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Bad Kissingen
Kabarettherbst: Lisa Fitz provoziert in Bad Kissingen
Künstlerin Lisa Fitz hat mit ihrem Programm „Avanti Dilettanti“ den Autor verwundert zurückgelassen. So war der Auftritt in Bad Kissingen.
Lisa Fitz war mit ihrem Programm „Avanti Dilettanti“ in Bad Kissingen im Kurtheater.       -  Lisa Fitz war mit ihrem Programm „Avanti Dilettanti“ in Bad Kissingen im Kurtheater.
Foto: Klaus Werner | Lisa Fitz war mit ihrem Programm „Avanti Dilettanti“ in Bad Kissingen im Kurtheater.
Klaus Werner
 |  aktualisiert: 19.10.2024 02:34 Uhr

Wer zu einem Kabarettabend mit Lisa Fitz geht und sich bewusst dafür entscheidet, weiß, was auf ihn zukommt. Wer dagegen einen Kabarettabend erhofft, in dem differenziert, pointiert und zugespitzt gesellschaftliche Missstände, politische Fehlentwicklungen und soziale Probleme seziert werden, der wird sich am Ende verwundert die Augen reiben und sich fragen, ob er aus Versehen bei einer alternativen Protestversammlung gelandet ist.

Vielleicht verliert man den Blick für das, was gut läuft, wenn man wie Lisa Fitz über 40 Jahre auf der Bühne steht und die kabarettistischen Erwartungen des Publikums erfüllen möchte. Vielleicht übernimmt man negative Tendenzen, wenn man immer nur nach Fehlern bei Entscheidungen, Pannen bei der Umsetzung oder falsch platzierten Worten und Sätzen sucht, wenn man überall Intrigen, Korruption und Lobbyismus wittert, wenn man immer tiefer im tatsächlichen oder vermeintlichen Sumpf wühlt.

Vielleicht legt sich dann irgendwann ein Schalter um und aus dem einst satirisch-zynisch Gesagten wird eine neue Erkenntnis und damit die andere Wahrheit.

Krude Mutmaßungen und irritierende Verdrehungen?

Das ist die eine Seite, die ein Gefühl der Unzufriedenheit umschreibt, das im bundesdeutschen Protest-Alltag angekommen ist und sich manifestiert hat. Die andere Seite ist aber mit der Frage verbunden, ob man unter dem künstlerischen Deckmantel „Kabarett“ ein Sammelsurium an kruden Mutmaßungen und irritierenden Verdrehungen absondert oder Politikerinnen und Politiker mit verletzenden Pöbeleien überzieht. Trägt Kabarett als satirische Kleinkunstform nicht auch die Verantwortung in sich, dass das Publikum nach einem solchen Abend nicht nach Hause geht, den Computer hochfährt und in den sogenannten „Sozialen Netzen“ oder auf sonstigen Plattformen das Gehörte in eigene, herabwürdigende Kommentare übersetzt und damit Grenzen überschreitet.

Bundesregierung: Dilettantisch

Dabei kommt die Kabarett-Ikone nicht als polternde Agitatorin auf die Bühne, die ihr Programm „Avanti Dilettanti“ erstmal mit der Erklärung des Wortes „Dillettanti“ beginnt und auf den Zwischenruf „Habeck“ nur mit einem süffisanten Lächeln reagiert.

Doch schnell ist sie beim Thema, denn ein Dilettant ist „einer, der etwas nur aus Liebhaberei, aus reinem Vergnügen macht – und das erinnert an die Bundesregierung “. Lachen und Applaus sind bei solchen Anspielungen garantiert und ebenso bei Anmerkungen zu Toni Hofreiter oder Ricarda Lang, wobei „Bodyshaming“ nicht zutreffe, denn keiner mache körperbetonte Witze zum Beispiel über Ottfried Fischer .

Fitz ist sich ihrer verbalen Gratwanderung bewusst, denn einerseits wird süffisant auf den Paragrafen 188 Strafgesetzbuch hingewiesen und mit „Majestätsbeleidigung“ umschrieben, und andererseits sinniert sie über die Frage, ob das Zitieren einer Beleidigung ebenfalls mit einer Strafe belegt werden kann.

Lisa Fitz in Bad Kissingen       -  Lisa Fitz in Bad Kissingen
Foto: Klaus Werner | Lisa Fitz in Bad Kissingen

FDP wird ausgelassen

Wobei diese Frage als rhetorische Randbemerkung im Gelächter des nächsten Witzes untergeht: „Scholz und Habeck im Flugzeug. Scholz: Wenn ich zehn Euro rauswerfe, freut sich ein Deutscher. Habeck: Wenn ich zehn mal zehn Euro rauswerfe, freuen sich zehn Deutsche. Der Pilot: Wenn ich euch beide rauswerfe, freut sich ganz Deutschland.“

Die Ampel an sich ist nicht nur das Reizthema für Lisa Fitz , sondern auch für das Publikum im fast ausverkauften Kurtheater. Und aus der Ampel sind es SPD und Grüne, die dem beißenden Spott und der zynischen Häme der 73-Jährigen ausgesetzt sind, wogegen die FDP nicht erscheint und die CSU mit CDU wegen der Ausgewogenheit abgewatscht werden – Friedrich Merz ist dabei als kommender Kanzlerkandidat ein Blackrock-Lobbyist und der Wendehals, der AfD-Themen abkupfert. Es sei „woke“, über die AfD herzuziehen, aber das machen 99 Prozent ihrer Kolleginnen und Kollegen. Für Fitz ist die AfD die einzige Opposition, und das rechte Verorten der Partei mit „Nazi, Nazi“-Etikett langweile sie mit der gezeigten Inkompetenz.

Hochmotivierte Asiaten verknüpft sie mit der Work-Life-Balance der Klimakleber, den Fachkräftemangel vermischt sie mit der Migration und der Angst vor einem Spaziergang im Park, die queere Gesellschaft kommentiert sie mit abwertender Körpersprache und ihre Einschätzung, dass die Klimakrise nur Geldmacherei sei, wird mit Beifall bedacht.

„Kabarett hat die Aufgabe, alles zu hinterfragen – egal, ob rechts, links, unten oder oben“, so Lisa Fitz im Laufe des zweistündigen Programms. Doch schon ihre nächste Anmerkung relativiert dies. Da geht es um das protestierende Volk, das nervt, um das Volk, das ohne Angst frech werde, da geht es um die Gemeinschaft, die aufgeschlüsselt werden soll zum „klickenden Einzeller“. Und wenn dann auf die Frage „Seid Ihr zufrieden mit der Regierung?“ ein vielstimmiges „Nein“ folgt und die Bemerkung, dass man 500 Abgeordnete entlassen und dafür künstliche Intelligenz nutzen sollte, mit stürmischem Beifall quittiert wird, dann beschleicht einen die Angst vor „Volkes Stimme“ und dem zufrieden-zynischen Lächeln von Lisa Fitz .

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