Optisch erinnert das Stahlrohr an eine Litfaßsäule, zumindest ist es rund und ähnlich groß - allerdings ist es nicht mit Plakaten beklebt, sondern der polierte Edelstahl glänzt in der Sonne. Bei dem mehr als zwei Meter hohen Objekt handelt es sich um ein Edelstahlkamin, durch den künftig die Zuluft für die Labore des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) angesaugt wird. "Im Technikkeller unter dem Hof befindet sich die Zuluftzentrale", erklärt Architekt Ralf Alsheimer. Die Zuluft wird dort gefiltert und auf Temperatur gebracht, damit sie den Laborstandards genügt. Anschließend wird sie über riesige Luftschächte in den Neumannflügel geleitet. Die Zuluftzentrale wird 45 Labore versorge, die dem LGL im kommenden Jahr im Neumannflügel zur Verfügung stehen.
Der Freistaat hat vor gut vier Jahren damit begonnen, den Neumannflügel und das angrenzende Kurhausbad umzubauen. Die beiden historischen Kurgebäude werden für 56,9 Millionen Euro zur LGL Dienststelle, die der Freistaat im Zuge der Behördenverlagerung in Bad Kissingen ansiedelt. Im Kurhausbad - hier ist die LGL-Verwaltung untergebracht - hat vor gut einem Jahr das Personal die neuen Büros bezogen. Laut einem LGL-Sprecher sind derzeit in Bad Kissingen mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt, bis 2025 sollen in Kurhausbad und Neumannflügel insgesamt 100 Menschen beschäftigt sein.
Im Neumannflügel werden auf den Etagen vom Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss 45 Labore untergebracht. "Dort wird das Non-Food-Zentrum des LGL angesiedelt sein", berichtet der Sprecher. In den Laboren werden dann Bedarfsgegenstände wie Verpackungen und Geschirr, Spielwaren, Scherzartikel sowie Reinigungsmittel untersucht, daneben kosmetische Mittel und Tabakerzeugnisse analysiert. Außerdem landen hier Blutalkoholuntersuchen zur Auswertung. Im Untergeschoss finden sich weitere Technik- sowie Lagerräume, das Geschoss direkt unterm Dach haben die Planer mit noch mehr Technik vollgestopft. "Dort ist die Abluftzentrale untergebracht. Die Luft wird von unten nach oben abgesogen und dann ausgeleitet", erklärt Architekt Alsheimer.
Laborbetrieb ab Sommer 2022
Die Bauarbeiten im Neumannflügel sind inzwischen auf der Zielgeraden. "Wenn wir auf den Bauzeitenplan schauen, dann haben wir 97 Prozent fertig", sagt er. Außen im Hof sind nur noch Restarbeiten zu erledigen, im Innern sind die Bodenbelagsarbeiten nahezu fertig, die zwei neuen Aufzüge sind betriebsbereit, die Rohinstallationen der Technikgewerke großteils beendet. "Die Raumschale ist kurz vor der Fertigstellung", sagt Alsheimer. Bis Weihnachten sollen die Handwerker mit den Hauptarbeiten durch sein. Dann fehlen eigentlich nur noch die Möbel.
Was sich lapidar anhört, hat es aus mehreren Gründen in sich. Enstprechend rechnet die Immobilienverwaltung des Freistaates auch nicht damit, dass vor dem Sommer in den Laboren gearbeitet wird. "Die bauliche Fertigstellung sowie die Inbetriebnahme erfolgt voraussichtlich bis Sommer 2022", erklärt Christian Rast vom Zentrum Staatsbäder in Bad Steben. Beim Einbau der Laborausstattung hat die Coronapandemie den Zeitplan über den Haufen geworfen. Grund sind längere Fertigungs- und Lieferzeiten. Wie Alsheimer berichtet, werden zwar im November die ersten Laborgeräte und -möbel erwartet - der Haupteinbau wird aber voraussichtlich erst im Januar starten und bis Ende März dauern. Mit dem Einbau allein ist es nicht getan. Es folgen Probeläufe, technische Abnahmen und Überprüfungen und Zertifizierungen. Zum Beispiel wird die Sicherheitstechnik , etwa in Form von Abschaltvorrichtungen, geprüft. Erst wenn das alles erledigt ist, können die Labore in Betrieb genommen werden. Alsheimer: "Ich rechne damit, dass diese Phase noch mal etwa zwei bis zweieinhalb Monate dauert."
Von der modernen Labortechnik im Innern des Neumannflügels ist von draußen nicht viel zu sehen. Wer als Fußgänger an dem ehemaligen Königlichen Logierhaus vorbeiläuft, sieht nur die nach historischem Vorbild frisch sanierte Fassade. "Von außen ist das Gebäude wie 1820, drinnen ist es High-Tech. Die Nutzung in dem Denkmal zu verstecken, war baulich die große Herausforderung", meint Alsheimer.
Überbleibsel des Königlichen Logierhauses
Doch nicht nur die Fassade steht unter Denkmalschutz, auch im Innern des Laborbaus gibt es historische Schmuckstücke: Da ist ein Teil einer historischen Schmuckdecke im Südflügel des ersten Obergeschosses. Hier befand sich früher der herrschaftliche Salon für die adeligen Hotelgäste. Zwar ist bei früheren Umbauten der Großteil der dekorativen Decke zerstört worden, ein Teil wurde aber erhalten und restauriert. Historisch bedeutend sind vor allem die beiden Treppenhäuser. Das kleinere Nebentreppenhaus stammt aus der Bauzeit, das Littmann-Treppenhaus wurde 100 Jahre später Mitte der 1920er errichtet, und zwar als das Kurhausbad gebaut wurde. Es verbindet den Neumannflügel mit dem Kurhausbad. Die Treppenhäuser wurden statisch überarbeitet und werden farblich wieder in den jeweiligen Originalzustand zurückversetzt. Im Falle des Littmann-Treppenhauses ist das sehr aufwendig und der Job von erfahrenen Kirchenmalern.
Aktuell erhält das Geländer den finalen Anstrich: Es ist strahlendweiß gestrichen. Der Handlauf wird noch eine dunklere Farbe bekommen, die Holzverstrebungen hingegen werden mit golden-ockernen Schablonenfriesen verziert. Die Fries-Malereien schmücken nicht nur das Geländer , sondern auch die Wände des Treppenhauses.
Ob die historischen Gebäudeteile im Neumannflügel künftig öffentlich zugänglich sind, lässt das Zentrum für Staatsbäder offen. Grundsätzlich dienen sowohl Kurhausbad, als auch Neumannflügel dem LGL als Behördengebäude, betont Christian Rast. Einzelne Bereiche werden öffentlich betretbar sein. Nach dem derzeitigen Stand ist das im Kurhausbad das Vestibül sowie eine historische Badekabine im ersten Obergeschoss (sind bereits betretbar) sowie im Untergeschoss die Bitterwasser-Showabfüllung und der Gastronomiebereich (noch nicht in Betrieb).