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Luitpold an allen Ecken
Wer in Bayern von der guten alten Zeit spricht, meint damit oft die Regierungszeit von Prinzregent Luitpold. Bemerkungen über einen Wittelsbacher, dem Kissingen viel zu verdanken hat und dessen Tod sich am 12. 12. 12 zum 100. Male jährt.
Von Gerhard Wulz
 |  aktualisiert: 23.07.2013 11:28 Uhr

Der Todestag von Prinzregent Luitpold von Bayern jährt sich am 12.12.12 zum 100. Mal. Seiner königlichen Hoheit hat man in Bad Kissingen viel zu verdanken, unter anderem den Regentenbau. Überhaupt, die Kissinger haben ein Faible für diesen Mann und in der Stadt etliches nach ihm benannt.

Da findet man den Luitpoldpark, den Luitpoldsteg, die Luitpoldquelle, das Café Luitpold (die spätere Rathausapotheke), die Luitpoldeiche (beim Klaushof), das Luitpold-Casino, das Luitpoldbad, die Prinzregentenstraße, den Regentenbau und seit 1999 einen Luitpoldpreis für Musiker. Die meisten Kurgäste – und vielleicht auch Einheimische – dürften aber mit dem Namen trotzdem nicht viel anzufangen wissen.

Dabei wurde in der nach Luitpold benannten Prinzregentenzeit von 1886 bis 1912/13 nicht nur Bad Kissingen, sondern ganz Bayern geprägt. Durch seine direkte oder indirekte Beteiligung entstanden viele Gebäude in Bad Kissingen (oder wurden umgebaut), von der Wandelhalle bis zum Regentenbau.

Auch viele Straßenzüge mit ihren Gebäuden und Kirchen, sowie die Kurgebiete Ost und West entstanden in dieser vom wirtschaftlichen Aufschwung begünstigten Kurstadt. Damals wurden die Straßenzüge der Salinen-, Max-, Theresien-, Schönborn-, Prinzregenten-, Kapellen-, Erhardstraße und der äußere Teil der Kurhausstraße bebaut. So kann man, abgewandelt, mit Thomas Mann sagen: „Bad Kissingen leuchtet(e)“.

Nachdem Kissingen 1814 endgültig an das Königreich Bayern gefallen war, mussten Kronprinz Ludwig und seine Frau Therese (von Sachsen-Hildburghausen) ihren Wohnsitz ab 1816 in der Würzburger Residenz nehmen, um so die Franken für ihre verlorene fürstbischöfliche und großherzogliche Hofhaltung etwas zu entschädigen und die Franken an das Königreich und das Haus Wittelsbach zu binden. Außerdem war König Max recht froh, seinen renitenten Sohn weit weg vom Schuss zu wissen.

In Würzburg geboren

So kam es, dass Luitpold als dritter Sohn des Ehepaares am 12. März 1821 in Würzburg das Licht der Welt erblickte und somit ein geborener Franke wurde. Die Taufe fand noch am selben Tag auf die Namen Luitpold Karl Josef Wilhelm statt.

Als Drittgeborener nach seinen Brüdern Maximilian und Otto war seine Erziehung zwar gediegen, aber nicht mehr so streng wie die seiner Brüder. Ab dem siebten Lebensjahre wurde er von Hauslehrern nicht nur in Deutsch, Geschichte, Geografie, Latein, Altgriechisch, Literatur, Logik, Naturgeschichte, Religion, Turnen, Reiten, Schwimmen, Tanzen, Fechten unterrichtet, sondern so ausgebildet, dass er eventuell auch die Regierungsgeschäfte übernehmen konnte, falls seine Brüder ausfielen. Als er dann tatsächlich Regent wurde, konnte er sich mit allen an seinem Hofe akkreditierten Gesandten, außer den russischen, in ihrer Landessprache unterhalten.

Erstmals nach Kissingen kam Luitpold 1833 mit seiner Mutter und seiner Schwester Mathilde. Die Familie wohnte in einem neuen aber einfachen Haus in der Unteren Marktstraße, gegenüber der Boxberger Apotheke. Während Königin Therese hier die Heilquellen nutzte, hielt sich König Ludwig I. in seinem geliebten Brückenau auf. Ob es dem kleinen Luitpold in dem damals unattraktiven Kissingen gefallen hat, ist nicht überliefert. Als er 61 Jahre später noch einmal in Bad Kissingen war, soll er aber alles gleich wieder erkannt und das Haus aufgesucht haben.

1835 ernannte ihn sein Vater zu seiner großen Freude zum Hauptmann im 1. Artillerie-Regiment, womit seine militärische Laufbahn begann. Ludwig I. schrieb dazu an seinen Sohn Otto (König von Griechenland): „Luitpold war entzückt an seinem Geburtstage Hauptmann geworden zu sein in der Artillerie (. . .)“. Dem Militär, in dem er es bis zum Generalfeldzeugmeister im Range eines Generalfeldmarschalls brachte, blieb er zeitlebens verbunden. Dazwischen lagen Reisen und die Hochzeit mit Prinzessin Auguste, der Tochter des Großherzogs von Habsburg/Toskana.

Zum Studieren hatte Luitpold wenig Zeit. Dass er sich nicht mehr der Geschichte widmen konnte, kommentierte er mit den Worten „Ich habe aber andererseits viel Geschichte erlebt und das ist sicher auch etwas wert und muss mir die Kenntnisse ersetzen“. Luitpold hätte nun seine Offizierslaufbahn, von zwei kurzen Kriegen (1866, 1870/71) abgesehen, genießen können, aber die Entwicklung im Königreich gestattete ihm keinen ruhigen Lebensabend.

König auf dem Thron Bayerns war seit 1864 sein Neffe Ludwig II., der zunächst, jung, schön, intelligent, gebildet, zu den größten Hoffnungen Anlass gab. Leider entwickelte Ludwig II. aber mit zunehmendem Alter Charaktereigenschaften, die der Monarchie nicht guttaten. Obwohl er pflichtgetreu und korrekt seine Pflichten bis zuletzt als König – außer der Repräsentationspflicht – wahrnahm, empfand man seine Reizbarkeit, seine Homosexualität und vor allem seine Bauwut als unerträglich.

Der damalige Ministerratsvorsitzende Johann von Lutz (geboren 1826 in Münnerstadt) und das Kabinett bedrängten Luitpold, sich für eine Absetzung des Königs einzusetzen. Als Grund wollte man Ludwig II. Geisteskrankheit unterstellen.

Der berühmte Psychiater Obermedizinalrat Dr. Bernhard von Gudden ließ sich dazu herbei, das gewünschte Gutachten – Paranoia – zu bestätigen, obwohl er Ludwig II. nicht untersuchte. Aufgrund dieses Gutachtens, von dessen Richtigkeit Luitpold fest überzeugt war, unterzeichnete er am 11. Juni 1886 eine Vollmacht, die von Gudden ermächtigte, den König in medizinische Behandlung zu nehmen und nach Schloss Berg zu bringen.

Die öffentliche Meinung schlug um

Ludwig II. wusste von seinem in Fürstenried internierten geisteskranken Bruder Otto her, was ihm blühen konnte. Diese Erniedrigung und die drohende Absetzung wollte er nicht über sich ergehen lassen und so suchte er vermutlich den Freitod im Starnberger See.

Damit schlug auf einmal die Meinung der Bevölkerung in Oberbayern zugunsten von Ludwig II. um und traute der Regierung sowie Luitpold alles Schlechte zu. Auch Elisabeth von Österreich (Sisi) verzieh Luitpold diesen Schritt nie. Obwohl Luitpold durchaus auch private Gründe hatte – so verschwendete der König das Privatvermögen der Wittelsbacher und hinterließ der Familie riesige Schulden – waren dies nicht die entscheidenden Gründe. Ein Staatskonkurs hätte unabsehbare Folgen gehabt. Luitpold sah es als seine Pflicht an, das Amt des Reichsverwesers zu übernehmen. So kann man durchaus sagen, von Lutz und Luitpold haben zwar einen König „beseitigt“, aber die Monarchie gerettet.

Der badische Gesandte am bayerischen Hof, Robert von Mohl, berichtete schon 1871 über das gereizte Verhältnis zwischen Ludwig II. und der Familie des Prinzen Luitpold und wies auf Mängel in der bayerischen Verfassung in Bezug auf einen Regierungsentzug hin. Mohl war 1842 und 1843 in Kissingen als Kurgast.

Der Versuchung, sich krönen zu lassen, widerstand Luitpold, obwohl er als König wesentlich mehr Einfluss, Macht und eine größere Apanage gehabt hätte. Laut Paragraf 18 Titel II konnte der Reichsverweser weder Krongüter veräußern oder heimfallende Lehen verleihen, noch neue Ämter einführen. Außer den Justizstellen waren alle erledigten Ämter nur provisorisch.

Die durchaus kritische Süddeutsche Presse schrieb am 17.6.1886: „Da unter diesen Umständen (Otto geisteskrank, der Verfasser) die Eidesleistung kaum möglich ist, wäre wohl die Möglichkeit einer Verzichtleistung des Königs Otto auf die Krone in Erwägung zu ziehen. Prinz Luitpold soll nicht geneigt sein, die Krone anzunehmen, sondern vorziehen, die Regentschaft im Namen seines Neffen fortzuführen. Dem Prinzen Luitpold bringt das bayerische Volk als Prinz-Regenten sein volles Vertrauen entgegen; freudig würde es ihn als seinen König begrüßen, nicht minder freudig aber auch als Prinz-Regent; sein einfaches und natürliches Auftreten, seine Leutseligkeit im Verkehr haben ihm die Liebe des Volkes gewonnen; seine Einsicht, seine Pflichttreue, sein reiches Wissen geben Bürgschaft dafür, daß die Wahrung der Wohlfahrt des Bayernlandes bei ihm in sicheren Händen ruht. Prinz Luitpold ist ein gläubiger Katholik, aber keineswegs klerikal gesinnt.“

Luitpold entwickelte sich zu einem fürsorglichen, liberalen, leutseligen und vernünftigen Herrscher, zu dessen Regierungszeit sich viel positiv veränderte. Dazu zählen die technischen Entwicklungen im Telefon-, Verkehrswesen, Schwemmkanalisation – Bad Kissingen erhielt 1889 die erste – Bau von Bahnhöfen, Postämtern, Schulen, Krankenhäusern, Kasernen, das National- und Deutsche Museum, Integration der Sozialdemokratie, Einführung eines liberalen Wahlrechts (1906), des Frauenstudiums (1904) . . .

Auf Einladung der Stadt machte Luitpold auf der Fahrt nach Würzburg zur Einweihung des Frankoniabrunnens vor der Residenz einen kurzen Abstecher nach Kissingen. Für diesen Besuch wurde die Stadt vom Bahnhof bis zum Kurgarten und durch alle Straßen, durch die Luitpold fahren würde, mit großem Aufwand geschmückt. Auch an den Privathäusern war Schmuck zu sehen. Die Saale-Zeitung, die Luitpold mit „Heil unserm Prinz-Regenten“ begrüßte, schilderte ausführlich den Aufwand (500 Mark) für den Besuch. Am 2. Juni 1894 um 10.30 Uhr kam der Hofzug mit Luitpold in Kissingen an. Nach einem Gedicht, das der Realschüler Alfons Förster aufsagen durfte (er bekam dafür eine goldene Taschenuhr), nach Blumensträußen und einem Willkommenstrunk mit Saalecker Wein von 1868, durchschritt der Prinzregent unter „brausenden Hochrufen“ den Königssalon zu seiner Kutsche.

Angetreten war zur Begrüßung alles, was Rang und Namen hatte, darunter 60 Landbürgermeister, die Feuerwehren, die Kriegervereine und die Bevölkerung samt Kurgästen. Die Fahrt vom Bahnhof zum Kurgarten glich einem Triumphzug. Am Kurgarten besichtigte Luitpold die Denkmäler von Ludwig I. und Max II., danach ging es zur katholischen Kirche, wo ihn besonders der Kirchenchor zur Bemerkung veranlasst haben soll, „die Franken singen aber gut“, und zur evangelischen Kirche. Nach einer Kranzniederlegung an der trauernden Germania für die Gefallenen des 1866er Krieges traf er sich mit Königin Marie von Hannover, die gerade zur Kur weilte, zum Mittagessen im Königlichen Kurhotel. Um 14.30 Uhr fuhr der Zug wieder nach Würzburg ab.

Nie zur Kur hier

Zur Kur war Luitpold nie in Kissingen. Obwohl starker Zigarrenraucher, war seine Gesundheit sehr stabil. Noch als alter Herr schwamm er in kaltem Wasser, zum Entsetzen seiner Begleiter, die er oft animierte mitzumachen. Würzburg und den Spessart, wo der begeisterte Jäger im Herbst gern zur Wildschweinjagd ging, besuchte Luitpold des Öfteren. Den Kiliansbrunnen vor dem Bahnhof schenkte Luitpold seiner Geburtsstadt. Als Bad Kissingen unbedingt neue, moderne Kurgebäude für den starken Anstieg der Kurgastzahlen benötigte, konnte mit dem Segen des Prinzregenten und des Landtags die große Investition vorgenommen werden, und es entstanden die Gebäude, die noch heute zum Glanz der Badestadt beitragen.

Der Biograf Hans Riehl charakterisiert Luitpold so: „Mit seiner geschickten Art, in der sich Luitpold den Pflichten der Repräsentation unterzogen hat, und mit seiner Kunstförderung schuf sich der Prinzregent viele Freunde. Der Mann, der unter schwierigsten Umständen an die Spitze des Staates getreten war, wurde nach kurzer Zeit schon zur allgemein respektierten Person und in den letzten Jahren zum überall geliebten und geachteten Herrscher, dem man alle positiven Entscheidungen anrechnete und die negativen Entwicklungen nicht anlastete.“ Dem greisen Luitpold haben die Münchner ein etwas respektloses, aber liebevoll gemeintes Umgangslied gewidmet, wenn er in der Fronleichnamsprozession mitmarschierte: „Und dann kommt der Prinzregent/Sakrament, der Prinregent./ Tragt a Kerzn in de Händ,/ die wo scho nimmer brennt.“

Luitpolds Lebenskerze hörte am 12.12.1912 im 92. Lebensjahr zu brennen auf. Sein Sarg kann in der Gruft der Theatinerkirche in München besichtigt werden.

Wer dem Prinzregenten in Kissingen begegnen will, kann dies nicht nur beim Rakoczyfest tun, sondern auch im Lesesaal vor dem Bild des Malers Franz Stuck (1905), im Weißen Saal vor seiner goldbronzenen Büste (1913) oder in der Innenstadt vor der Büste (1898) unter dem Giebel der Rathausapotheke. In allen drei Fällen ist Luitpold mit dem 1444 gestifteten und von König Max I. 1808 zum höchsten bayerischen Orden erhobenen Hubertusorden (Malteserkreuz an einer Ordenskette/Collane) abgebildet.

Prinzregententorte und Prinzregentenschnitten gibt es natürlich auch noch.

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