
Seit dem Jahr 2002 organisieren die Stadt Bad Kissingen und der Landkreis alle drei bis vier Jahre die „Jüdischen Kulturtage“. Eine Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Besichtigungen jüdischer Stätten.
Zum Auftakt der diesjährigen Reihe liest der israelische Lyriker, Übersetzer , Dramaturg und Theaterwissenschaftler Prof. Gad Kaynar-Kissinger (77) am Dienstag, 11. März, um 19 Uhr in der Bad Kissinger Stadtbücherei aus seinem neuen Gedichtband „Höchste Gefahr “. Er beantwortet anschließend auch Fragen zur aktuellen Situation in Israel. Die Veranstaltung ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
In Tel Aviv geboren – Wurzeln in Bad Kissingen
„Wenn ich mich nicht irre, habe ich Bad Kissingen bisher dreimal besucht“, schreibt der 1947 in Tel Aviv geborene Sohn jüdischer Emigranten auf Nachfrage. „Das erste Mal im Jahr 1981, als ich in Konstanz studiert habe. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in Bad Kissingen war, vermutlich mit meinem Bruder und meiner Mutter anlässlich eines Treffens unserer Kissinger-Familie.“

Gad Kaynar-Kissinger ist der Sohn des in Bad Kissingen geborenen Schneiders Ernst Kissinger (1910-1994), dessen Eltern Albert und Jenny Kissinger am Marktplatz ein Herrenkonfektionsgeschäft führten. Ein Jahr nach der Machtergreifung der Nazis emigrierte der damals 24-jährige Ernst Kissinger über Triest nach Palästina.
In Tel Aviv machte er sich, der Familientradition folgend, mit eigener Herrenschneiderei selbstständig und brachte es rasch zu großem Ansehen. „Jeder, der in Tel Aviv etwas auf sich hielt, ließ sich seinen Maßanzug bei Ernst Kissinger in der Nachlat-Binyamin-Street 32 anfertigen“, heißt es im digitalen Gedenkbuch der Stadt Bad Kissingen .
Der Lebensweg von Gad Kaynar-Kissinger
In Tel Aviv lernte der Emigrant im Jahr 1943 auch Oda Scheuer kennen, „die Liebe seines Lebens“. Nur wenige Monate später heirateten beide. Vier Jahre später wurde ihr Sohn Gad Kissinger geboren, in Israel heute eher unter dem Namen Gad Kaynar bekannt. Er wuchs mit Deutsch als Muttersprache auf – zu jener Zeit in Israel eine „verbotene Sprache“.
Der Theaterwissenschaftler, Präsident des israelischen International Theatre Institute (ITI) sowie des International Playwrights Forum (IPF), ist emeritierter Professor der Universität Tel Aviv. Er war in früheren Jahren Gastprofessor in München und Venedig sowie in Jerusalem, arbeitete als Dramaturg an mehreren israelischen Theatern und war häufig auch als Schauspieler und Regisseur für Theater, Film und Fernsehen tätig.
Er übersetzte zudem 50 deutsche und skandinavische Dramen ins Hebräische und gilt vor allem als Experte für die Werke von August Strindberg und Henrik Ibsen . Für seine Ibsen- und Fosse-Übersetzungen wurde ihm 2008 vom norwegischen König der Verdienstorden des Landes verliehen.
Eine Premiere: Der Gedichtband „Höchste Gefahr“
In Israel ist Gad Kaynar-Kissinger außerhalb des Theaters auch als Sachbuch-Autor und Lyriker bekannt. „Ich habe sieben Forschungsbücher sowie Artikel-Sammlungen verfasst oder herausgegeben sowie acht Gedichtbände auf Hebräisch.“ Sie wurden in mehrere Sprachen übersetzt, eines mit dem Gedichtpreis des Allgemeinen Schriftstellerverbands in Israel (ASI) ausgezeichnet.
Sein im Sommer 2024 erschienener Gedichtband „Höchste Gefahr “, den er am 11. März im Rahmen der „Jüdischen Kulturtage“ in der Bad Kissinger Stadtbücherei vorstellen wird, ist eine Premiere: Es ist sein erstes Werk in deutscher Übersetzung.
Die in „Höchste Gefahr “ gesammelten Gedichte bieten – so heißt es im Klappentext – „ein Geflecht zarter, paradoxer, überraschender und explosiver Bilder, gepaart mit vielschichtigen Verweisen auf die abendländische Kultur, antike Mythologien, die heiligen Schriften und die Kunst. Dieser tragisch-ironische, dantische Ritt ist atemberaubend. Lebenserfahrene, distanzierte Perspektive vermischt sich mit einer von gotischen Albträumen geplagten Kindheit, reifer Eros mit verspieltem Thanatos, Pan mit der Pandemie, das Persönliche mit dem Politischen, Apokalypse mit Auferstehung.“
Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Im Anschluss an die Buchvorstellung will Prof. Gad Kaynar-Kissinger seinen Zuhörern gern Fragen zur aktuellen Situation Israels beantworten. In einem Interview mit dem Kulturmagazin „Nachtkritik“ äußerte er sich kürzlich zum Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023:
„In unserer Familie ist niemand direkt betroffen. Allerdings ist meine Enkeltochter nur um ein Haar entkommen. Im Rahmen ihres Militärdienstes, den sie erst kürzlich beendet hat, war sie als Wachposten an der Grenze zu Gaza stationiert. Beim Angriff der Hamas am 7. Oktober wurde ihre ganze Einheit, nur junge Frauen, getötet oder entführt. Inzwischen sitzt sie als Reservistin wieder am selben Ort.“ So verspricht die Veranstaltung mit Gad Kaynar-Kissinger ein eindrucksvoller Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu werden.
Informationen zum Buch: Gad Kaynar-Kissinger: „Höchste Gefahr “, Verlag PalmArtPress, gebunden, 90 Seiten, Preis: 22 Euro, ISBN 978-3962581657
Veranstaltungshinweis: „Höchste Gefahr “, Lesung mit Lyriker Gad Kaynar-Kissingen, Dienstag, 11. März, 19 Uhr, Stadtbücherei , Rathausplatz 5, 97688 Bad Kissingen; der Eintritt ist kostenfrei, Anmeldung ist nicht erforderlich.