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Lola-Lola in der Lagerhalle
Rannungen Wie kommt ein Weltstar in ein 1200 Einwohner zählendes Dorf in der tiefsten unterfränkischen Provinz? Marlene Dietrich war in Rannungen, wenn man den Aufzeichnungen des US-amerikanischen Oberst Hallet D. Edson glauben will.
Marlene Dietrich in der Rolle       -  Marlene Dietrich in der Rolle der Lola-Lola in Josef von Sternbergs Film 'Der blaue Engel', der ihren Weltruhm begründete. Im Zuge ihres zweijährigen
Einsatzes in der Betreuung amerikanischer Truppen soll sie auch in Rannungen gewesen sein.
Foto: FOTO DPA | Marlene Dietrich in der Rolle der Lola-Lola in Josef von Sternbergs Film "Der blaue Engel", der ihren Weltruhm begründete.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Petzold
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Der Offizier war in der Endphase des Zweiten Weltkriegs Kommandeur des 15. Infanterieregiments bei Schweinfurt. Dieses Regiment war Teil einer Division, die auch an der Marne eingesetzt war. In der im Internet veröffentlichten Reihe "Marne Vermächtnisse" erwähnt der Oberst auch einen Truppenbesuch der Film-Diva.

Wörtlich heißt es: "Am 11. April war vorgesehen, dass Marlene Dietrich und ihre mobile Show eine Vorstellung geben sollte für unser Regiment, das 15. Infanterieregiment der 3. Infanteriedivision. Zu dieser Zeit waren wir die Reserveeinheit der Division, nördlich von Schweinfurt stationiert in der Nähe von Tottershausen (wobei wahrscheinlich Rottershausen gemeint ist) und Rannungen."

Delikatessen aus der C-Ration

"Wir haben uns sehr angestrengt, Miss Dietrich ein Mittagessen zu bieten in unserer eilig hergerichteten Regiments-Hauptquartiers-Messe im Lagerraum eines Haushaltswarengeschäftes", heißt es weiter. "Wir servierten die üblichen Delikatessen, eine Auswahl unserer C-Rationen; andere Lebensmittel hatten mit unserem schnellen Vorrücken nicht Schritt gehalten."

Wo sich dieses Haushaltswarengeschäft mit Lagerraum befunden haben könnte, wissen in Rannungen auch die älteren Leute nicht mehr. Drei Geschäfte gab es damals in dem stark zerstörten Rannungen. Als die Amerikaner einmarschierten, brannten in Rannungen allein 16 Scheunen nieder. Theoretisch in Frage kämen die ehemaligen Lebensmittelläden Döll und Pretscher oder das Gehöft Keß.

In Rannungen zweifelt man allerdings daran, dass die Dietrich in ihrem Dorf war, hat Orts-Chronist Alfred Memmel nach einigen Gesprächen mit Senioren herausgefunden. Die erwähnten Geschäfte seien alle viel zu klein gewesen, um als Speiseraum des Regiments-Hauptquartiers geeignet gewesen zu sein. Vielmehr glaube man, dass das Hauptquartier in Maßbach untergebracht gewesen sein könnte, weil dort mehrere Lebensmittelläden, die jüdischen Mitbürgern gehört hatten, leer standen.

Der blaue Engel

Wie dem auch gewesen sein mag: Edson kam jedenfalls nicht in den Genuss der Show von Marlene Dietrich, die als Sängerin Lola-Lola in Josef von Sternbergs 1929 gedrehten Film "Der blaue Engel" Weltruhm erlangt hatte. Der Oberst hatte in der Mittagspause den Befehl zum Ausrücken erhalten, um den Angriff fortzuführen. So ließ er nur das 1. Bataillon als Regimentsreserve zurück, um die Show zu besuchen. "Allen Berichten nach muss es recht gut gewesen sein", schreibt Edson.

Die Chance, den Auftritt der Dietrich zu sehen, hatte in Rannungen sowieso niemand. Die meisten Männer - sofern sie nicht gefallen waren - waren entweder noch an der Front oder bereits in Kriegsgefangenschaft. Und die Frauen, Kinder und Alten saßen verängstigt in ihren Kellern.

Anfeindungen

Ihr Engagement in der Truppen-Betreuung hatte Marlene Dietrich, die 1992 im Alter von 91 Jahren in Paris gestorben ist, in Deutschland nach dem Kriege viele Anfeindungen eingebracht. Wurde doch ihr, die allen Angeboten der Nazis widerstanden hatte, Verrat vorgeworfen.

Wer weiß mehr über den Aufent-
halt von Marlene Dietrich Ende
des Zweiten Weltkrieges? Infos ab
Sonntag an die Redaktion unter
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