespräch mit Kirchengängern
Foto: Klaus Werner | Nach dem Gottesdienst im Gespräch mit Kirchengängern

Diesem Gefühl stellte die evangelische Theologin Jesajas Hoffnungstext aus dem Alten Testament als Symbol für den Bund Gottes mit dem Menschen entgegen. Hass und Hetze, Greueltaten und irrationales Handeln bringe unermessliches Leid und zeige: „Wir leben in einer gnadenlosen Gesellschaft.“ 

Die Stimme erheben

Gleichzeitig habe die Geschichte aber immer gezeigt, dass Gott sich nicht abwende, dass Gott gnädig auf den Menschen schaue und dass mit Gottvertrauen auch schwierige Zeiten überwunden worden sind. Margot Käßmann appellierte an die Gesellschaft, an jeden einzelnen, die Stimme gegen Hass und Rassismus zu erheben, auf Frieden zu drängen, barmherzig und gnädig zu sein.

Es sei ihre christliche Überzeugung, dass nur mit Gottvertrauen Wege in eine bessere Zukunft möglich seien. Dazu schilderte sie sehr persönliche Erlebnisse und Erfahrungen.

 

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