
Der 46-Jährige aus Bad Kissingen wohnt bei seinen Eltern. Seit dem Abschluss der Sonderschule arbeitet er in einer betreuten Werkstatt. Wie viel er dort monatlich verdient, will die Richterin am Montag wissen. „So 120 Euro“, sagt er.
Die Befragung ist schwierig. Manchmal antwortet der Beschuldigte kurz und ist nur schwer zu verstehen, dann nickt er oder schüttelt den Kopf. Mehrmals reagiert er auch gar nicht.
"Nicht nachgedacht"
„Was wollten Sie in diesem Chat ?“, fragt die Vorsitzende. „Darüber habe ich nicht nachgedacht.“ War er seit den Taten in psychologischer Behandlung? „Ja, einmal in Schweinfurt.“ Hat Ihnen das geholfen? „Ja.“
Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Darin wird dem Beschuldigten ein eingeschränktes Schuldgefühl bescheinigt. Trotzdem sei ihm klar gewesen, "dass seine Handlungen nicht in Ordnung waren".
"Geistige Verminderung"
Er habe keine pädophilen Neigungen, aber „eine unreife Sexualentwicklung und mittlere geistige Verminderung“. Die theoretischen Auswirkungen seiner Handlungen auf Minderjährige seien ihm nicht klar gewesen, heißt es weiter.
Der sehr schlanke und deutlich über 1,90 Meter große Kissinger wird gefragt, ob er schon mal eine Freundin hatte. „Einmal vor zwei Jahren. Sie war fast so alt wie ich. Die ist auch in einer Werkstatt“, sagt er.
Nacktfotos gepostet
Der Staatsanwalt zählt in seiner Anklageschrift auf, was zwischen März und August vergangenen Jahres vorgefallen war. Der 46-Jährige soll in einem WhatsApp-Chat Nacktfotos von sich gepostet haben. Diesen Chat nutzen auch Kinder und Jugendliche regelmäßig.
Außerdem soll er dort eine Audiodatei veröffentlicht haben, auf der er ein neunjähriges Mädchen mit dem Vornamen anspricht und erzählt, „was er alles mit ihr anstellen würde“. Ob tatsächlich ein Kind auf der Aufnahme zu hören ist oder ob der Mann diese Szene nur nachgestellt hat, sagt der Anklagevertreter nicht.
Im Mai 2023 soll er in dem Chat einer damals 12-Jährigen ein Foto von seinem Penis geschickt haben.
Erwachsener Mann oder 16-Jährige?
Im August vorigen Jahres habe der Angeklagte einen Chat mit „einer erwachsenen, männlichen Person“ geführt, die sich jedoch als 16-jährige Jugendliche ausgeben haben soll. Der Bad Kissinger habe pornografische Fotos von der fünfjährigen Schwester der angeblich 16-Jährigen haben wollen. Dazu sei es aber nicht gekommen, so der Staatsanwalt . Auch hier werden die genaueren Umstände nicht erläutert.
Eine Polizeibeamtin berichtet, dass ein 14-Jähriger, der nicht aus der Region stammt, Anzeige bei der Schweinfurter Kriminalpolizei gestellt habe. Er hatte die Nacktbilder und die Audiodatei auf WhatsApp entdeckt.
"Nicht besonders interessiert"
Die Kripo durchsuchte die Wohnung der Eltern und kam zur Arbeitsstelle des Beschuldigten. Mehrmals habe man ihm die Vorwürfe erklärt, berichtet die Polizistin. „Es hat ihn offenbar nicht sehr interessiert.“
Auch das Gerichtsverfahren, so macht es den Eindruck, scheint den Mann nicht sonderlich zu berühren. Er lässt das Geschehen fast regungslos an sich vorbeiziehen.
Nur einmal wagt er sich aus seiner scheinbaren Teilnahmslosigkeit. Auf die Frage des Staatsanwalts , welche Arbeit er in der Werkstatt verrichtet, erklärt er seine Tätigkeit ausführlich und nicht ohne Stolz.
Identität nicht verschleiert
In seinem Schlussplädoyer wertet der Ankläger zugunsten des 46-Jährigen, dass er von Anfang an alles zugeben hatte. Außerdem habe er im Chat seine Identität nicht verschleiert. Er hatte dort unter seinem Nachnamen, dem ersten Buchstaben seines Vornamens und seinem Geburtsjahr firmiert.
"Dies unterscheidet ihn von den üblichen Pädophilen , die mit hoher krimineller Energie im Netz unterwegs sind", meint der Jurist.
Acht Monate auf Bewährung hält der Staatsanwalt für angemessen. Dazu eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen und 100 Stunden gemeinnützige Arbeit.
"Von Kollegen reingezogen"
Der Verteidiger weist darauf hin, dass sein Mandant von Kollegen aus der Werkstatt „in die Sache reingezogen wurde“. Wer ihn dazu verleitet haben soll, bleibt unklar. Der Anwalt nennt keine Namen. Er plädiert für sechs Monate auf Bewährung und stimmt den Arbeitsstunden zu.
Das Urteil
Die Richterin und die Schöffen erscheinen nach zehnminütiger Beratung wieder im Gerichtsaal. Sechs Monate, für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt, lautet das Urteil. Dazu 50 Arbeitsstunden und die Bedingung, dass der Angeklagte sich regelmäßig mit einem Bewährungshelfer trifft.
Geldstrafe nicht sinnvoll
Die vom Staatsanwalt geforderte Geldstrafe hält die Vorsitzende für nicht sinnvoll. Die etwa 120 Euro, die der Mann monatlich in der Werkstatt verdient, werden von den Eltern verwaltet. „Er würde gar nicht mitbekommen, dass die Geldstrafe vom Konto abfließt“, meint die Richterin . Die Arbeitsstunden würden ihm eher klarmachen, dass er etwas falsch gemacht hat.
Das Urteil ist rechtskräftig, weil Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf Rechtsmittel verzichtet haben.
Weiter Gerichtsberichte: