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Bad Kissingen
Lichtblick für Bäderlandkreis: Feiert die Kur ihr Comeback?
Die Badekur könnte 2021 wieder zur Pflichtleistung für Krankenkassen werden. Ein entsprechendes Gesetz liegt auf Bundesebene vor. Die Kurorte sehen das als Chance mitten in der Krise.
Wellnessmasseurin Rosi Back bereitet ein Solebad im Sanatorium Uibeleisen vor. Benedikt Borst/Archiv       -  Wellnessmasseurin Rosi Back bereitet ein Solebad im Sanatorium Uibeleisen vor. Benedikt Borst/Archiv
| Wellnessmasseurin Rosi Back bereitet ein Solebad im Sanatorium Uibeleisen vor. Benedikt Borst/Archiv
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 17.08.2022 11:20 Uhr

Die Kurkrise hatte den Bäderlandkreis hart getroffen. Die Badekur, die vorher viele Gäste nach Bad Kissingen , Bad Brückenau und Bad Bocklet brachte, wurde 1996 als Pflichtleistung aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen. Als reine Wahlleistung wurden in der Folge weniger Kuren verordnet, die Übernachtungszahlen brachen dramatisch ein. Wurden zum Beispiel 1995 in Bad Kissingen 1,9 Millionen Übernachtungen gezählt, waren es zwei Jahre später nur noch rund 1,4 Millionen. Damit begann eine Entwicklung, in deren Folge viele kleine Kurhäuser schließen mussten. "Teile der Folgen sind noch heute sichtbar: Viele Häuser von damals stehen leer und sind bis heute Gegenstand kommunalpolitischer Diskussionen", sagt Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel ( SPD ).

Fokus auf Vorsorge

25 Jahre später könnte die Badekur wieder eine Renaissance erleben. Das Bundeskabinett hat kurz vor Weihnachten einen Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung verabschiedet. Das Gesetz sieht in einem Passus vor, dass " ambulante und stationäre Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten von Ermessens- in Pflichtleistungen umgewandelt werden". Nachdem die Kur als Teil der Gesundheitsvorsorge stark zurückgefahren wurde, hat zuletzt offenbar ein politisches Umdenken stattgefunden.

Mit der geplanten Umwandlung zur Pflichtleistung "soll dem besonderen Wert der Vorsorgeleistungen für die Gesundheit der Versicherten stärker Rechnung getragen werden", erläutert eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums gegenüber der Redaktion. Vorsorgeleistungen, so die Sprecherin, können Beschwerden lindern, körperliche Funktionen festigen oder bessern, einen bewussten Umgang mit der Gesundheit fördern und schädliche Verhaltensweisen korrigieren. "In Anbetracht des demografischen Wandels und des Anstiegs der chronischen Erkrankungen ist es von besonderer Bedeutung, die medizinische Vorsorge zu stärken", sagt sie.

Zu Details gibt das Ministerium aktuell keine Auskunft. "Der Entwurf befindet sich nun im parlamentarischen Verfahren. Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Das Gesetz wird voraussichtlich im Laufe des ersten Halbjahres in Kraft treten", so die Sprecherin.

Staatsbäder sehen Chancen

Im Bäderlandkreis wird das Vorhaben sehr positiv aufgenommen, wenngleich die Verantwortlichen ihre Erwartungen fürs erste nicht allzu hoch hängen. OB Dirk Vogel sieht in der Regelung "die richtige Antwort auf eine alternde Gesellschaft ".

Welche wirtschaftlichen Chancen sich ergeben, könne erst geprüft werden, wenn das Gesetz beschlossen wurde. Er wolle mit den hiesigen Akteuren evaluieren, wie groß die bestehenden Kapazitäten sind und welche neuen Möglichkeiten entstehen. "Persönlich glaube ich, dass gerade ein Fenster für Bad Kissingen aufgeht. Wir müssen herausfinden, wie groß der Spalt ist", sagt Vogel.

Ein altes wirtschaftliches Standbein der Stadt müsse auf moderne Weise gefestigt werden. "Die Badekuren aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts werden nicht die Vorsorgeleistungen der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts sein", betont der Oberbürgermeister.

Kur braucht Marketing

Bad Kissingens Kurdirektorin Sylvie Thormann sieht den Entwurf als Chance, "die ortstypischen Heilmittel stärker in der Fokus zu stellen". In der Stadt spiele das Heilwasser trotz des Wegfalls der Badekur weiter eine wichtige Rolle, etwa beim Heilwasserausschank in der Wandelhalle und bei Badeangeboten in Hotels, Kliniken und in der Kisssalis-Therme. Mittel- und langfristig können die Angebote ausgebaut werden, insofern sie lukrativ sind. Sie erwarte, dass die Kurzahlen schrittweise steigen.

"Ich bin nach wie vor ein Fan der Badekur", sagt Bad Brückenaus Kurdirektorin Andrea Schallenkammer . Kuraufenthalte verfolgen einen ganzheitlichen Therapieansatz. Zudem sei für die Behandlung mancher Krankheitsbilder ein Milieuwechsel sinnvoll - also weg von zuhause in ein anderes Umfeld. Badekuren dienen der Prävention und bieten Heilungschancen etwa bei chronischen Leiden. Bad Brückenau sei gut für Kurangebote gerüstet. Die Kurdirektorin sieht die Änderung als Chance. Es müsse aber gelingen, die Idee der Badekur wieder in der Breite bekannt zu machen. "Es nutzt nichts, wenn ich ein Gesetz habe und Patienten, Arbeitgeber und Kassen nehmen es nicht an", sagt Schallenkammer.

Bad Bocklets Kurdirektor Thomas Beck hält die Reform aus fachlicher Sicht für notwendig. "Es ist der richtige Weg in der Prävention und Gesundheitsfürsorge und der richtige Weg, damit die Menschen sich selbstbestimmt um ihre Gesundheit kümmern", findet er. Die Kombination aus Urlaubsgefühl (der Kurende wählt seine Unterkunft selbst) und medizinischer Expertise bei den Gesundheitsanwendungen hält er für eine attraktive Kombination. "Ich bin überzeugt, dass wir neue Zielgruppen erreichen können", sagt er. In Bad Bocklet garantieren das Badehaus mit Moor- und Mineralbädern sowie ein Badearzt, dass die Änderung kurzfristig umsetzbar wäre.

Andreas Tröger, stellvertretender Direktor im Sanatorium Uibeleisen Bad Kissingen , sieht die geplante Änderung als vorteilhaft, "Wir haben immer wieder Gäste, die Badekuren nutzen", sagt er. Dabei handelt es sich vor allem um Senioren. Würde die Badekur wieder zur Pflichtleistung, könnte eine Zielgruppe im Mittleren Alter neu erschlossen werden. "Da geht es um Leute, die im Beruf stehen und ihrer Gesundheit etwas Gutes tun wollen", sagt er. Es werde spannend, wie die Kur unters Volk gebracht wird.

 
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Kommentare
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  • klafie
    hoffentlich kann die Bäderkultur bald wieder öffnen und feiern, wenn sie bis dahin nicht
    Insolvenz beantragen müssen, wie so viele es in diesem Jahr wohl noch tun werden müssen,
    durch das politische Versagen unserer Großvisiere!
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