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Manche Schuhe halten lebenslang
Meine Maschine und ich: Werner Uebel ist stolz auf sein Handwerk. Mitte des vergangenen Jahrhunderts existierten in Hammelburg zehn Schustereien
Sie näht und näht: Werner Uebel an einer Maschine im Fuchsstädter Heimatmuseum, an der er in den 1950er Jahren das Schuhmachen gelernt hat.
Foto: Wolfgang Dünnebier | Sie näht und näht: Werner Uebel an einer Maschine im Fuchsstädter Heimatmuseum, an der er in den 1950er Jahren das Schuhmachen gelernt hat.
Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 03.02.2013 12:02 Uhr

Seine Handgriffe sitzen, an den Schuhmachergerätschaften im Heimatmuseum Fuchsstadt. Werner Uebel kennt die schwarzen Maschinen bis auf die letzte Schraube. Kein Wunder.

Der 77-jährige Schuhmachermeister hat auf diesen Maschinen in den 1950er Jahren sein Handwerk gelernt. Ihm sind die Gerätschaften ans Herz gewachsen. Deshalb hat er sie hier aus der Umgebung zusammen getragen. Jede Menge Werkstätten sind in den letzten Jahrzehnten aufgelöst worden. „Berufskollegen gab es damals reichlich“, erinnert sich der Rentner. In der Nachkriegszeit war von Schuhindustrie keine Rede. Handarbeit war angesagt. Bei der Herstellung und der Reparatur.

Alleine in Hammelburg existierten zehn Schustereien. In Fuchsstadt auch etliche, meist im Nebenerwerb neben der Landwirtschaft. Von 1950 bis 1952 hat Uebel bei Hans Eber in der Hammelburger Bahnhofstraße gelernt.

„Wir haben hauptsächlich neue Schuhe gemacht“, erinnert er sich. An der Sohlenpresse im Fuschter Heimatmuseum erläutert er die vielen Arbeitsschritte, vom Maßnehmen am Kunden, dem Anpassen der Leisten über das Zuschneiden der Sohlen bis zum Nähen. Mehrere Stunden dauerte es, bis Brand- und Decksohle zusammenhielten. „Die Kleber waren noch nicht so gut wie heute“, weiß Uebel. „Der Renner waren seinerzeit Sambaschuhe mit Korksohle und Obermaterial aus Schlangenleder.“

Das war eine ganz schöne Schufterei. Von morgens um sieben bis abends um sieben dauerte der Arbeitstag des Lehrlings. Bei einer halben Stunde Mittagspause.

Produziert wurde Wertarbeit: „Sonntagsschuhe hielten oft ein Leben lang“, weiß Uebel. Sie wurden nur zu besonderen Anlässen getragen und besonders gehegt. Anders als Arbeitsschuhe. Nägel in den Sohlen aus Metall oder Holz gaben ihrem Träger nach Art der Fußballstollen auf rutschigem Untergrund Halt.

Für Reparaturen fehlte vielen Landwirten das Geld. Sie hatten ein Dreibein daheim, eine Art Amboss, mit drei Bearbeitungsflächen, wo sie die Schuhe mit den reparaturanfälligen Nägeln selbst wieder richteten.

Auf dem Land war es gar nicht so einfach für Schuster, über die Runden zu kommen. Uebel zog es in die Ferne. Zehn Jahre arbeitete er in Bonn, dann selbstständig auf der Nordseeinsel Föhr. In Flensburg absolvierte er die 1965 die Meisterprüfung.

An diese Zeit erinnert ihn heute noch jene Maschine, die er von dort mitbrachte. Sie nähte besonders haltbare Dreifachnähte für Berg- und Skischuhe. Vor dieser Errungenschaft war auch beim Verarbeiten des härtesten Leders Handarbeit gefragt. Hornhaut an den Fingern war an der Tagesordnung.

Soldatenstiefel bestimmten ab 1970 das Arbeitsleben Uebels. Er wechselte in die Schuhwerkstatt und Sattlerei der Infanterieschule. Bis 2000 war er dort Werkstattleiter. Anfangs wurden die unförmigen Kampfstiefel („Knobelbecher“) aufgearbeitet, bevor sie von einem an den nächsten Wehrpflichtigen weiter gegeben wurden. 23 Schuhmacher arbeiteten in der Werkstatt. Später bekam die Truppe Fallschirmspringerstiefel. Jeder Soldat erhielt bei Dienstantritt neue Schuhe.

Uebel ist stolz auf sein Handwerk. Gerne greift er für den Eigenbedarf zur Nadel. „Nach der Gerberei ist es das älteste Handwerk der Welt.“

Trotz des heutigen Trends zu Billigschuhen wünscht sich Uebel alte Schuster-Zeiten nicht zurück. Er kann sich aus seiner Lehrzeit noch lebhaft daran erinnern, wie schwer sich viele Menschen taten, angemessenes Schuhwerk zu bezahlen. „Da kamen Eltern von sieben Kindern, die haben mit Kartoffeln bezahlt.“ Heute sei es doch viel günstiger, die Füße bequem zu betten.

 
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