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Landkreis Bad Kissingen
Medikamente sind knapp im Landkreis Bad Kissingen: Woran liegt das eigentlich?
Antibiotika, Fiebersäfte, Kochsalzlösungen - immer wieder sind Medikamente in der Apotheke nicht zu bekommen. Was die Gründe sind und was mögliche Lösungen wären, haben wir Experten gefragt.
Lieferengpass bei Medikamenten       -  Immer wieder sind verschiedene Medikamente und Arzneimittel in Apotheken nicht verfügbar.
Foto: Fokussiert / AdobeStock | Immer wieder sind verschiedene Medikamente und Arzneimittel in Apotheken nicht verfügbar.
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 26.01.2025 14:21 Uhr

Nicht nur im Landkreis Bad Kissingen sind immer wieder andere Medikamente nicht verfügbar. Was tut die Politik dagegen und muss man sich um die Versorgung mit Arzneimitteln Sorgen machen? Hier ein paar Hintergrundinformationen. 

Warum gibt es Lieferengpässe bei Medikamenten?

Das hat ganz verschiedene Gründe, erklärt Pressesprecher Maik Pommer vom Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) gegenüber unserer Redaktion: "Häufig sind Produktionsprobleme der Auslöser für einen Lieferengpass, zum Beispiel, wenn Herstellungsprozesse aufgrund von Qualitätsproblemen umgestellt werden, Waren nicht freigegeben werden können oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazität erhöht werden muss."

Doch ein Lieferengpass ist nicht automatisch ein vollständiger Lieferabriss, "sondern eine Situation, in der das jeweilige Arzneimittel nicht im üblichen Umfang auf den Markt kommt." Auch sei er nicht automatisch ein Versorgungsengpass, weil Patienten in der Regel mit einem anderen, meist wirkstoffgleichen Generikum behandelt werden können.

Wie ist die aktuelle Versorgungslage?

Das BfArM bewertet die Lage in diesem Winter als wesentlich entspannter, "insbesondere bei Kinderarzneimitteln. Bei vielen Antibiotika und bei den Fiebersäften ist der Großhandel gut bevorratet", sagt Maik Pommer.

Auch Ulrike Holzgrabe, Professorin am Institut für Pharmazie an der Universität Würzburg, sieht die Versorgungslage im Augenblick als nicht kritisch an, "was sich aber schnell ändern kann, wenn eine unerwartete Krankheitswelle kommt."

Was ist das Lieferengpassgesetz?

Im Juli 2023 trat das "Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz" (ALBVVG) in Kraft. Kernpunkte sind eine neue Preisbildung für Pharmazeutika, die Stärkung des Produktionsstandorts Europa für Antibiotika, ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe und ein vereinfachter Austausch fehlender Arzneimittel in Apotheken.

Hilft das Lieferengpassgesetz?

Das Lieferengpassgesetz sei zwar ein erster Schritt, sagt Wissenschaftlerin Ulrike Holzgrabe. Es gehe aber noch nicht weit genug.

"Herr Lauterbach hat das Rabattsystem für Kinderantibiotika ausgesetzt; das war der Schritt in die richtige Richtung. Es muss aber weitergehen, und zwar nicht nur mit einer Empfehlung, dass die Krankenkassen nicht allein in Asien die Arzneimittel einkaufen, sondern auch europäische Hersteller berücksichtigen sollen."

Ihre Erkenntnisse bezieht sie aus der Initiative EthCIS-EU, in der sie die Lieferengpässe wissenschaftlich untersucht. Zudem berät sie die Critical Medicine Alliance der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA).

Wo hakt es?

Ein großes Problem seien laut Ulrike Holzgrabe die Rabattverträge, Festbeträge und Preismoratorien.

Rabattverträge bestehen zwischen Arzneimittelherstellern und gesetzlichen Krankenversicherungen über die exklusive Belieferung mit Arzneimitteln. Als Festbetrag wird die Höchstgrenze bezeichnet, bis zu der die gesetzlichen Krankenkassen bestimmte Arzneimittel bezahlen. Ein Preismoratorium ist eine zeitlich begrenzte Preisbindung.

"Diese haben zu nicht auskömmlichen Preisen geführt, sodass sich die Produktion von Arzneimitteln nicht mehr lohnt", erklärt Ulrike Holzgrabe. "Das gilt im Wesentlichen für die Generika, also Nachahmer-Medikamente, die die Grundversorgung der Bevölkerung darstellen."

Sie kosten nur 20 Prozent des Geldes, das die Krankenversicherungen für Arzneimittel ausgeben. "Dafür fressen neue Arzneimittel der großen Pharmafirmen 80 Prozent der Arzneimittelkosten, da die Firmen im ersten Jahr der Einführung jeden Preis, ohne jegliche Grundlage, aufrufen dürfen. Hier ist etwas ganz falsch im System", kritisiert die Senior-Professorin. 

Die Generika-Hersteller prognostizieren alljährlich den Bedarf an Arzneimittel unter Berücksichtigung von Erkrankungswellen. "Aufgrund der geringen Margen, die sie erzielen können, werden sie aber weniger Produktion planen, als die Prognose ergeben hat. Denn bei einer Überproduktion bleiben sie häufig auf Arzneimittel sitzen", erläutert Holzgrabe.

Bei den geringen Margen können solche Verluste kaum aufgefangen werden. "Diese geplante Unterversorgung kann schnell zu Lieferengpässen führen, auf die nicht immer gleich reagiert werden kann."

Was könnte eine Lösung sein?

"Wir werden das ganze System, das sich in den letzten 20 Jahren etabliert hat, nur schwer ändern können", meint die Wissenschaftlerin, die 2023 den Wissenschaftspreis der Lesmüller-Stiftung erhalten hat.

"Doch insgesamt gesehen muss das hochkomplexe Rabattsystem, das auch dazu geführt hat, dass man die Produktion nach Asien verlagert hat, durch ein einfaches und transparentes System ersetzt werden."

Als Beispiel nennt sie das Antibiotikum Amoxicillin: Hier wäre der Therapiezyklus einer Infektion nur 10 bis 20 Cent teurer, wenn die Antibiotika in der EU herstellt statt in China gekauft würde. "Der höhere Preis muss es uns bei lebensgefährlichen Erkrankungen wert sein.  Die höheren Kosten könnte man durch die Erniedrigung der Preise für innovative Arzneimittel auffangen."

 

 
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