Es sind schwere Vorwürfe, die ein Mann aus Schweinfurt erhebt. Sie richten sich an einen Konkurrenten. Dieser soll Leichen dem Bestattungsausbildungszentrum in Münnerstadt zum Üben zur Verfügung gestellt haben. Und das ohne das Einverständnis der Angehörigen. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt ermittelt gegen den Bestatter wegen des Verdachts der Störung der Totenruhe. Die Süddeutsche Zeitung hatte zuerst über den Vorfall berichtet.
Ein Konkurrent zeigte ihn an
Der Anzeigenerstatter ist einer der ehemaligen Angestellten des Bestatters. Er hatte von 2001 bis 2013 für den Bestatter gearbeitet und ist nun selbstständig. Eine fristlose Kündigung habe nach mehreren Abmahnungen das Arbeitsverhältnis beendet, sagt der angezeigte Bestatter. Sein ehemaliger Mitarbeiter bestätigt das, sagt aber, die Abmahnungen seien "überzogen" und teilweise nicht unterschrieben gewesen. So habe er beispielsweise eine Abmahnung erhalten, "weil ich mich geweigert habe, eine infektiöse Leiche herzurichten", sagt der ehemalige Mitarbeiter gegenüber dieser Redaktion. Die fristlose Kündigung habe er nach einem Bandscheibenvorfall erhalten, den er sich beim Heben eines sehr schweren Sargs zugezogen haben will.
Störung der Totenruhe?
Folgendes will der ehemalige Mitarbeiter wissen: Sein früherer Chef habe über mehrere Jahre hinweg Verstorbene - die Rede ist von sieben - ohne Wissen der Angehörigen oder vorheriges Einverständnis des Verstorbenen dem Bundesausbildungszentrum für Bestatter in Münnerstadt zu Verfügung gestellt. Der Grund: Dort werden angehende Bestatter ausgebildet, sie üben auch an Leichen , wenn es um Dinge geht wie Wundversorgung, Waschen, Haarpflege, Kosmetik, Ankleiden und das Betten im Sarg.
Nur: Dazu braucht es eine Einwilligung, entweder von den Hinterbliebenen oder im Vorfeld vom Verstorbenen. Und die soll es - laut dem ehemaligen Mitarbeiter - nicht gegeben haben. Dazu sagt Ursula Haderlein, Leitende Oberstaatsanwältin in Schweinfurt: Verstorbene dürften nicht "gegen den oder ohne den Willen der Totensorgeberechtigten" weggebracht werden. Das gelte als Störung der Totenruhe. Als Totensorgeberechtigte gelten üblicherweise die Angehörigen. Nun müsse geklärt werden, was im Einzelnen passiert ist, was die Angehörigen wussten und welche Behandlung an den Leichen vorgenommen wurde. Die Ermittlungen werden sich Haderlein zufolge noch mindestens einen Monat hinziehen. Schon im Februar wurde in dieser Sache ermittelt, allerdings vorerst eingestellt. Der Grund, so Haderlein: "Damals war der Sachverhalt noch nicht so aufgeklärt wie jetzt, wir erhielten neue Informationen in Form einer Beschwerde - deshalb haben wir das Verfahren wieder aufgenommen und ermitteln nun weiter."
Zeugen stützen den ehemaligen Mitarbeiter
Die Vorwürfe des ehemaligen Mitarbeiters werden von zwei Zeugen gestützt und sollen sich auch nach der Zeit des ehemaligen Mitarbeiters bei dem Bestatter zugetragen haben. In Telefonaten mit dieser Redaktion erzählen sie, was sie als Augenzeugen gesehen haben wollen. So berichtet eine ehemalige Mitarbeiterin, die zwischen 2016 und 2018 bei dem Bestatter gearbeitet hat, dies: "Ich habe unter anderem Angehörige beraten. Und pro Jahr gab es etwa acht bis neun Fälle, in denen mit ihnen nicht über die Möglichkeit geredet wurde, dass der Verstorbene dem Bundesausbildungszentrum zur Verfügung gestellt werden könnte. Doch die Verstorbenen wurden dennoch nach Münnerstadt gebracht." "Grausam", findet sie das. "Natürlich, wir brauchen, um vernünftig arbeiten zu können, die Möglichkeit, an Verstorbenen lernen zu können - doch die Angehörigen müssen das wissen!" Und weiter berichtet die Frau: "Es gibt Verstorbene , die haben keine Wunden , an denen man das Nähen üben könnte. In diesen Fällen wurde geschnitten und dann genäht", sprich: Den Leichen seien vorsätzlich Wunden zugefügt worden. Sie sagt, es hätten in einem Ausbildungskurs mehrere Azubis an einem Körper die sogenannte Mund-Ligatur, also das Verschließen des Mundes geübt.
Eine weitere Frau, die in Münnerstadt ausgebildet wurde, sagt gegenüber dieser Redaktion: "Ich habe beobachtet, wie einem Verstorbenen Schnittwunden an Armen und Oberschenkeln zugefügt wurden." Und das sei geschehen, "ohne eine Einwilligung der Angehörigen". Die Leichen seien "heimlich" von dem Bestatter nach Münnerstadt gefahren worden. Die Toten seien anschließend kremiert oder mit geschlossenem Sargdeckel ausgestellt worden.
"Völlig aus der Luft gegriffen"
Stephan Neuser ist Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter und Vorstandsmitglied des Trägervereins des Münnerstädter Ausbildungszentrums. "Wir gehen immer davon aus, dass es vorher eine Einwilligung gegeben hat", überprüft werde das in Münnerstadt aber nicht mehr. Er betont, wie wichtig das Üben am Leib ist, "unter Anleitung von Fachdozenten, Experten in ihrem Bereich". Als "völlig aus der Luft gegriffen" bezeichnet er die Vorwürfe, dass Leichen Wunden zugefügt worden sein sollen. "Wir haben die Möglichkeit, das Nähen an Puppen zu üben." Ob er für die Ausbilder seine Hand ins Feuer legen würde? "Ich bin beim Unterricht nicht dabei", sagt Neuser. "Aber ich gehe davon aus, dass alles im Sinn der Vorschriften durchgeführt worden ist. Alles weitere muss das Ermittlungsverfahren klären."
Der Bestatter weist Vorwürfe zurück
Und der Schweinfurter Bestatter ? Er sagt: "An der Geschichte ist gar nichts." So stellt er seine Fahrten nach Münnerstadt dar: " Die Vorfälle sind mindestens fünf Jahre alt. Zur damaligen Zeit hatten wir bei uns im Unternehmen noch keine fachlichen Möglichkeiten, die wir heute haben. Wenn wir besonders anspruchsvolle Fälle hatten, beispielsweise nach Unfällen, wollten wir den Angehörigen trotzdem die Möglichkeit geben, sich am offenen Sarg zu verabschieden. Da wir das nicht leisten konnten, haben wir in Absprache mit den Angehörigen die Spezialisten in Münnerstadt aufgesucht - auf unsere Kosten. Wenn das Unrecht ist, dann verschließt sich mir das." Dass dabei Azubis zugesehen hätten, fände er normal. "Und Geld habe ich damit nicht verdient." Dass sein Unternehmen Leichen nach Münnerstadt gefahren hätten, damit Azubis ohne Absprache mit den Angehörigen daran üben könnten, weist er weit von sich.