Vielleicht sollte man bei der Diskussion um den Abschlussstreich der Nüdlinger Neuntklässer mal damit anfangen, was wirklich passiert ist. Das lässt sich nämlich mit einem Wort zusammenfassen: nichts. Es wurde nichts zerstört oder nachhaltig beeinträchtigt, kein messbarer Schaden erzeugt. Damit hätte die Geschichte auch schon zu Ende sein können.
Eskaliert wurde die Sache anschließend von der Schulleitung. Die Rektorin hatte zumindest die Größe, in ihrer sehr guten Ansprache zum Abschluss den Vorfall außen vor zu lassen. Neun Jahre Schule müssen nicht faktisch grundlos von einer Stunde am Vormittag überschattet werden. Der Schulrat hingegen verlässt in seiner Ansprache nach Ansicht vieler Zuhörer den Boden des Anstands - vor allem dem auch anwesenden Bürgermeister gegenüber - und dokumentiert damit einmal mehr, dass die ganze Führungsriege der Schule das Gefühl für Maß und Ziel verloren hat, selbst wenn er in der Sache nichts Falsches gesagt hat. Man zeigt damit genau das, was den Schülern vorgeworfen wird: Handlung ohne Gefühl für die Folgen. Der Souverän gibt ohne echte Not das auf, was ihn ausmacht: seine Souveränität.
Klar ist, dass das Betreten des Rektorats durch die Schüler mindestens ungeschickt war und nicht hätte sein müssen. Aber wofür der ganze Aufstand danach? Hofft man auf eine abschreckende Wirkung? Für wen denn? Das wird auf absehbare Zeit der letzte Schulabschluss in Nüdlingen gewesen sein.
Auch das Nachspiel des Streichs erzeugt Stirnrunzeln: warum man für das Einstecken von Kabeln in Bürocomputer einen Fachmann rufen muss, verschließt sich jeder vernünftigen Betrachtung. Die Wahrscheinlichkeit, dass beim Abziehen der Kabel von einem ruhenden Bürorechner ein Schaden auftritt, ist bei der heutigen Technik verschwindend gering. Nach meiner Kenntnis hat der Fachmann auch genau das festgestellt: kein Schaden. Ruft man den Techniker nach jedem Stromausfall?
Bleibt bei nüchterner Betrachtung noch ein Punkt: Die aufgrund des Berichts zu vermutende Aufbewahrung personenbezogener (oder gar „sensibler“) Daten offen auf einem Schreibtisch oder in einem unverschlossenen Schrank (der „Generalschlüssel“ des Hauses sollte ja kaum für Büroschränke passen) dürfte sich nur schwerlich mit den geltenden Datenschutzbestimmungen in Einklang bringen lassen.
Zudem haben alle am Abschlussstreich Beteiligten übereinstimmend berichtet, dass sie ganz bewusst nicht an die Schränke gegangen sind. Auch das liefert also keinen nachvollziehbaren Grund für den ganzen Aufstand.
Alles in allem würde den Vorfall so zusammenfassen: viel Wind um nichts. Passt aber auch irgendwie in unsere Zeit. Eigentlich ist das alles nicht die Spucke wert, darüber zu reden. Jetzt wird sogar Druckerschwärze verschwendet. Es wäre echt Zeit, mal wieder auf den Boden zu kommen…
Heiko Rittelmeier
97720 Nüdlingen