Man kann den Lenkern von Staatsbad und Stadt Bad Kissingen nur dazu gratulieren, dass sie drauf und dran sind, ein weiteres Standbein des Kulturbades Kissingen, ganz oder in die Unkenntlichkeit verschwinden zu lassen. Nach dem städtischen Musikring, dem Theaterfestival Sommerlust, der Kappung der Veranstaltungsanzahl beim Kissinger Sommer geht es jetzt an die Veranstaltung, die unter der Ägide der seit sieben Jahren amtierenden Leiterin der Kulturabteilung der Staatsbad GmbH, Jutta Dieing, Profil, Anerkennung und eine Platzausnutzung von um die 80 Prozent gewonnen hat. Während OB und Kurdirektor beim Abschlussempfang des letzten Winterzaubers im Januar 2012 aber diese Zahl stolz verkündeten, planen sie jetzt allem Vernehmen nach, dieses Winterfestival seines gestalterischen Kopfes zu berauben.
Dabei haben Winterzauber und die äußerst erfolgreiche Lange Nacht des Regentenbaus – Power & Emotion mit ihren über 1000 Besuchern gezeigt, dass das Konzept von Frau Dieing aufgeht, die herrlichen Säle des Regentenbaus ästhetisch-kreativ zu inszenieren, die verschiedensten Musikgruppen aus Klassik, Crossover, spannendem Jazz und Pop anzubieten, um damit ein jüngeres und völlig anderes Publikum als das des kulturellen Flaggschiffs von Bad Kissingen, des Kissinger Sommers, anzuziehen.
Das Rezept ist probat und bekannt: Man engagiere eine Unternehmensberaterfirma, die dann punktgenau feststellt, wer gehen sollte (Change Management heißt das zynisch). Im vorliegenden Fall soll die Rettung der Finanzen der Staatsbad GmbH dadurch erfolgen, dass eine mit Angestelltengehalt ohne Intendantenhonorar bezahlte Mitarbeiterin betriebsbedingt gekündigt werden soll. Wer die Arbeit der klassisch ausgebildeten, im Crossover-Bereich versierten und in der Musikwelt (Der Bayerische Rundfunk reagierte entsetzt auf die Meldung!) vernetzten Kulturmanagerin übernehmen soll, steht in den Sternen, weshalb betriebsbedingt hier doch nur heißen kann: Nach dem Wegbruch der Kur verliert Kissingen auch einen weiteren wesentlichen Teil seines einzigen Alleinstellungsmerkmals gegenüber anderen Kurorten: spannende, hochkarätige Konzertveranstaltungen in herrlichen Räumen. Und für ein neues, neugieriges, jüngeres Publikum.
Im Regentenbau gab es schon einmal die Ära der Ausstellungen der Kleintierzüchterverbände und im Kurtheater herrschten schon einmal Bauernbühnen. Auch aus Bad Kissingen kann eine Zombiestadt mit wunderschönen leer stehenden, un- oder umgenutzten oder abgerissenen Gebäuden werden (Luitpoldbad, Hotels in exponierter Lage, die Untere Saline, Gradierbau, Kalk-Klinik, Traditionsgaststätten zeugen davon, die Kurgastsäle des Regentenbaus sind schon meist dicht).
Aus wirtschaftlichen Krisen kommt man aber nicht durch flächendeckenden Abbau, sondern durch innovative Zukunftsprojekte (Nutzung des Luitpoldbades als Kongresshalle für Tagungen durch Überdachung des Innenhofs, Wochenendkurzkuren mit Kulturprogramm, Kulturprogramm mit Abstimmung auf Tagungen). Bad Kissingen hat keine aufregende Landschaft und keine spektakuläre Geschichte – nicht wegen der Solekur, sondern eher wegen des Kissinger Sommers kennt man heutzutage seinen Namen.
Dazu braucht es Macher mit Händchen, Verbindungen nach außen und Mut für Neues. Wenn man diese entlässt, weil sie nicht stromlinienförmig und mauschelkompatibel sind, ist der Weg frei zu einem verschlafenen Provinznest mit großer Vergangenheit, das im Sommer kurz aufwacht bei Festival und Rakoczyfest, aber ansonsten im Jammern darüber versinkt, dass es weder aus der Industrie noch dem gewerblichen Mittelstand noch dem Fremdenverkehr nennenswerte Einnahmen bekommt.
Gerhild Ahnert
97688 Bad Kissingen