Rasen mähen? Hecken schneiden? Für Lenny Neugebauer (10) und Moritz Kaiser (11) ist klar, dass sich ihr Nachbar Robert Markert (98) mit solchen Arbeiten schwer tut, vor allem, weil er gerade zwei Monate im Krankenhaus war. Sie beschließen, ihm zu helfen. Ihr Freund Janis Friedel (12) aus Hohn ist auch dabei, als sie eines Nachmittags bei dem 98-Jährigen an der Haustüre klingeln.
Robert Markert, der sich zu Hause inzwischen am Rollator fortbewegt, braucht ein bisschen, bis er die Haustüre öffnen kann. „Wir wollten fragen, wie?s dir geht“, sagen die Jungs und machen klar, dass sie ihm gern bei irgendwelchen Arbeiten zur Hand gehen wollen. Markert ist baff. Dass ihm die drei Bengel einfach so ihre Hilfe anboten, hat ihn mehr als gefreut, sagt er später im Gespräch mit der Redaktion.
Die Helfer sind zur Stelle
Zunächst zieht er aber erst mal seine Tochter Brigitte Schwarz zu Rate, weil er unsicher ist, ob er das Angebot der Minderjährigen einfach so annehmen kann. Einen Tag später treffen sich alle bei dem 98-Jährigen wieder und besprechen die Lage. Die Jungs kommen bereits eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Termin um 16 Uhr und kehren schon mal Markerts lange Haustreppe gründlich ab.
„Sie haben es sehr ernst gemeint mit der Hilfe“, lobt auch Brigitte Schwarz die Kinder und erzählt, wie die Drei spontan den uralten Rasenmäher ihres Vaters wieder in Gang setzten wollten. „Der ist aber schon lang kaputt“, sagt Schwarz. Die drei freiwilligen Helfer seien deswegen ziemlich enttäuscht gewesen. „Ich dachte, vielleicht haben ihre Eltern sie zu meinem Vater geschickt.“ Das hätten die Drei aber energisch verneint, sagt Schwarz. Zu einem praktischen Hilfseinsatz kam es dann doch nicht, weil Markert und seine Tochter Sicherheitsbedenken hatten. „Wir können doch einem Elfjährigen keine Heckenschere in die Hand drücken.“
Moritz ist da anderer Ansicht: „In der Schule machen wir das auch. Wir können das. Wir haben die nötige Kraft dazu“, beteuert er, während Lenny und Janis eifrig nicken. Die Drei besuchen die Montessori-Schule in Sandberg. Dort seien kleine körperliche Arbeiten in der Gemeinschaft durchaus in den Tagesablauf integriert, sagt Moritz. „Und da habe ich auch schon Büsche mit der Heckenschere geschnitten“, sagt er, wenngleich er einräumt, dass andere dabei waren und halfen.
„Wir dachten, Robert ist der Älteste in Aschach und kann bestimmt Hilfe gebrauchen“, sagt Lenny. „Helfen macht einfach Spaß“, bringt es Moritz auf den Punkt. Ihre Eltern seien da gute Vorbilder, aber auch in der Schule werde Hilfsbereitschaft groß geschrieben, sagen die Beiden. Außerdem kennen sie Robert Markert ja von früher, als sie noch im Kindergarten waren. Dort war Markert nämlich Hausmeister und habe auch immer bereitwillig geholfen.
„Bis vor drei Jahren war ich dort“, sagt der 98-Jährige und findet es offensichtlich ganz selbstverständlich, dass jemand weit übers Rentenalter hinaus noch in der Öffentlichkeit aktiv tätig ist. „Bis vor drei Jahren war ich auch noch Mesner“, fügt er hinzu. Und das wäre vermutlich auch noch ein bisschen so weitergegangen, wäre nicht sein Herz plötzlich schwächer geworden.
Erinnerungen werden wach
Hilfsbereitschaft hat auch Markert von Grund auf gelernt. „Früher waren wir verpflichtet, zu den Bauern im Ort hinzugehen und zu helfen, wenn Korn geschnitten oder die Wiesen gemäht wurden. Das war für uns selbstverständlich.“ Dass heute nicht mehr jeder gleich anpackt, wenn er sieht, dass jemand Hilfe braucht, dazu hat er seine ganz eigene Meinung: „Wir sind ein verwahrlostes Volk geworden. Der Nächste kennt den Nächsten nicht mehr.“
Der Dorfälteste erinnert sich an früher, als man sich jeden Abend am Kriegerdenkmal traf und gemeinsam Musik machte: „Der eine hatte die Gitarre dabei, der andere ein Schifferklavier und der dritte dudelte auf der Mundharmonika mit.“ Da standen die Haustüren offen, vor jedem Haus gab?s ein Bänkle, auf dem man immer mal mit Nachbarn und Freunden zusammensaß. „Es gab nichts, womit man sich gern allein beschäftigt hätte, man wollte mit anderen zusammenkommen“, beschreibt auch Brigitte Schwarz das einst traute Leben in der Dorfgemeinschaft.
„Ich weiß nicht, wie wir das damals überlebt haben, dass wir keinen Fernseher, kein Radio und kein Handy hatten“, sagt Robert Markert ironisch. Die Technik trage schon enorm dazu bei, dass die Menschen vereinsamen, glaubt er. Auch die drei Buben haben ihre spezielle Ansicht zum digitalen Fortschritt. „Handys sind ja okay, aber wenn man nicht mehr hinschaut, wo man gerade läuft und dann beim Pokémon Go-Spielen in die Baugrube fällt, dann ist das doch blöd“, sagt Lenny. Janis hat einen Computer, aber er benutze ihn bewusst dosiert, sagt er. Und Moritz hat einen Freund, den er kaum noch sieht, weil dieser tagsüber sehr viel Zeit am Computer verbringt. „Das ist schade, denn wir könnten ja auch mal wieder was draußen machen.“