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Bad Kissingen
Lizzy Aumeier im Kurtheater: Anti-Diva mit Tunika
Statt mit dem anderen Geschlecht rechnet Lizzy Aumeier mit Donald Trump, der AfD und absurden Schönheitsidealen ab.
Lizzy Aumeier als Anti-Diva in weißer Tunika. Foto: Thomas Ahnert       -  Lizzy Aumeier als Anti-Diva in weißer Tunika. Foto: Thomas Ahnert
| Lizzy Aumeier als Anti-Diva in weißer Tunika. Foto: Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 04:25 Uhr
Die Enttäuschung war Lizzy Aumeier ins Gesicht geschrieben, als sie im Kurtheater vor den Vorhang trat. Eigentlich hatte ja der Affe die Krönung der Schöpfung werden sollen: "Doch die Sache ging daneben, denn der Mann fing an zu leben." Aha!, denkt man sich, wieder einmal eine dieser Abrechnungen mit dem anderen Geschlecht. Das ist ja ein Thema, das im Augenblick Konjunktur - zumindest unter den Kabarettistinnen - hat, weil man da schon mindestens die Hälfte des Publikums hinter sich weiß. Aber das ist die größte - und auch einzige - Enttäuschung des Abends - für die Frauen: Die Abrechnung findet nicht statt.

Das bedeutet aber nicht Entwarnung für die Männer. Denn sie geraten ja doch ins Visier der Kabarettistin. Sie ist eine große Kommunikatorin, die den Kontakt zum Publikum sucht - und findet. Und sie wendet sich zu allererst an die Männer in den ersten Reihen, die die Köpfe einziehen: "Wie heißt du" Was machst du beruflich - falls du dich daran erinnern kannst?" Sie gerät an Martin, Steffen und Elmar. Der ehemalige Busfahrer ist höchst mutig, als sie ihn fragt: "Was wäre ich, wenn ich ein Auto wäre?" Über die Antwort erschrecken beide: "Ein alter Setra". Das waren die Busse mit rundem Heck und geteilter Windschutzscheibe. Aber die angedrohte Rache für die Antwort bleibt aus. Dazu ist Lizzy Aumeier viel zu freundlich.

Und dann gerät sie an Michael. Der ist Berufssoldat. "Warst du schon im Ausland?", fragt sie ihn. "Ja, in Afghanistan." Das sei ein wunderschönes Land voller trauriger Menschen. Da wird sie schlagartig ernst und möchte wissen, ob dieser Aufenthalt sein Leben verändert hat. Michael wird an diesem Abend zu ihrem Liebling.

Lizzy Aumeiers kabarettistischer Stil ist schwer zu beschreiben; für sie gibt es keine Schublade. Sie feuert einen Witz nach dem anderen ab, durchaus rund um die Gürtellinie, aber eben geistreich, und erklärt dabei gleichzeitig die Welt - eine Kunst, von der die Comedians nur träumen können. Und dabei ist sie durchaus hochpolitisch: "Wer glaubt, dass die AfD Deutschland regieren kann, der glaubt auch, dass das Ordnungsamt einem die Wohnung putzt." Oder: "Wir sollten für Donald Trump sammeln und ihm ein Cabrio und ein Wochenende in Dallas schenken." Es dauert lange, bis beim Publikum der vorletzte Groschen gefallen ist, denn nicht jeder weiß sofort, wenn überhaupt, dass sie da auf die letzte Dienstfahrt von John F. Kennedy anspielt.

Lizzy Aumeiers größtes Alleinstellungsmerkmal ist allerdings ihr gnadenlos ehrlicher Umgang mit sich selbst. "Mein Körper ist mein Kapital", har sie einmal gesagt. So gesehen zählt sie zu den Reichen im Lande. Sie macht ganz auf Anti-Diva, kokettiert damit in einer köstlichen, enorm selbstironischen Weise. Und das schon bei ihren Klamotten: im ersten Teil mit einem stoffreichen Kleid im Stil einer römischen Tunika, im zweiten Teil eng anliegend schwarz. "Ich entdecke an mir immer mehr Körperteile, die in keinem Biologiebuch stehen", sagt sie mit Blick auf nicht zu übersehende Pölsterchen ("Doppelachsel") und Rettungsringe. Und sie verschweigt auch nicht, dass ihre Zuwächse nicht nur auf regelmäßigem Abendessen beruhen, sondern auch die Folge eines schweren Autounfalls vor sieben Jahren sind, nach dem sie in eine schwere Depression geraten war. Aber die ist vorbei. Und wenn sie eine Sängerin in einem Videoclip auf MTV parodiert, dann kokettiert sie damit, dass sie nicht dem stromlinienförmigen Schönheitsideal der heilen Fernsehwelt entspricht, und das Publikum lacht nicht nur über sie, sondern gleichzeitig eben auch über dieses ad absurdum Ideal.
Sie lässt es ja auch zu, sich zur Witzfigur machen zu lassen, sozusagen aus Notwehr: "Wenn du als Frau über 50 bist, sieht dich keine Sau mehr." Als Svetlana Klimova, ihre Partnerin an Violine und Klavier, nach der Pause alleine wieder herauskommt, blickt sie sich suchend um und fragt nur: "Wo ist fette Frau aus Oberpfalz?". Natürlich ist das eine Retourkutsche, denn die Ukrainerin muss für Lizzy Aumeier immer wieder als typisches Russenweib herhalten.

Was Lizzy Aumeier allerdings gnadenlos ernst nimmt, ist die Musik, auch wenn sie ihr einen Heidenspaß macht. Wenn sie zu ihrem Kontrabass greift - den sie wirklich meisterhaft beherrscht - dann ist i ihrem Spiel so viel Kraft, Witz und Energie und manchmal vielleicht auch ein bisschen Zorn drin, dass man sich einfach mitreißen lässt. Spätestens hier erweist sich die Partnerwahl als absoluter Glücksgriff -was nicht erstaunt, wenn man Svetlana Klimovas Karriere in den großen Moskauer Orchestern betrachtet. Sie kann nicht nur gegenhalten, sondern sie kann auch provozieren und kommt dabei nicht mal ins Schwitzen. Es sind köstliche Begegnungen zwischen dem höchsten und dem tiefsten Streichinstrument.

Aber auch hier ist alles Kommunikation: "Wer in dem jetzt folgenden Rock-Medley einen Titel erkennt, gewinnt eine Nacht mit mir", erklärt Lizzy Aumeier. Sie hat sicher nicht damit gerechnet, dass der Sturm der Begeisterung das Kurtheater in seinen Grundfesten erschüttert. Aber sie weiß, was sie will: "Stairway to Heaven" flüstert sie Michael zu.

Es sind nur wenige Augenblicke an diesem Abend, an denen nicht gelacht wird. Aber trotzdem spürt man deutlich, dass es Lizzy Aumeier hinter der ganzen Komik verdammt ernst ist. "Neid ist ja noch o.k. Aber die Missgunst ist so groß geworden", sagt sie plötzlich. "Halt mer zamm, sauf mer zamm!" Verständlicher lässt sich gesellschaftliche Solidarität zumindest im Südteil der Republik nicht einfordern.

"Bei meinem Hochzeitswalzer war ich zu besoffen." Und so ruft sie, um das Tänzchen nachzuholen, am Ende Klaus Stock auf die Bühne. Das ist ihr Mann. Programmatisch vielleicht nicht unbedingt zwingend, aber ungemein beruhigend. Denn er entspricht so gar nicht dem Bild vom Manne an sich, dass Lizzy Aumeier in den zwei prallgefüllten Stunden immer wieder hatte aufblitzen lassen. Gottseidank!
 
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Kommentare
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  • B.Sch
    Das war das beste was ich bis jetzt in Bad Kissingen gesehen habe Auch die musikalischen Einlagen sehr sehr gut gespielt von beiden Künstlern Hut ab Ich bin beim nächsten mal wieder dabei.
    Alles Gute Lizzy Aumeier und Svetlana
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