Hammelburg
Manuela Rottmann im Gespräch
Die ersten Monate als Abgeordnete waren für Manuela Rottmann eine turbulente Zeit - ein Gespräch über Überraschungen, Stadt und Land und den Sommer.
Mit Manuela Rottmann hat Hammelburg seit Herbst 2017 wieder eine Abgeordnete im Bundestag in Berlin. Die Stadt verfügt damit über eine Vertreterin an prominenter Stelle. Zugleich sind mit Rottmann die Grünen im Stadtbild wieder sichtbar geworden: Im Mai hat die Abgeordnete in bester Einkaufslage ihr Wahlkreisbüro eröffnet.
Frau Rottmann, sind Sie froh, dass Sie jetzt Pause vom Berliner Politikbetrieb haben?
Manuela Rottmann: Total. Und für manchen anderen ist es gut, dass er sich jetzt mal abkühlen kann.
Klingt, als wären Sie nach knapp einem Jahr als Bundestagsabgeordnete bereits ernüchtert?
Einiges hätte ich so nicht erwartet, obwohl ich nicht neu in der Politik bin. Ich habe aber immer gedacht, dass der Bundestag viel vorhersehbarer arbeitet. Die ersten Projekte hat die Koalition aber oft schnell und chaotisch durchgepeitscht. Ich hätte auch nicht gedacht, welchen großen Raum Europa einnimmt und wie sehr sich das im Alltag niederschlägt.
Gibt Europa den Takt vor?
Der europäische Kalender läuft in Berlin mit, der Bundestag richtet sich danach. Man schaut immer mit einem Auge auf die nationalen Themen und mit einem nach Brüssel.
Was macht eine Abgeordnete in den Sommerferien?
Wir haben sitzungsfreie Wochen. Ich bin viel unterwegs, mache viele Termine. Auch sonst bin ich in den sitzungsfreien Wochen in ganz Unterfranken unterwegs, weil ich hier die einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen bin. Und auch wenn man mich nicht immer sieht, bin ich viel hier in meinem Büro. Aber ein paar Tage frei mache ich demnächst auch.
Ihr Abgeordnetenbüro in Hammelburg liegt in exponierter Lage und erfährt viel Aufmerksamkeit. Mit welchen Anliegen kommen die Hammelburger zu Ihnen?
Viele Themen betreffen die Kommunalpolitik. Es geht oft darum, die Bürger durch die Strukturen zu lotsen und zu erklären, wer zuständig für ein Thema ist: die Kommune, der Landkreis, der Freistaat oder der Bundestag.
Um bei einer aktuellen, viel diskutierten Frage der Kommunalpolitik zu bleiben: Sind Sie für oder gegen das Bürgerhaus?
Es ist eine Entscheidung, die die Hammelburger treffen. Ich bin nicht so tief in der Materie drin wie der Stadtrat. Dessen Sachkenntnis verdient Respekt. Wichtig ist mir, dass nicht dramatisiert wird, wenn es zu einem Bürgerentscheid kommt. Der Marktplatz ist ein wichtiger Ort. Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Bürger da mitreden wollen.
Konnten Sie schon Anliegen nach Berlin mitnehmen?
Die Gesundheitsversorgung beschäftigt mich sehr. Hier steht zum Beispiel die Grundsatzentscheidung an, wie Notfallambulanzen finanziert werden. Wenn Notaufnahmen wie in Hammelburg bestimmte Vorgaben nicht erfüllen, werden sie wegfallen. Was würde das für Ärzte und den Rettungsdienst bedeuten? Viele Details sind noch nicht bekannt.
Wird man als Abgeordnete vom Land anders betrachtet?
Nein, aber den Unterschied zwischen Abgeordneten aus der Stadt und Abgeordneten aus dem ländlichen Raum merkt man deutlich. Meine Problemwahrnehmung ist anders. Würde ich nur in der Berliner Blase leben, hätte ich einen verzerrten Blick. Die Bevölkerung hier bei uns beschäftigt nicht unbedingt das, was in der Süddeutschen auf Seite 2 steht. Ich hole zum Beispiel gezielt Kollegen hierher und fahre mit ihnen durch den Wahlkreis, damit ihnen schon allein die Distanzen hier in der Region bewusst werden. Und ich nehme aus den Gesprächen vor Ort mit, was in Berlin auf die Tagesordnung muss.
Dabei haben Heimat und ländlicher Raum derzeit doch Hochkonjunktur.
In der Rhetorik, ja. Über die reinen Überschriften sind wir derzeit jedoch noch nicht hinausgekommen. Es gibt ein Heimatministerium, aber zum ländlichen Raum fällt den Meisten nicht viel mehr ein als Digitalisierung. Zu allem anderen ist nichts zu hören. Der ländliche Raum muss sich stärker selbst zu Wort melden. Wir alle sollten uns in der Region zusammensetzen und überlegen: Was wollen wir, was wollen wir nicht - ohne zuerst auf irgendwelche Fördermittel zu schauen.
Auch als Mitglied im Petitionsausschuss erfahren Sie, was die Bürger bewegt. Womit wenden diese sich an das Gremium?
Der Petitionsausschuss ist total interessant. Nur dort werden die persönlichen Anliegen einzelner Bürger aufgerufen: "Wir verhandeln das Anliegen des Herrn Soundso aus Soundso...". Manche Petitionen sind skurril, zum Beispiel, dass Deutschland in der UN-Vollversammlung Donald Trump aus dem Amt entfernen lassen soll. Das Meiste aber dreht sich um echte Sorgen: von Rentenfragen bis zum Familiennachzug. Aber der Petitionsausschuss muss sein Verfahren modernisieren. Ich würde eine Reform unterstützen.
Was wünschen Sie sich für die Zeit nach der Sitzungspause?
Ich bedauere, dass die CSU mit dem Asylstreit alle anderen Themen weggedrängt hat. Damit gibt man leider all denen Recht, die behaupten, über die eigentlichen Probleme werde in der Politik nicht geredet. Ich würde gerne auch über andere Themen sprechen wie Klimaschutz, Verkehr, Gesundheit - gerne auch mit der CSU . Wenn das ab Herbst wieder möglich wäre, wäre das super.
Das Interview führte Arkadius Guzy.
Person Manuela Rottmann ist die einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Unterfranken. Sie vertritt die Landkreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge in Berlin. Rottmann wurde 1972 in Würzburg geboren. Ihr Abitur legte sie am Frobenius-Gymnasium in Hammelburg ab. Vor ihrer Wahl in den Bundestag arbeitete die Juristin unter anderem als Dezernentin für Umwelt und Gesundheit in Frankfurt am Main und danach als juristische Referentin bei der DB Netz AG im Bereich Netzzugangsrecht. Bei der Wahl im September 2017 zog Rottmann als Listenkandidatin für die Grünen in den Bundestag ein. Damit ist sie nach Hans-Josef Fell , der es 2013 nicht mehr ins Parlament schaffte, die zweite Abgeordnete der Partei, die Hammelburg vorweisen kann.
Frau Rottmann, sind Sie froh, dass Sie jetzt Pause vom Berliner Politikbetrieb haben?
Manuela Rottmann: Total. Und für manchen anderen ist es gut, dass er sich jetzt mal abkühlen kann.
Klingt, als wären Sie nach knapp einem Jahr als Bundestagsabgeordnete bereits ernüchtert?
Einiges hätte ich so nicht erwartet, obwohl ich nicht neu in der Politik bin. Ich habe aber immer gedacht, dass der Bundestag viel vorhersehbarer arbeitet. Die ersten Projekte hat die Koalition aber oft schnell und chaotisch durchgepeitscht. Ich hätte auch nicht gedacht, welchen großen Raum Europa einnimmt und wie sehr sich das im Alltag niederschlägt.
Gibt Europa den Takt vor?
Der europäische Kalender läuft in Berlin mit, der Bundestag richtet sich danach. Man schaut immer mit einem Auge auf die nationalen Themen und mit einem nach Brüssel.
Was macht eine Abgeordnete in den Sommerferien?
Wir haben sitzungsfreie Wochen. Ich bin viel unterwegs, mache viele Termine. Auch sonst bin ich in den sitzungsfreien Wochen in ganz Unterfranken unterwegs, weil ich hier die einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen bin. Und auch wenn man mich nicht immer sieht, bin ich viel hier in meinem Büro. Aber ein paar Tage frei mache ich demnächst auch.
Ihr Abgeordnetenbüro in Hammelburg liegt in exponierter Lage und erfährt viel Aufmerksamkeit. Mit welchen Anliegen kommen die Hammelburger zu Ihnen?
Viele Themen betreffen die Kommunalpolitik. Es geht oft darum, die Bürger durch die Strukturen zu lotsen und zu erklären, wer zuständig für ein Thema ist: die Kommune, der Landkreis, der Freistaat oder der Bundestag.
Um bei einer aktuellen, viel diskutierten Frage der Kommunalpolitik zu bleiben: Sind Sie für oder gegen das Bürgerhaus?
Es ist eine Entscheidung, die die Hammelburger treffen. Ich bin nicht so tief in der Materie drin wie der Stadtrat. Dessen Sachkenntnis verdient Respekt. Wichtig ist mir, dass nicht dramatisiert wird, wenn es zu einem Bürgerentscheid kommt. Der Marktplatz ist ein wichtiger Ort. Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Bürger da mitreden wollen.
Konnten Sie schon Anliegen nach Berlin mitnehmen?
Die Gesundheitsversorgung beschäftigt mich sehr. Hier steht zum Beispiel die Grundsatzentscheidung an, wie Notfallambulanzen finanziert werden. Wenn Notaufnahmen wie in Hammelburg bestimmte Vorgaben nicht erfüllen, werden sie wegfallen. Was würde das für Ärzte und den Rettungsdienst bedeuten? Viele Details sind noch nicht bekannt.
Wird man als Abgeordnete vom Land anders betrachtet?
Nein, aber den Unterschied zwischen Abgeordneten aus der Stadt und Abgeordneten aus dem ländlichen Raum merkt man deutlich. Meine Problemwahrnehmung ist anders. Würde ich nur in der Berliner Blase leben, hätte ich einen verzerrten Blick. Die Bevölkerung hier bei uns beschäftigt nicht unbedingt das, was in der Süddeutschen auf Seite 2 steht. Ich hole zum Beispiel gezielt Kollegen hierher und fahre mit ihnen durch den Wahlkreis, damit ihnen schon allein die Distanzen hier in der Region bewusst werden. Und ich nehme aus den Gesprächen vor Ort mit, was in Berlin auf die Tagesordnung muss.
Dabei haben Heimat und ländlicher Raum derzeit doch Hochkonjunktur.
In der Rhetorik, ja. Über die reinen Überschriften sind wir derzeit jedoch noch nicht hinausgekommen. Es gibt ein Heimatministerium, aber zum ländlichen Raum fällt den Meisten nicht viel mehr ein als Digitalisierung. Zu allem anderen ist nichts zu hören. Der ländliche Raum muss sich stärker selbst zu Wort melden. Wir alle sollten uns in der Region zusammensetzen und überlegen: Was wollen wir, was wollen wir nicht - ohne zuerst auf irgendwelche Fördermittel zu schauen.
Auch als Mitglied im Petitionsausschuss erfahren Sie, was die Bürger bewegt. Womit wenden diese sich an das Gremium?
Der Petitionsausschuss ist total interessant. Nur dort werden die persönlichen Anliegen einzelner Bürger aufgerufen: "Wir verhandeln das Anliegen des Herrn Soundso aus Soundso...". Manche Petitionen sind skurril, zum Beispiel, dass Deutschland in der UN-Vollversammlung Donald Trump aus dem Amt entfernen lassen soll. Das Meiste aber dreht sich um echte Sorgen: von Rentenfragen bis zum Familiennachzug. Aber der Petitionsausschuss muss sein Verfahren modernisieren. Ich würde eine Reform unterstützen.
Was wünschen Sie sich für die Zeit nach der Sitzungspause?
Ich bedauere, dass die CSU mit dem Asylstreit alle anderen Themen weggedrängt hat. Damit gibt man leider all denen Recht, die behaupten, über die eigentlichen Probleme werde in der Politik nicht geredet. Ich würde gerne auch über andere Themen sprechen wie Klimaschutz, Verkehr, Gesundheit - gerne auch mit der CSU . Wenn das ab Herbst wieder möglich wäre, wäre das super.
Das Interview führte Arkadius Guzy.
Person Manuela Rottmann ist die einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Unterfranken. Sie vertritt die Landkreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge in Berlin. Rottmann wurde 1972 in Würzburg geboren. Ihr Abitur legte sie am Frobenius-Gymnasium in Hammelburg ab. Vor ihrer Wahl in den Bundestag arbeitete die Juristin unter anderem als Dezernentin für Umwelt und Gesundheit in Frankfurt am Main und danach als juristische Referentin bei der DB Netz AG im Bereich Netzzugangsrecht. Bei der Wahl im September 2017 zog Rottmann als Listenkandidatin für die Grünen in den Bundestag ein. Damit ist sie nach Hans-Josef Fell , der es 2013 nicht mehr ins Parlament schaffte, die zweite Abgeordnete der Partei, die Hammelburg vorweisen kann.
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